Liebesdienste für Lebenszeitverwalter

Mit ihrer Gruppe „Nico and the Navigators“ hat Nicola Hümpel eine neue Form des Improvisationstheaters erfunden Der Name lässt an eine Popband denken: Nico and the Navigators. Doch Nico ist keine singende Sirene, sondern der Spitzname der Theaterregisseurin Nicola Hümpel, die ihre Navigatoren schnell auf Erfolgskurs brachte. Mit nur zwei Produktionen hat das 1998 am Bauhaus Dessau gegründete Ensemble sich eine wachsende Fangemeinde erobert. Die Truppe, die in den Sophiensaelen vor ausverkauftem Haus spielt, hat sich einer eigenen Arbeitsweise verschrieben. „Wir arbeiten ausschließlich über Improvisation. Jedes Ensemblemitglied navigiert also das Stück mit,“ sagt Hümpel. Mit den Navigatoren betrat ein Darstellertyp die Off-Bühne, der durch seine anmutige Unbekümmertheit für sich einnimmt. Nico hat ihnen einen modischen Look verpasst. Doch sie versteht es, die Eigenart ihrer Akteure wirkungsvoll in Szene zu setzen. „Ich studiere meine Navigators bis ins Innerste,“ gesteht sie. Mit ihren Raum-, Klang-, Bewegungs- und Sprachbildern will Hümpel Assoziationen wecken und damit „Nachdenklichkeit“ erzeugen, sagt die Absolventin der Hamburger Kunsthochschule. Entscheidend war die Begegnung mit Achim Freyer am Bauhaus Dessau, wo die Studentin an einer internationalen Bühnenbildklasse teilnahm. Freyers Arbeitsweise hat sie für sich weiterentwickelt. Nicos Stücke kreisen immer um die Erkundung menschlicher Verhaltensweisen. Alltagsrituale werden verfremdet, Vorgänge ins Artifizielle und Absurde getrieben. Die grafische Klarheit des Bühnenbilds kontrastiert mit den schwebenden mentalen Zuständen. Nico zelebriert ein Theater der Langsamkeit, das von der Kunst der Reduktion lebt. Für ihre Szenencollagen hat sie eine Schnitttechnik entwickelt. „In der bildenden Kunst hat mich der Schnitt interessiert. Bei einer Skulptur suche ich den Moment der größten Spannung und mache einen messerscharfen Schnitt. Damit gebe ich dem Betrachter die Möglichkeit, die Linie in seiner Vorstellung selbst fortzuführen.“ Auf die koproduzierende Fantasie des Zuschauers ist das Theater von Nico and the Navigators angewiesen. Es legt immer neue Fährten aus. Und verzichtet auf jedes vorschnelle Erklären. Mit Lust navigieren die Akteure dabei ins Ungewisse. Manchmal kommt es vor, dass di Regisseurin einem Darsteller vor beginn der Vorstellung ein Zettelchen mit einer knappen Anweisung zusteckt. Martin Clausen ist Experte für diese Form des Freispiels. Der Jungakteur bewegt sich mit drolliger Verwunderung durch die Aufführung. Und gibt damit eine Anleitung für die Betrachtung dieses Theaters, das alle Festlegungen scheut. „Ich habe erkannt, dass ich die Welt nie vollständig verstehen werde,“ sagt Nico. Ihre Navigatoren erwecken den Anschein, jedes Mal einen unbekannten Kontinent zu betreten. Die letzte Produktion „Lucky Days, Fremder“ handelte von den Zeremonien des Abschiednehmens. Maigrün war die Farbe der Einsamkeit. In der neuen Produktion „Eggs on Earth“ ist Blau die dominante Farbe, wenn es heißt: Dress for success. Denn diesmal dreht sich alles um das Thema Arbeit – ein Thema, das derzeit auffallend oft von Künstlern aufgegriffen wird. „Meine Beobachtung ist, dass meine Mitmenschen immer mehr von Lebensabenteurern zu Lebenszeitverwaltern werden. Sie müssen sich zunehmend organisieren und kommen dabei gar nicht mehr zum Leben.“ Die Befürchtung, dass das Thema keine großen Emotionen weckt, hat Hümpel nicht. „Bei unserer Recherche hat sich herausgestellt, dass das Thema allen unter den Nägeln brennt. Wir sind ja die Generation der unsicheren Existenzen.“ Vorgeführt wird eine Galerie von Typen vom Workaholic bis zum Durchwurstler. Sie selbst sei besessen von ihrer Arbeit, erzählt Nico. Vor jeder Vorstellung schminkt sie ihre Darsteller. „Eine zärtliche Geste“, betont Nico. „Und dann gehen wir gemeinsam in einen Liebesprozeß.“

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