Eindringlich: „Wasted Land“ von Nico and the Navigators

Unter dem Eindruck zahlreicher Krisen schrieb T.S. Eliot 1922 sein Gedicht "The Waste Land" - so düster, wie zeitlos. Gut hundert Jahre später nimmt sich das Theaterkollektiv Nico and the Navigators des Textes an und macht daraus "Wasted Land" im Radialsystem.


Der Beitrag kann hier nachgehört werden: https://www.ardaudiothek.de/episode/kultur/eindringlich-wasted-land-von-nico-and-the-navigators/rbb24-inforadio/12549199/


(Einspieler / Ted Schmitz) „…what branches grow | Out of this stony rubbish?”


Was sind das für Wurzeln, die greifen, was für Äste wachsen | Aus diesem steinernen Schutt?

1922, der Erste Weltkrieg ist vorbei. Genauso die Spanische Grippe. Gerade hat es in Europa eine außerordentliche Dürreperiode gegeben. Krisen, die die Menschen zermürbt haben, das Land veröden ließen. Leere, auch persönliche Leere. Tief taucht T.S. Eliot mit seinem Poem „The Waste Land“ in Endzeitstimmung ein, in fragmentarisch zerrissenen, assoziativen 433 Zeilen, gespickt mit Zitaten vergangener Mythen und Legenden und voller Blicke hinab in menschliche Abgründe, eigene Seelenzustände. Handlung gibt es nicht, eher einzelne Ereignisse. Geht es doch um das Totenamt, um Dürre und Flut, um Zwist und um den Lauf der Dinge – gestern wie morgen.


(Einspieler / Ted Schmitz) „April is the cruelest month”


April als übelster Monat von allen, selbst der Frühling ist bei T.S. Eliot hoffnungslose Erinnerung an einen entbehrungsreichen Winter. NICO AND THE NAVIGATORS greifen die Düsternis über diesem ‚Waste Land‘ in ihrem „Wasted Land“ auf und erheben sich zu Anfang aus dem über die leere Bühne wabernden Nebel zu ihrem Spiel mit und um T.S. Eliots Worte herum. Mal schwingt das mit in einer gewissen Melodramatik, mal bricht es damit, in dem die Gruppe manches Zitat ironisch überzieht.


(Einspieler / Patric Schott) „Tristan und Isolde, Erster Aufzug, Vers 1 bis 8…“


Dazu ist die Musik mit E-Gitarre, Geige, Trompete, Schlagzeug, Synthesizer mal atmosphärischer Klangteppich, mal vorwärtstreibende Disharmonie, dann plötzlich heiterer Folksong, Blues-Ballade – ein Klangraum mit genügend Platz für eigene Assoziationen, um sich treiben zu lassen in Zeilen, die nicht immer Sinn ergeben, die man nicht verstehen muss, damit sie einen berühren.


(Einspieler / Wolke Mišewitch, Ted Schmitz) “Well now that's done: and I'm glad it's over. | This music crept by me upon the waters”


Der Gesang von NICO AND THE NAVIGATORS fühlt sich sensibel darin ein. Der Tanz sucht, Ängste, Aggressionen auszudrücken, die sich hier auftun – Eindringlich, ein bisschen formelhaft bisweilen. Auch die szenische Interpretation wirkt manchmal eher vorgetragen, nur um den sehr strapazierten Effekt der Livecam erweitert. Hier hätte man sich mehr eigene Akzente gewünscht. Immer wieder aber schaffen es NICO AND THE NAVIGATORS doch, sich an T. S. Eliots „The Waste Land“ anzunähern. An ein Gedicht, das seinem Urheber in seiner Bruchstückhaftigkeit Halt bieten sollte. In krisenhaften Zeiten, die uns heute so zeitlos erscheinen.


(Einspieler / Wolke Mišewitch) “Well now that's done: and I'm glad it's over.”

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