Erfurter Rossini-Abend der Musiktheatergruppe Nico and the Navigators

Das Kunstfest Weimar gastiert mit einen Stück über Religion und Glauben in Erfurt. Was macht Musik zu einer sakralen und was zu einer opernhaften? Der Rahmen, die Tradition oder doch ein wenig mehr? Die Messe eines Opernkomponisten ist ein Paradebeispiel für ein solches Gedankenexperiment. Rossinis "Petite messe solennelle" haben die Künstler der Berliner Theatertruppe "Nico and the Navigators" zum Ausgangspunkt ihrer theatralen Reflexion im Rahmen des Weimarer Kunstfestes genommen. Das Rituelle von Religion, Theater und Alltag wird zelebriert, vernetzt und immer wieder gebrochen. Viel Action herrscht auf der Bühne des Erfurter Opernhauses, deren gewaltige Ausmaße gerade ausreichend sind, um in dem bemerkenswerten Bühnenbild von Oliver Proske zwei Flügel und ein Harmonium hin- und herzuschieben, wie es die Szene braucht. Die spielen SooJin Anjou, David Zobel und Jan Gerdes bemerkenswert souverän angesichts der Einbettung in die Aktion. Dass trotz des flexiblen Auftretens und szenischen Mitwirkens des musikalischen Leiters Nicholas Jenkins, dabei nicht gerade lupenreine Präzision und klangliche Ausgewogenheit das besondere Markenzeichen dieser Produktion sind, ist man gewillt hinzunehmen, auch weil sich das manchmal recht derbe, mit kraftvollen Farben und Kontrasten gemalte Klangbild gut ins Ganze fügt. Insofern ist die Besetzung der Chorpartien mit wenigen, aber großen Stimmen durchaus im Sinne der Konzeption. Und mit Stimmen wie dem weichen runden Mezzosopran von Ulrike Mayer oder dem mühelos geführten Tenor von Milos Bulajic hält dieses Ensemble echte Entdeckungen bereit. Zwischendurch gibt es wütende und tragikomische Ausbrüche die Tirade über "Burnout-Narzisten" und Co. ist da gewiss ein Höhepunkt, über Menschen, die das Wochenende in ihrem Haus auf dem Land verbringen, wo sie ihr Brot selbst backen und den Wein selbst vom Weinbauern holen, der dann fast so gut schmeckt, wie der bei dem Italiener, zu dem sie aber nicht mehr hingehen, seitdem die Pasta nicht mehr al dente ist Sinnsuche ist das große Thema dieses Abends. Unterschiedliche Varianten einer religiösen Sinnsuche werden vorgestellt und treten in Wechselwirkung. Die drei Performer Peter Fasching, Adrian Gillott und Patric Schott, gemeinsam mit der überzeugend präsenten Tänzerin Yui Kawaguchi sind die sogenannten Navigators, die durchgängige, wenn auch nicht konkret benennbare Typen innerhalb dieses von Nicola Hümpel konzipierten Theaters verkörpern und in diesen Rollen die Handlung vorantreiben ein Kleriker, ein Rationalist und ein Egozentriker. Abstrakt und konkret zugleich ist die Handlung. Szenische Assoziationen werden über die von Rossini vorgegebene Linie entwickelt, entlang des Widerspruches zwischen sakraler Form und opernhaft buffoneskem Gestus. Stilistische Vielfalt dominiert. Das wird durch die knalligen Kostüme von Frauke Ritter verstärkt zeitgenössisch, aber abstrakt. Bitterböse Anspielungen treffen auf Despektierliches, Slapstick auf Freud, Opernparodie auf nein, nicht auf Gotteslästerung, das wird immer haarscharf umschifft, sondern auf Sozialsatire. Nicht nur über die Beziehung des Menschen zu einem höheren Wesen wie Gott wird erzählt, sondern auch über jene zwischen den Erdenbewohnern. Bewegend sind gerade Szenen wie ein beinahe klassisches Pas-de-deux oder fast durchchoreographierte Ensembles eben jene Momente, in denen Musik und Aktion fast vollends ineinander aufgehen. Manchmal tief bewegend, manchmal urkomisch und manchmal ein bisschen langatmig Eindruck reiht sich an Eindruck und verschmilzt erst ganz zum Schluss zu einem Ganzen, das dann doch irgendwo schlüssig ist.

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