Alter Meister in neuem Licht

„Von inneren Sehnsüchten und äußeren Zwängen handelt der Konzertabend mit dem Kuss Quartett und dem Musiktheater-Ensemble Nico and the Navigators im Schwetzinger Rokokotheater. Im Mittelpunkt stand Ludwig van Beethoven, der mit seinem Zeitgenossen Georg Wilhelm Friedrich Hegel neben dem Geburtsjahr 1770 auch das Lebensthema Freiheit teilte. Doch huldigten die beiden Ensembles bei ihrer aufwendig choreografierten Aufführung nicht bloß dem alten Meister. Vielmehr setzten sie sich ausgehend von den Werken Beethovens mit dem Spannungsverhältnis zwischen Zwang und Freiheit in der Jetztzeit auseinander.


Mehrmals musste die Uraufführung der lange geplanten Performance „Force and Freedom“ wegen der Lockdowns abgesagt werden. Doch resignierten die Künstler nicht, sondern ließen stattdessen die Empfindungen, mit denen sie in der Isolation konfrontiert waren, in das Programm einfließen. Bei den Schwetzinger SWR Festspielen konnten die Zuhörer nun an der überaus fruchtbaren Zusammenarbeit des renommierten Streichquartetts und der 1998 gegründeten Kompanie teilhaben. Abwechselnd bekamen die Besucher Auszüge aus Beethovens Streichquartetten und Adaptionen von Lied-Fragmenten des Komponisten zu hören. Begleitet wurden die Darbietungen von Tanzeinlagen der aus Tokio stammenden Choreografin und Tänzerin Yui Kawaguchi. Dabei tauchten im Hintergrund an der Leinwand immer wieder Zitate Hegels auf.


In der Kombination mit Tanz, Liedern und Zitaten erschienen die Streichquartette Beethovens in einem neuen Licht. So wurde deutlich, wie sehr der Komponist mit sich gerungen haben muss, als er seine subjektiven Empfindungen, den Gang der Weltgeschichte und die musikalische Form in Einklang zu bringen versuchte. Die atemberaubenden Bewegungen der Tänzerin Kawaguchi verdeutlichten die Ambivalenz der Gefühle, die der Musik innewohnen. In kurzen Abständen wechselten sich Verzweiflung, Hoffnung, Leichtigkeit und Schwermut ab. „Wenn ich mich im Zusammenhang des Universums betrachte, wer bin ich?“, lautet ein Zitat Beethovens. Die Zuhörer ahnten, wie klein und hilflos man sich angesichts der weltgeschichtlichen Ereignisse fühlen kann, die einen in gewissen Momenten zu überrollen drohen und welch wichtige Funktion der Kunst bei der Bewältigung dieser Augenblicke der Hilflosigkeit zukommt.


Die eingestreuten Fragmente von Liedern zweigten die ganze Bandbreite der Emotionen auf, die sich in Krisenzeiten in kurzen Abständen entladen. „Neue Liebe, neues Leben“ (Johann Wolfgang von Goethe), „Resignation“ (Paul von Haugwitz) und „Der Kuss“ (Christian Felix Weisse) drückten die unterschiedlichen Facetten menschlichen Handelns zwischen freier Entscheidung und zwanghaftem Verhalten aus. Durch ihre ausdrucksstarke Mimik verdeutlichten die Künstler die ungeheure Dynamik, die in Situationen der Konfrontation von bedrihlicher Annäherung, Einsamkeit und Enttäuschung entstehen kann. Dazu passte auch der krönende Abschluss der Vorstellung, die „Große Fuge“ Opus 133, in der Beethoven das fest gefügte System der Fuge immer wieder aufsprengt. Das Publikum zeigte sich begeistert.“ 

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