Klaviersaiten und Glitzerdinger

Gegenstände in Bewegung erzeugen Geräusche. Die Klaviersaite ist das einleuchtendste Beispiel. Menschliche Körper unterscheiden sich in diesem Punkt nur wenig von anderen Gegenständen. Nur dass man ihre Schwingungen eher als Tanz bezeichnet, denn als Musik, und wenn sie musizieren, tritt die Bewegung in den Schatten des Instruments. Wie viel solchen Kategorisierungen entgeht, wie wenig die Musik nur den Tanz begleitet und wie musikalisch ein Körper in Bewegung ist, das zeigen Yui Kawaguchi und Aki Takase in „Chaconne“. Gesehen in den Berliner Sophiensaelen. Der Raum, den Kazue Taguchi für dieses Stückchen nur mit einem Flügel, ein paar Glitzerdingern und vielen kleinen Lichtquellen ausgestattet hat, führt eine weitere physikalische Binsenweisheit vor Augen: Gegenstände im Licht erzeugen Reflexionen. Manche weniger, manche mehr. Und Letztere, wenn man sie auch noch schwingen (also klingen) lässt, erschaffen einen ständig sich wandelnden, multidimensionalen Raum, der mehr als eine Bühne ist. Eine ganze Stadt aus Gegenständen und Geräuschen, Körpern, Bewegung, Veränderung, Licht. „Stadt im Klavier“ heißt es passend im Untertitel. Diese Stadt bevölkern die beiden japanischen Performerinnen zunächst ganz behutsam. Fast wie in Zeitlupe lotet jede die Möglichkeiten aus, die der eigene Körper bietet, um den Raum zu füllen. Hier ein paar Töne aus dem Bauch des Klaviers, dort ein vorsichtiger Schritt ins Licht, eine Drehung um die eigene Achse. Gelenktest. Kontaktaufnahme. Die virtuose Pianistin Takase fasst schneller Fuß, verbündet sich mit den Tasten und fordert ihr Instrument heraus, indem sie an Saiten zupft, sie mit Gegenständen präpariert und dem Klavier dabei ganz ungewohnte Klänge entlockt. Kawaguchi stakst derweil wie ferngesteuert. Es scheint nicht ihr Körper zu sein, der aktiv tanzt, vielmehr ist es etwas anderes, das ihn bewegt und ihr zustößt. Etwas wie ein Schluckauf, das raus will und sie daher in immer größeren Bahnen über die Bühne wirft. Sie gibt sich diesem Etwas mit der ihr eigenen Komik hin und macht sich zu eigen, was es ihr vorzuschreiben scheint. Ein bisschen Stepptanz, ein bisschen Schuhplattler, ein Paar Schuhe findet den Weg an ihre Füße, schließlich tanzt alles an ihr – bis hin zu den Augäpfeln und Haarspitzen. Das Klatschen auf Kawaguchis Körper, ihre Füße auf dem Boden und ihr Atem fügen sich in die Klangkulisse. Takases Verausgabungen an den Tasten ergänzen die Choreografie. Die Lichtinstallation, die in schönster ZERO-Tradition aus den einfachsten Mitteln immer wieder neue skurrile Formen erschafft, zaubert den beiden hin und wieder Spielgefährten aus Licht und Schatten an die Wände. Das Publikum ist von Anfang an durch das alles überflutende Lichtkonzept mit dem Geschehen im Raum verbunden. Buchstäblich verknüpft wird es noch, als Kawaguchi eine Leine knotet, von der Klaviersaite, um ein Stuhlbein, eine Säule im Raum und – natürlich – den eigenen Leib, bis sich ein Netz durch den Raum spannt, das im Licht schimmert und schwingt, wie die Klaviersaiten. Oder wie die Stromversorgungsleitung einer nächtlich poetischen Stadt.

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