Dialoge, die sich im Tanz entzünden

Wie in einem Karussell tanzen Nico and the Navigators die Harmonien und Dissonanzen der Freundschaft mit ironisch verfremdeter und scharfer deutscher Distanz. Drei Männer und eine Frau, ein Italiener, ein Deutscher, ein Brite und eine Japanerin. Eine barfüßige Violinistin mit langem Rock und langem Haar wiegt uns in nordisch anmutende Tanzrhythmen, die an Strawinski erinnern. Ein junger Mann begleitet sie mit elektronischen und akustischen Klavierklängen. "Obwohl ich dich kenne" könnte eine moderne Version von Schnitzlers „Reigen“ in der Verfilmung von Ophüls sein. In Stück und Film ging es um aufeinanderfolgende Liebesverbindungen lebensechter Personen; hier sind es Verstrickungen von Freundschaften, in denen sich menschliche Figuren im Widerhall der Gefühle, Verletzungen und verborgenen Gedanken auflösen. Dieses Echo erklingt in den Zwischenräumen einer Freundschaftsbeziehung, die per Definition zu nichts verpflichtet, doch jeden radikal mit sich reißt. In den zerrissenen Dialogen, die sich im Tanz entzünden – das Kreisen in einem Wagen, die Entkleidung unter einem Tuch, der überraschende Auftritt einer Frau, die weiße Visitenkarten verteilt (und ganz "gewöhnlich" ohne künstliche Meisterschaft tanzt) – erkennt man Zitate aus berühmten Briefwechseln wieder, etwa zwischen Goethe und Schiller, Nietzsche und Wagner, Hesse und Mann und aus anderen Gewässern der deutschen Literatur, die reich an derlei Plankton sind. In manchen Momenten scheint es, als würde man in den offenbar unvollendeten Wortwechseln, in der verzweifelten Suche nach einer Präsenz auf die zerbrechlichen Akteure aus Éric Rohmers Filmen stoßen. Das Bühnenbild ist in braun gehalten: Eine Mauer umschließt diese kleinen Geschichten, diese Fragen in eine Leere wie wir sie alle kennen, diese Ironie, die, um nicht zu verletzen, ins Gewandt eines Reisenden aus vergangenen Jahrhunderten gekleidet ist, ähnlich den Röcken alter Zeiten, die wir in unseren nostalgischen Tagen tragen. Im Grunde sind wir in dem alten Teufelskreis gefangen, den schon das barocke Theater erzählte: Helena liebt Demetrius, der Hermia liebt, die ihn wiederliebt aber von Lysander geliebt wird. Hier haben die Protagonisten keine Namen: Sie heißen A, B, C, D und das Gefühl in diesem Spiel ist eine heuchelnde, enttäuschende, überraschende, vorgaukelnde und verräterische Freundschaft voller Hintergedanken. "Ich werde Dir nie trauen, weil Du immer nur die Wahrheit sagst." Sätze, Gefühlsfragmente. Unerwartete Handlungen, Scheingefechte, verlassene Personen, plötzliches Erscheinen von Geigen an einer Wand, die zu leben beginnt, sich spaltet und wieder schließt. Wir befinden uns in einem existentiellen Kabarett, das sprachlos lächelt und europäische Luft nach Bologna trägt. Dank an das Teatri di Vita: Es erweist sich, auch in Zeiten knapper Kassen, als ein Raum, in dem Kino, Theater, Musik und Gedanken uns zu unseren eigenen Unruhen befragen.

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