Der Company-Commander als gestrenger Biograph

Nico and the Navigators faszinieren mit „Eggs on Earth“ in Dessau Dessau/MZ. Zeig’ mir, wie du deine Schuhe reinigst, und ich sag’ dir, ob du für die Arbeitswelt geschaffen bist. Nach diesem Credo stellt Nicola Hümpel die jungen Männer und Damen erstmal von der Hüfte abwärts vor, lässt sie durch einen halb geöffneten Container laufen und die erste Prüfstelle auf ihrer Karriere passieren: Eine Schuhputzmaschine. Dann schwärmen sie in ganzer Gestalt aus einem Behältnis ins Blaue hinaus, junge Leute, mehr oder weniger der Garderobenvorschrift der Geschäftsklasse entsprechend, konzentriert nach vorne stierend: „Nico and the Navigators“ choreographieren in „Eggs on Earth“ Lebenswege um einen großen Bürowürfel herum: der ist mit Luken, Schiebetüren, Ein- und Ausgängen, Auf- und Abgängen ausgestattet, die sich plötzlich auftun oder verschließen, für Unwägbarkeiten sorgen, an deren Überwindung Gewinnertypen leicht erkennbar werden. Das alles wird mechanisch kommentiert mit wenigen, sich wiederholenden Floskelfetzen aus Bewerbungsgesprächen, Selbstinstruktionen und Telefonanrufen. Wer kommt am Vorzimmer des ominösen, unerreichbaren Mr. Fog vorbei? Geduld, ihr Vorgang wird bearbeitet, heißt es. Siegerposen werden schon mal geübt oder Haltung bei ersten Eignungstests bewahrt. Wer wird denn bei sexueller Belästigung gleich weinen? Dem einen ist das Ganze zu viel, er kurbelt verträumt an einer Pfeffermühle und sich selber in Embrionalstellung zurück. Oder er zurrt die Krawatte wie einen Strick fest um den Hals. Wer sich eine Blöße gibt - seine Bauchhaare verspielt zu Löckchen dreht – wird vom Company-Commander gleich zurückgepfiffen. Die Firma als Über-Ich. Die Bewegungen der Figuren, gleichgültig, ob sie sich hinsetzen oder ihre Mundwinkel verziehen, sind alle zeitlich präzise aufeinander abgestimmt. Die Personnage wird zum Teil des Bühnenbildes, das sich langsam und rätselhaft verwandelt, bis es in einer aussagekräftigen Komposition für einen Schnappschuss gefriert. Einzigartig sind die Charaktere, die ununterbrochen bei Musik, von Walzer bis Rock, melancholisch und irgendwie heiter Mr. Fog entgegen wanken. Eine traumhafte Inszenierung, die der Zuschauer nicht so schnell vergessen kann. Auch nicht will: Viele Dessauer machten sich am Freitag auf, um sie ein zweites Mal zu erleben.

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