Endspiel um Dekadenz und Verzweiflung – Nico & The Navigators mit Müllers „Quartett“

Verzweiflung pur, darum geht es in Heiner Müllers Drama „Quartett“. Der Versuch, Sinnleere mit Zynismus und routinierter Gier zu betäuben, ist in einem Allzeithoch. Müller, der vor 30 Jahren in Berlin gestorben ist, hat sein „Quartett“ (nach dem Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos de Laclos aus dem Jahr 1782) in einem Raum angeordnet, der von einem „Salon vor der französischen Revolution“ bis zu einem „Bunker nach dem 3. Weltkrieg“ reicht.


Grausame Entblößung

Ein Endspiel der Zivilisation, in dem sich die beiden handelnden Figuren (die ihre Rollen tauschen und auch zwei weitere Personen mitverkörpern) bis zur Kenntlichkeit entblößen – grausam und komisch. Ein Stoff von Shakespearschem Schnitt. Und welch großartigen Abend haben Nicola Hümpel (Konzept und Regie), Oliver Proske (Bühne und Video) sowie der Dramaturg Sergio Morabito daraus gemacht. „Quartett zum Quadrat“ heißt ihre Interpretation des Müller-Textes. Das Team konfrontiert ihn auf der Bühne mit den emotionalen Streichquartetten von Leoš Janácek (live vom Kuss-Quartett), Jazz von Paul Hübner (Trompete, Sounds) und Lorenzo Riessler (Schlagwerk) sowie furiosem Tanz von Martin Buczko und Yui Kawaguchi.


Nico & The Navigators wurden 1998 von Nicola Hümpel und ihrem Lebensgefährten Oliver Proske am Bauhaus Dessau gegründet. Seit 1999 in Berlin ansässig, haben sie mit ihrem auch international hoch angesehenen Musiktheater eine aufregende Kollaboration von Sprache, Musik und tänzerischen Interventionen entwickelt.


Bravouröse Darsteller

In der aktuellen Produktion, die jetzt im Radialsystem Berlin uraufgeführt worden ist, haben freilich Annedore Kleist (Merteuil) und Martin Clausen (Valmont) den größten Brocken zu tragen. Das gelingt ihnen bravourös: Sie verkörpern zwei abgefeimte, der Lust um der Lust willen verfallene Monster, die sich nichts mehr vormachen können (und wollen). Zwei Untote, für die Intimität kein Geheimnis und keine Würde mehr hat. Genuss ist ihnen Selbstzweck, um dem Grauen vor sich selbst zu entgehen. Und ihre Machtgeilheit lässt sie zu

Täter und Täterin an zwei Frauen werden, von denen eine (gespielt von Martin Clausen, dem

Darsteller des Valmont) sterben wird. Ein sehr starker Abend.

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