Giacomo Puccini: „Suor Angelica“

Das gibt es nicht allzu oft: Oper in der Berliner Philharmonie! Puccinis Einakter "Suor Angelica" war am Wochenende zweimal zu erleben. Am Pult stand der Chef des Hauses, Kirill Petrenko. Das Gesangsensemble bestand überwiegend aus Studierenden der beiden Berliner Musikhochschulen. Im Chor sangen Jugendliche aus Berliner Schulen und im Orchester saßen die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Karajan-Akademie. Nicola Hümpel hat mit ihrer Regie-Truppe "Nico and the Navigators" Puccinis Einakter inszeniert. Mit der Japanerin Yui Kawaguchi war auch eine herausragende Ausdruckstänzerin dabei. Und es gab eine improvisierte Bühne: Oliver Proske, der Partner von Nico Hümpel in der Kunst und im Leben, hat das ganz ausgezeichnet gelöst. Die Oper "Suor Angelica" spielt ja in einem Nonnenkloster, es sind auch ausschließlich Frauen, die singen. Oliver Proske hat quasi das Chorgestühl eines Klosters konzipiert und in ein modernes, reduziertes Design überführt. Zwei langgestreckte weiße Sitzblöcke, auf denen die Plätze der Nonnen quasi ausgewiesen waren, unter jedem Sitzplatz eine verschlossene Schranktür für ihre Habseligkeiten. Um diese beiden Sitzreihen herum spielte sich die Szenerie ab ...


Intensive Personenführung


Die Personenführung von Regisseurin Nico Hümpel war ziemlich intensiv. Die Nonnen waren sehr beschäftigt, haben alle ständig etwas mit ihren Händen gemacht, es war nicht immer ersichtlich was eigentlich, Stofffetzen sortiert, manche haben auch gymnastische Übungen auf dem Boden ausgeführt, das hat sich vom Sinn her nicht immer erschlossen. Aber es war auf jeden Fall immer was los und es wurde nicht langweilig.


Vergenwärtigung der Handlung


Nicola Hümpel und Oliver Proske haben die Geschichte, die im 19. Jahrhundert in einem Kloster bei Siena spielt, in unsere Zeit geholt. Die Titelheldin ist von Haus aus eine Adlige, die von ihrer Familie verstoßen und ins Kloster gezwungen wurde, weil sie ein uneheliches Kind geboren hat. Bei einem Besuch der Principessa, ihrer Tante, im Kloster erfährt sie, dass dieses Kind tot ist. Suor Angelica ist daraufhin so geschockt, dass sie sich selbst am Ende das Leben nimmt. Die Tante – verkörpert übrigens von der schwedischen Sopranistin Katarina Dalayman, der einzigen gestandenen Sängerin dieser Produktion – ist die einzige Protagonisten, die ein schwarzes Kleid trägt, die Nonnen tragen sämtlich weiße Gewänder. Und nach dem Suizid von Angelika sieht man die Tante am Ende via Videoprojektion in einem schicken Lokal (i.e. Foyer der Philharmonie) sitzen und Prosecco trinken. Also sie ist ein Mensch, der ganz bewusst andere ins Unglück stürzt und das dann auch noch als Triumph feiert, was es ja auch heute durchaus geben soll. Also eine nachvollziehbare Vergegenwärtigung der Handlung.


Großes stimmliches Potenzial - Ann Toomey in der Titelpartie


Die jungen Sängerinnen haben die Aufgabe exzellent gemeistert, und das obwohl sie beim Singen sehr viel schauspielern mussten. Hier hat man den „Education-Gedanken“, den Erziehungsgedanken wirklich ausgereizt, denn die jungen Leute haben hier alles das machen müssen, was sie später in einem Opernensemble auf sie zukommt. Auch der Chor war hervorragend! Am meisten beeindruckt hat allerdings die Protagonistin, die US-amerikanische Sopranistin Ann Toomey in der Rolle der Suor Angelica. Eine absolut große Stimme, der man ihre Jugendlichkeit noch anhört, die sich aber ihres Potenzials bewusst ist und mit ihm großartig arbeitet. Sie bekam minutenlangen Applaus. Sie war auch deshalb die Entdeckung des Abends, weil man ihr auch die Emotionen, die sie auf der improvisierten Bühne verkörpert, total abgenommen hat - vom Schock, als sie vom Tod des Sohnes erfährt, bis hin zur abgrundtiefen Verzweiflung, mit der sie dann in den Tod geht - das war auch darstellerisch große Kunst!


Das Orchester - stellenweise wie die „richtigen“ Berliner Philharmoniker


Die rund 40 Karajan-Akademisten haben derart homogen gespielt, dass man bei geschlossenem Auge durchaus hätte denken können, da sitzen die in Anführungszeichen "richtigen" Berliner Philharmoniker. Ein warmer, an einigen Stellen sphärische Streicherklang der der lyrischen Musik Puccinis absolut gerecht geworden ist. Obwohl man ja eine Fassung für reduziertes Orchester gewählt hatte. Kirill Petrenko hat Momente evoziert, die sehr anrührend waren, die unter die Haut gingen. Daran merkte man einmal mehr, was er für ein genialer Klangzauberer er ist! Ein absolut großer Abend! Der nicht enden wollende Applaus am Schluss sprach Bände.

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