Vom Essen besessen
Falckenberg-Schüler servieren 'Nachschlag' im Werkraum Essen ist ebenso gesellig wie lebenswichtig. Darum widmet die Lübecker Regisseurin Nicola Hümpel Speis und Trank nun ein ganzes Theaterstück: Gemeinsam mit den Studenten des zweiten Jahrgangs der Otto-Falckenberg-Schule für darstellende Kunst gestaltet sie im Werkraum der Kammerspiele drei Abende über das Essen - ohne zu essen. Die Protagonisten reden über verschiedene Ernährungsformen oder die Haute Cuisine, vergleichen die Haltbarkeit durch Konservierungsstoffe mit der Sterblichkeit hungerleidender Kinder und hinterfragen die fälschliche Darstellung von Lebensmitteln in der Werbung. Dabei schlüpfen die Schauspieler in Rollen, die unterschiedlicher kaum sein könnten - von der schizophrenen Makrobiotik-Tante bis zum hamsternden Essbesessenen. Mit ihrem Stück schafft Hümpel eine 'radikal-poetische Denklandschaft, die den Zuschauer einlädt, sich mit seinen Erfahrungen und Gefühlen darin zu bewegen'. Das Publikum soll sich ebenso einlassen wie die Schauspielstudenten selbst. Denn in der Zusammenarbeit mit Hümpel sind sie nicht in eine von ihr vorgegebene Rolle geschlüpft, sondern haben ihre Figuren allesamt selbst erfunden. Dann erst wurde für jeden einzelnen der Text geschrieben. Das macht die Charaktere so wahrhaftig. Worte stehen hier selten im Widerspruch zu Mimik und Körpersprache. Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass es manch ambitioniertem Nachwuchstalent noch an Ausdruck fehlt. Die Dialoge sind witzig, aber immer gehaltvoll, nie absurd. Sogar Descartes Rationalistischer Dualismus wird zitiert und die Existenz seiner Substanzen durch Essistenz abgelöst. Zum Schluss wird es musikalisch, wenn die Studenten acappella in einen Chor aus Geschmatze und Gerülpse einstimmen, während der tosende Applaus der Zuschauer im Raum nicht enden mag. 'Nachschlag' ist eine belebende Performance, die alle Sinne anspricht.
<< Zurück zur Presseübersicht