Dezember 22, 2013 9:02 pm von Shirley Apthorp Ein Abend voll feiner Musikalität, spielerischer Absurdität - und Whisky-Trinken 'Angels' Share' Das Publikum sitzt, das Licht wird gedimmt, die Darsteller treten ein, Applaus. Musik, Beifall, Pause, Musik, Beifall, Ausgang. In einer Welt, in der sich fast alles verändert, ist das Format des Kunst-Musik-Konzerts im letzten Jahrhundert stur auf der Stelle geblieben. Das war nicht immer so. Im Barock aß das Publikum Orangen und spielte in Privatlogen in der Oper Politik oder Liebe. Zu Beethovens Zeiten wurden einzelne Sätze beklatscht und manchmal sogar wiederholt. Die Idee der ehrfurchtsvollen Dunkelheit verdanken wir Richard Wagner; die heutigen Konzertgewohnheiten bleiben dezidiert im 19. Oder doch nicht? Nico and the Navigators, vor anderthalb Jahrzehnten in Dessau gegründet und jetzt in Berlin ansässig, ist eine Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Art und Weise, wie Musik präsentiert wird, neu zu überdenken. Ein Ziel, das von vielen geteilt wird, von den Züricher Clubnächten bis zur hippen Yellow Lounge der Deutschen Grammophon. Doch bis jetzt fehlte ein entscheidendes Element. Mit Angels' Share hat das interaktive Live-Whisky-Trinken Einzug in die Welt der Kunstmusik gehalten. Na endlich. Der "Angels' Share" ist ein Begriff, der von Whisky-Brennern verwendet wird, um den Anteil zu erklären, der während der Zeit, in der das Getränk im Fass liegt, verdunstet. Als Darsteller und Musiker beginnen, den Whisky einzugießen und an das Publikum zu verteilen, fühlt es sich bereits so an, als würden wir die Barockzeit durch den Boden eines Bechers betrachten. Britische und schottische Barockmusik vermischt sich mit Folk-Traditionen, Clownerie, Tanz und Gesang in diesem Abend voller feiner Musikalität und spielerischer Absurdität. Henry Purcell reist von England nach Schottland, wo er ausgelassene Pub-Musik hört und das lokale Feuerwasser probiert. An den Rest kann man sich kaum noch erinnern. Der Abend lebt durch das großartige Spiel der Urban Strings, einer Scratch-Band, die für die Show aus einer Handvoll der kauzigsten der europäischen Barock-Instrumental-Elite zusammengestellt wurde und die ebenso bereit ist, einen Reel in Schottenstoffsocken zu tanzen wie um einen Grundbass zu improvisieren. Julla von Landsberg steuert ihren hübschen Sopran bei, Nadine Milzner tanzt eine grimmige Parodie auf Mary, Queen of Scots, Georg Kallweit schafft es, gleichzeitig zu fiedeln und zu schauspielern, während Adrian Gillott mit seinen cleveren Sprüchen und Clownerien das Tempo hochhält. Angels' Share lässt die Zuschauer mit einem warmen Gefühl in der Magengrube zurück. Das mag am Schnaps gelegen haben; man kann nur hoffen, dass mehr Konzertveranstalter diese aufgeklärte Praxis umsetzen.

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