Ein Drama in der Herzkammer der Demokratie
Fabian Hinrichs spielt im Haus der Bundespressekonferenz einen populistischen Politiker, der gezielt das Zerwürfnis sucht: „Ein Volksbürger“
Es ist eine Idee, die spontane Vorfreude weckt: Kurz nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und, so will es der Zufall, direkt nach dem AfD-Eklat im Erfurter Landtag spielt Fabian Hinrichs den Gründer einer populistischen Partei namens „Demokratische Allianz“, die gerade im fiktiven „Freistaat“ 44,2 Prozent der Stimmen geholt hat und sich mit der absoluten Mehrheit zum Ministerpräsidenten wählen lassen kann.
Und dieses Szenario wird nicht an einer klassischen Bühne durchgespielt, sondern im Haus der Bundespressekonferenz, in der „Herzkammer der Demokratie“, wie ihr Vorsitzender Mathis Feldhoff die Einrichtung nennt, die es seit 75 Jahren gibt und in der sonst reale Politikerinnen und Politiker für ihr Handeln Rechenschaft ablegen. Kann Theater noch näher am Zeitgeschehen sein? Wohl nicht, das ließ die Erwartungen steigen.
Geschrieben hat das Stück der Münchner Verfassungsjurist, Journalist und Schriftsteller Maximilian Steinbeis, der in klugen Büchern rechtspopulistische Strategien durchdrungen und erläutert hat.
Umgesetzt wird es vom freien Theaterkollektiv Nico and the Navigators,dessen Mitgründerin Nicola Hümpel Regie führt. Während die Dämmerung langsam das Kanzleramt auf der anderen Spreeseite verschluckt, entwickelt sich vor der berühmten blauen Wand in Pressekonferenzen und Videoein- spielungen das Drama eines unheilbaren Zerwürfnisses zwischen Bund und Land.
Denn der von Hinrichs großartig mit bald herrischem, bald linkischem Charisma ausgestattete Ministerpräsident weigert sich, in seinem Freistaat das Bundesrecht durchzusetzen und asylberechtigten Menschen Aufenthaltstitel zu gewähren.
Was geschieht in einem solchen Fall? Die Bundesregierung kann einen Bundeskommissar entsenden, um das Geschehen vor Ort zu prüfen. Und wenn das Land nicht kooperiert? Dann bleibt nur das in Artikel 37 des Grundgesetzes beschriebene Instrument des Bundeszwangs, um Recht und Gesetz durchzusetzen. Es ist noch nie angewendet worden. Wie könnte das aussehen? Auf diese Frage steuert alles zu. Das ist als Gedankenspiel interessant und als Lektion in Staatskunde auch informativ.
Als Theaterstück bleibt es hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der Rahmen verlangt eine Authentizität, die die Schauspielenden vor Probleme stellt. Ihr zu gut akzentuiertes, syntaktisch zu einwandfreies Sprechen wirkt in der Arena von Rhetorikern ohne Artikulationsschulung seltsam künstlich, auch die dramatisierende Musik befremdet. Man fühlt sich an die zwar mit loseren Maschen, dramaturgisch aber doch ähnlich gestrickten Lehrstücke Ferdinand von Schirachs erinnert.
In seinen zwei Stunden wird der„Volksbürger“ niemals langweilig. Aber er ergreift auch nicht.
<< Zurück zur Presseübersicht