Das Gefühl der Nichtigkeit

Nico and the Navigators mit Kafka-Projekt bei den Kasseler Musiktagen

 

Franz Kafka (1883-1924) ist für viele „der“ Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Sogar ein Adjektiv ist nach ihm benannt. Kafkaesk wird es zum Beispiel, wenn sich der Mensch undurchschaubaren Machtapparaten ausgeliefert fühlt - eine sehr moderne Erfahrung. Kafka wirkt bis heute nach. Das gilt auch für die Musik, obwohl er sich selbst als unmusikalisch bezeichnete. Ein faszinierendes Zeugnis seines Nachlebens präsentierten am Samstag die Kasseler Musiktage.

In der UK14 fesselte das Stück „Post. Kafka“ des freien Berliner Theaterensembles Nico and the Navigators. Zwei Werke bildeten die Grundlage für die Spoken-Word-Performance zum 100. Todestag des Autors. Zum einen die 1987 uraufgeführten Kafka-Fragmente für Sopran und Violine von György Kurtág.

In diesem herausragenden Beispiel musikalischer Kafka- Rezeption verwandelt der ungarische Komponist kurze Notizen Kafkas in ein Mosaik verdichteten Ausdrucks, in Lieddramen auf engstem Raum. Die zweite Zutat war Kafkas Brief an den Vater“, geschrieben 1919, nie dem Adressaten zugestellt, eine Steilvorlage für psychologische Tiefenbohrungen und Freud‘sche Analysen. Es geht um die Angst vor dem übermächtigen Vater, um das „Gefühl der Nichtigkeit“, das den armen Sohn oft beherrscht.

Wie Herdís Anna Jónasdóttir (Sopran), Elfa Rún Kristinsdóttir (Violine) und Annedore Kleist (Darstellerin) Kurtágs Fragmente und den Brief miteinander verbanden, war fulminant.

Die drei in hellbraune Uniformen gekleideten Akteurinnen erfüllten ihren Part jeweils mit Bravour und agierten doch gemeinsam. Jede Nuance, jede Geste, jeder Blick, jede Bewegung und Konstellation war ausgefeilter Teil einer tastenden bis exaltierten Performance, die im besten Sinne sperrig wirkte.

Hohe Präzision zeichnete das Projekt von Nicola Hümpel (Künstlerische Leitung, Kostüm), Oliver Proske (Technische Leitung), Andreas Hillger (Dramaturgie) und Orli Baruch

(Regieassistenz, Kostüm) aus. Die rund 60 Gäste, die am Ende viel Beifall spendeten, erlebten nicht nur eine bei aller Sparsamkeit starke Ästhetik, sondern auch viele denkwürdige Kafka-Sätze wie: „Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke.“

<< Zurück zur Presseübersicht

Ticket-Benachrichtigung

Tickets für diesen Termin sind noch nicht erhältlich. Hinterlassen Sie Ihre E-Mail-Adresse, um benachrichtigt zu werden, wenn Tickets verfügbar sind.

Unbenannt-2