Eher kleiner Prinz als großer Held

Der von vielen Komponisten mit einer Oper bedachte Orlando ist in Halle weniger ein rasender Roland, ein Orlando furioso, wie etwa bei Vivaldi. Er ist in der Festspielproduktion eher ein kleiner Prinz, der sich und seinen Verstand verliert. Was kein Wunder ist in dem Durcheinander des Wer-liebt-wen und vor allem des Wer-liebt-wen-nicht. Auch Georg Friedrich Händel, in Halle geboren, bediente sich beim Orlando- furioso-Stoff, der auf Ludovico Ariostos Epos zurückgeht. Händel nutzte 1733 sogar ein Libretto, das 20 Jahre vor ihm Domenico Scarlatti schon vertont hatte. Händel setzt weniger auf eine mit Bravourarien gespickte dramatische Aktion als auf melodiös ausschwingende Gefühlslagen der Liebenden, der Enttäuschten und der bis zum Wahnsinn Verzweifelten (Orlando selbst kann nur ein ziemlich drastisch eingreifendes und alle Toten wiedererweckendes, magisch alles zurechtbiegendes lieto fine aus dem Wahnsinn zurückholen). Die ariose Ausführlichkeit wird zur Vorlage für die Virtuosität der Sänger. Die Titelpartie hatte Händel immerhin für seinen Kastraten-Star Senesiono geschrieben. Halles Händelfestspiele können mit Owen Willetts als Orlando und Dmitry Egorov als seinem Rivalen Medoro mit zwei exzellenten Countertenören aufwarten. Marie Friederike Schöder findet als Angelica zu dramatischer Verve, und auch Christoph Stegemann steuert einen grundsoliden Magier Zoroastro als Spielführer bei. Einzig Sophie Klußmann fremdelte mit ihrer Dorinda noch allzu deutlich mit den Herausforderungen des barocken Gesangs. Erneut bewies das Händelfestspielorchester seinen Rang als Spezialensemble mit international konkurrenzfähigem Niveau. Der mit historischen Instrumenten spielende Teil der Staatskapelle Halle lief unter Leitung seines neuen Leiters Bernhard Forck, ein Spezialist für Alte Musik, zu echter Festspielform auf. Zauberoper neu erfunden Für Halle neu (und überfällig) war ein szenischer Wagemut. Nach einem Probelauf im Jahr zuvor inszenierte Nicola Hümpel gemeinsam mit ihrem Berliner Off-Theater-Team "Nico and the Navigators", die Hauptproduktion der Festspiele, die der Tradition gemäß das Hallenser Opernhaus beisteuert. Hümpel erfindet sozusagen die Zauberoper neu, indem sie den Kern der Handlung auf verschiedenen Ebenen assoziativ umspielt. Vor der halbrunden Projektionswand (Bühne: Oliver Proske) fügt sie dem singenden Personal zwei Performer, Miyoko Urayama und Patric Schott, hinzu. Die kommentieren das Geschehen pantomimisch, agieren dabei gelegentlich als imaginäre Ansprechpartner in den Arien oder treiben Schabernack. Dazu kommen die frei assoziierenden Videos von Tom Hanke und die von Inszenierungen Robert Wilsons inspirierten Kostüme von Frauke Ritter. All das verpasst dem Beziehungskammerspiel eine heiter gezügelte Opulenz. Da muss Orlando gar nicht der kampfeslustige Held sein. Hier ist er einfach der traurige, kleine Prinz, der auch in ihm steckt.

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