Außer schuften auch noch leben

„Eier auf Erden“ oder über die Finten, Fallen und Abstürze im modernen Arbeitsalltag Berlin. Der fröhlich hingepfiffene und hingetrampelte Applaus im kaputten Charme der Sophiensaele, gleich um die Ecke vom Hackeschen Markt in Berlins luftig lebendiger Mitte macht deutlich: „Nico and the Navigators“, ein kleines grenzüberschreitendes Ensemble aus unterschiedlichen Disziplinen und Ländern, ist in knapp zwei Jahren zum kultigen Liebling der Off-Szene geworden. Alle um die 30, vom Theater, vom Tanz, aber auch aus dem Designsektor, kamen vom Dessauer Bauhaus zum Gastspiel mit der Behauptung „Ich war auch schon einmal in Amerika“ und blieben mit dem Wunsch „Lucky days, Fremder!“ in Berlin. Jetzt ist man vertraut und befreundet und widmet sich mit staunendem Ernst, mit vertrauter Verrücktheit, mit grotesker, meist leiser, Komik den Phänomenen der Arbeitswelt. Mit einem Titel, den man nicht grüblerisch ernst nehmen soll und kann. Denn Nicola Hümpel, aus Achim Freyers Umgebung längst zu eigener Handschrift gekommen und mit liebenswürdig unauffälliger Bestimmtheit als Haupt der Truppe für Regie, Konzept und Kostüme verantwortlich zeichnend, lässt die Dinge gern auch im Nebel des Nachdenklichen, Geheimnisvollen. „Eggs on Earth“ steht wohl für die perfekte Urform und dafür, dass die schönen einfachen „Eier auf Erden“ da unter Menschen, Arbeitgebern zumal, wohl nur Schaden nehmen können. Keine Angst, dies ist keine ideologisch-aggressive Agitprop-Show. Oliver Proske, der vom Industrie-Designer zum Erfinder hinterlistig vielseitiger, verwirrend einfacher Raumlösungen geworden ist, setzt die „Glorious Seven“ im Abenteuer-Spielplatz Arbeitswelt in ein Büromöbel mit immer wieder neuen Überraschungen, heimtückisch komischen Fallen. Darin bewegen sich Verena Schonlau, Sinta Tamsjadi, Martin Clausen, Lyon Roque, Patric Schott, Lajos Talamonti und der spillrige Julius Weiland wie Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, wie Leute auf dem falschen Dampfer. Zwischen Kafkas surrealen Ängsten und den souveränen Ungeschicklichkeiten der Marx Brothers taumeln sie wie die Schmetterlinge, scheitern bei allem Ernst wie Büro-Don-Quijotes. Aus ihren blauen, altmodischen Business-Anzügen, mit roten Krawatten und roten Aktenköfferchen, schauen sie erstaunt, verblüfft und immer etwas verwirrt aus der Erfolgs-Wäsche, die ihnen kein Glück bringt. „Herr Fock“, der große, mächtige Unbekannte, ist für sie nicht erreichbar. „Ihr Vorgang wird bearbeitet“ hallt es anonym und beängstigend aus dem Off. „Ich würde gern weltweit expandieren“ wünscht sich die ehrgeizige Geschäftsfrau in spe. Aber „Wann werde ich Vater?“ hat sich ein Business-Nachwuchs auf den Waschbrettbauch geschrieben und kommt damit wohl zum Thema: dass es ja neben, vor, hinter, außer der „Arbeit“ auch noch ein „Leben“ geben muss, und das man das alles unter einen individuellen Hut bringen können müsste. Zwischen dem „Abenteuer Leben“ und der buchhalterischen Errechnung und Ausfüllung von Lebenszeit muss es doch eine Lösung geben. Die zeigen die Nico-Navigators, da sie ziemlich klug und bescheiden sind, natürlich nicht auf. Aber sie schippern zwischen allerlei Ritualen und Gefährdungen, zwischen geheimnisvoller Rätselwelt und Alltagsvorgaben wie unschuldig fantasievolle Kinder hindurch: gefährdet, aber doch entschieden, sich die nachdenkliche Träumerei als Lebens-Leitschnur nicht kappen zu lassen. Dafür werden sie wie abenteuerkühne, unternehmungslustige Freunde heiter und nachdenklich und begeistert zugleich gefeiert.

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