„Ein Volksbürger“ in der Bundespressekonferenz: Mit Fabian Hinrichs in die Diktatur
Im Haus der Bundespressekonferenz, mitten in Berlin, lässt sich hautnah der schleichende Tod der Demokratie miterleben. Mit Fabian Hinrichs als Ministerpräsident.
Was passiert, wenn ein demokratisch gewählter Politiker nach und nach die deutsche Verfassung missachtet und sich grinsend von der Demokratie verabschiedet?
Das Theaterkollektiv Nico and the Navigators hat unter der Regie von Nicola Hümpel ein Experiment gewagt. Anstatt zu einer Bühne wurden die Zuschauer in das Haus der Bundespressekonferenz geladen. Dominik Arndt, gespielt von „Tatort“- und Volksbühnenstar Fabian Hinrichs, ist Ministerpräsident der fiktiven Partei „Demokratische Allianz“. Diese wurde mit absoluter Mehrheit gewählt. Er und weitere Politiker sprechen vom Podium aus zu den Zuschauern, unter die sich vier Schauspieler gemischt haben. Diese mimen Journalisten und stellen als solche Fragen an die Politiker.
Der Schmale Grat zwischen Demokratie und Diktatur
Herr Arndt ist elegant gekleidet, er hat die Haare nach hinten gegelt und ist mit einem gewinnenden Lächeln ausgestattet. Schnell werden die rechtspopulistischen Absichten von ihm und seiner Partei deutlich. Er gibt sich volksnah und verpackt seine harte Migrationspolitik in Zuckerguss. Mit Geschick weicht er unbequemen Fragen der Journalisten aus, bleibt stets freundlich, nur manchmal blitzt das herrische Potenzial seines Charakters hinter den blasierten Antworten hervor.
Das Kollektiv zeigt ein Szenario auf, bei dem ein gerissener Politiker die Gewaltentrennung, die Grundlage der Demokratie, aufhebt und verdeutlicht, wie schmal der Grat zwischen Demokratie und Diktatur ist. Die Zuschauer werden als direkte, aber machtlose Zeugen dieses Vorgangs inszeniert. Auch veranschaulichen die Theatermacher die Machtlosigkeit der wütenden Journalisten, denen falsche oder keine Antworten gegeben werden.
Fabian Hinrichs spielt den Ministerpräsidenten hingebungsvoll und authentisch. Er schafft es, die ambivalente Ausstrahlung solcher Personen zu imitieren, die sich sympathisch und nahbar präsentieren, um ihre eigentlichen Absichten zu kaschieren. Gekonnt steht ihm Annedore Kleist in ihrer Rolle als Regierungssprecherin zur Seite.
Weniger überzeugend sind manche Fragen der Journalisten, die sich sehr nach Theatersprache anhören. Interessant wäre es, wenn das Team das Setting ausgenutzt und ein, zwei Fragen aus dem echten Publikum an den Politiker zugelassen hätte.
Das Licht bleibt an
Anders als sonst bei Theateraufführungen blieb das Licht im Zuschauerraum eingeschaltet. Ein helles, unbequemes Arbeitslicht. Das hatte zur Folge, dass sich die Zuschauenden nicht in die bequeme, anonyme Haltung des unbetroffenen Beobachters zurücklehnen konnten. Sie waren durchweg präsent und Teil des Geschehens. Das ist nicht immer angenehm, aber ein gutes Sinnbild für die Verantwortung jeder einzelnen Person dem politischen Geschehen des eigenen Landes gegenüber.
Im Verlauf des Stückes löste sich die Inszenierung vom Realismus und endet mit einem dramatischen Auftritt Hinrichs. Der Saal ist nun doch in Dunkelheit gehüllt. Mit zerknülltem Hemd auf dem Podium stehend inszeniert er sich selbst auf dramatische Weise als untergehender Allmächtiger und krächzt dazu eine Opernarie.
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