Eine Verzauberung
„Die erste Entscheidung heißt: zu mir selbst – mutig, allein.“ So geht der erste Satz im neuen Stück „Kain, Wenn & Aber“ von Nicola Hümpel. Dabei mag das Wort „Stück“ einem überhaupt nicht von den Lippen rutschen. Die Veranstaltungen der neunköpfigen Hümpel-Truppe Nico and the Navigators sind nämlich so perfekt hochartifizielle wie naiv spielerische Meditationen: diesmal über das Thema Selbstbestimmung. Und daraus folgend die Frage: Wie selbstbestimmt entscheiden wir eigentlich? Die vor Fantasie und Formbewusstsein berstende Nicola Hümpel ist eine Schwester Tatis, Allens, Keatons und studierte nicht nur an der Kunsthochschule Hamburg, sondern noch – das spürt man deutlich – am Bauhaus Dessau. Die 36-Jährige sagt, ihr Könner-Kollektiv baue sich seine Stücke (also doch!) wie ein Maler sich seine Bilder baue – so zwischen Instinkt und Intellekt. Ihr Credo: Nie dem Bedürfnis nachgeben, etwas zu Ende zu bringen. Und tatsächlich, die szenische Fragmentierung streift nahezu das Genialische. Man staunt, ist verdutzt, hingerissen, konfus. Doch letztlich – und oft erst im Nachhinein – wirkt all das Dadaistische, Anekdotische, Träumerische, Irrwitzige äußerst einleuchtend. „Vergleichsweise vorübergehend bewerkstelligt“, heißt es dann selbstironisch über den „Kommunikationserfolg“ zwischen Hümpel-Kunst und Zuschauer-Kopf. Stimmt. Vergleichsweise vorübergehend – und vorüberfliegend. Dennoch bleiben diese achtzig Minuten unvergesslich. Seltsam. Ein schönes Geheimnis der Kunst. Eine sozusagen nachhaltige Verzauberung. Zusammen mit Michael Thalheimers Hauptmann-Inszenierung „Einsame Menschen“ am Deutschen Theater waren die Navigators im berühmten, die Stars von Morgen präsentierenden Off-Studio Sophiensaele das schönste Theater-Weihnachtsgeschenk. Inzwischen sind sie auf Tour in Frankreich. Und dann weiter durch ganz Europa.
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