Mit Terzen kann man Menschen fangen

In der intelligenten Stuttgarter Neuinszenierung von Philippe Boesmans „Reigen“, nach Arthur Schnitzler und Luc Bondy, zeigt die Regisseurin Nicola Hümpel, dass sie eine leichte Hand, viel Gefühl und einen scharfen Verstand hat. Im Theater sind fünf Minuten eine lange Zeit, wenn keiner etwas sagt und in der Oper auch noch die Musikanten schweigend dabeisitzen. Im Stuttgarter Großen Haus jedoch, so fängt es schon mal gleich fabelhaft an in der Inszenierung von Philipp Boesmans’ Musiktheaterstück „Reigen“, zieht sich das stumme Vorspiel keine Sekunde. Unter einem abgehängten Dach proben nämlich zehn Darsteller für die folgenden Szenen eine Erstaufstellung. Mann und Frau, Frau und Mann. Man beäugt, bewegt, beschnuppert sich. Schließlich ist was dran an dem Satz, dass Leute sich irgendwann nicht mehr riechen können. Aber das wird erst später sein. Momentan schlägt ihnen allen hier noch die Stunde, in der sie nichts voneinander wissen: die Dirne nichts vom Soldaten, Frau Emma nichts vom jungen Herrn und der Dichter Robert nichts von der Sängerin, die bei Doktor Arthur Schnitzler, der den „Reigen“ 1896 schreibt, noch eine Schauspielerin ist. Zwei Jahre nachdem das Stück 1920 dann doch in Berlin uraufgeführt (und sofort verboten) wird, schreibt Sigmund Freud, der vorher nicht immer nur Sympathien für Schnitzlers theatralische Sendung und Seelenarbeit hatte: „Ihr Ergriffensein von der Triebnatur des Menschen, ihre Zersetzung der kulturell-konventionellen Sicherheiten, das Haften ihrer Gedanken an der Polarität Liebe und Sterben, das alles berührt mich mit einer unheimlichen Vertrautheit.“ Kein Wunder deshalb, dass einer der größten Psychoanalytiker auf dem Theater, der im letzten Jahr verstorbene Regisseur Luc Bondy, vor knapp einem Vierteljahrhundert an der Brüsseler Oper die Vorlage leicht komödiantisch-boulevardesk verknappte und nach dem Witz suchte, wo man ihn am wenigsten vermutet: postkoital, wenn der Mensch als Tier angeblich durchweg traurig ist. Bondy fand das auch zum Lachen, und ebenso ging es dem damals bereits länger vom Musiktheater-Neuerfinder Gerard Mortier geförderten, aus der Nähe von Lüttich stammenden Komponisten Philippe Boesmans, der eine kurios versponnene, zitatreiche, handwerklich meisterhaft bestückte Partitur ablieferte, die von Frankfurt bis Amsterdam nachgespielt wurde. Im Theater sind fünf Minuten eine lange Zeit, wenn keiner etwas sagt und in der Oper auch noch die Musikanten schweigend dabeisitzen. Im Stuttgarter Großen Haus jedoch, so fängt es schon mal gleich fabelhaft an in der Inszenierung von Philipp Boesmans’ Musiktheaterstück „Reigen“, zieht sich das stumme Vorspiel keine Sekunde. Unter einem abgehängten Dach proben nämlich zehn Darsteller für die folgenden Szenen eine Erstaufstellung. Mann und Frau, Frau und Mann. Man beäugt, bewegt, beschnuppert sich. Schließlich ist was dran an dem Satz, dass Leute sich irgendwann nicht mehr riechen können. Aber das wird erst später sein. Momentan schlägt ihnen allen hier noch die Stunde, in der sie nichts voneinander wissen: die Dirne nichts vom Soldaten, Frau Emma nichts vom jungen Herrn und der Dichter Robert nichts von der Sängerin, die bei Doktor Arthur Schnitzler, der den „Reigen“ 1896 schreibt, noch eine Schauspielerin ist. Zwei Jahre nachdem das Stück 1920 dann doch in Berlin uraufgeführt (und sofort verboten) wird, schreibt Sigmund Freud, der vorher nicht immer nur Sympathien für Schnitzlers theatralische Sendung und Seelenarbeit hatte: „Ihr Ergriffensein von der Triebnatur des Menschen, ihre Zersetzung der kulturell-konventionellen Sicherheiten, das Haften ihrer Gedanken an der Polarität Liebe und Sterben, das alles berührt mich mit einer unheimlichen Vertrautheit.“ Kein Wunder deshalb, dass einer der größten Psychoanalytiker auf dem Theater, der im letzten Jahr verstorbene Regisseur Luc Bondy, vor knapp einem Vierteljahrhundert an der Brüsseler Oper die Vorlage leicht komödiantisch-boulevardesk verknappte und nach dem Witz suchte, wo man ihn am wenigsten vermutet: postkoital, wenn der Mensch als Tier angeblich durchweg traurig ist. Bondy fand das auch zum Lachen, und ebenso ging es dem damals bereits länger vom Musiktheater-Neuerfinder Gerard Mortier geförderten, aus der Nähe von Lüttich stammenden Komponisten Philippe Boesmans, der eine kurios versponnene, zitatreiche, handwerklich meisterhaft bestückte Partitur ablieferte, die von Frankfurt bis Amsterdam nachgespielt wurde.

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