Die Zeit ist ein sonderbar‘ Ding

2018 feiert das Künstlerkollektiv Nico and the Navigators sein 20-jähriges Bestehen. Das ist ein stolzes Jubiläum für eine freie Gruppe, die ohne regelmäßige stattliche Subventionen auskommen muss. Dass sie sich davon nicht unterkriegen lässt, ist zum großen Teil der Willenskraft des Gründerpaars Nicola Hümpel und Oliver Proske zu danken, das 1998 in Dessau die seltsam heißende Formation kreierte: Nico steht für Nicola, die Navigatoren sind die Crew, mit der sie durch ihre Theaterlandschaft schifft. Noch im gleichen Jahr siedelten sie sich in Berlin an, genauer in den Sophiensälen, wo sie als artists in residence die ersten Stücke entwickelten – zu einer Zeit des Aufbruchs, die verbunden ist mit so kreativen Köpfen wie Amelie Deuflhart, Jochen Sandig und Sasha Waltz. Weitere Stationen waren das Radialsystem, die Deutsche und die Stuttgarter Oper und viele Spielstätten quer durch Europa. Zum Geburtstag sind sie zu ihren Ursprüngen in die Sophiensäle zurückgekehrt, wo kräftig gefeiert wird: mit dem brandneuen Stück Die Zukunft von gestern, inklusive einer Ausstellung und eines üppigen Rahmenprogramms. In Die Zukunft von gestern blicken die Navigators aus der heutigen Perspektive zurück auf die Anfänge der Gruppe. Die einfache, aber wirksame Kulisse von Oliver Proske besteht aus einem begehbaren Aufbau und davor vier verschiebbaren Wänden, auf die Videos, der jeweiligen Stimmung entsprechend, projiziert werden. Reminiszenzen an frühere Stücke sind eingebaut: häufig benutzte Requisiten wie Tische und Koffer, auch der Mundschutz aus Kain, wenn & aber. Das Stück ist vor allem eine Geschichte der Performer. Mit einigen der Mitstreiter/-innen der ersten Stunde hat Nicola Hümpel in der ihr eigenen charakteristischen Handschrift aus Improvisation, beredter Köpersprache, starken Bildern und Verweisen auf alltägliche Absurditäten ein szenisches Kaleidoskop entwickelt, in denen sie selbst im Mittelpunkt stehen. In kleinen Soli und Duos wird ihre Individualität hinter der Profession sichtbar: Ted Schmitz erzählt von seinen Wurzeln, Annedore Kleist, Anna-Luise Recke und Michael Shapira geben sehr Persönliches preis. Yui Kawaguchi spricht über ihre klassische Ballettausbildung in Japan und ihren Weg nach Berlin, wo sie sich zu einer starken Ausdruckstänzerin entwickelte. Sie bringt, wie auch Anna-Luise Recke, ihr expressives tänzerisches Können mit ein. Zwischendurch gibt Martin Clausen den Conférencier. Er erinnert sich an den Entstehungsprozess früherer Stücke und der Suche nach dem richtigen Ausdruck. Sehr witzig ist das, so wie auch Patric Schotts Ergänzung: Nur acht ganze Sätze durfte er bisher bei den Navigators sagen, sonst musste er stumm sein oder schreien. In Die Zukunft von gestern beweist er, dass er wunderbar sprechen kann, so wie alle anderen auch. Und selbst Philipp Kullen, Schlagzeuger der vierköpfigen Band, kommt zu Wort, denn die Musik, diesmal ein Mix aus Klassik, Jazz, Pop und Elektronik, ist unverzichtbarer Bestandteil im Gesamtwerk der Navigatoren. Die Zukunft von gestern ist eine facettenreiche, auch selbstironische Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerischen Geschichte und gleichzeitig eine über die Zeit. Ähnlich wie sie Cindy Lauper in ihrem Hit Time after time besingt, die das gesamte Ensemble im Finale anstimmt. Der langanhaltende Applaus ist mit vielen Bravos durchsetzt. Gelungener kann der Einstieg in die mindestens nächsten 20 Jahre nicht sein.

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