Nico and the Navigators: Force and Freedom – Mit dem Kuss Quartett
Video on demand via ARTE Nico and the Navigators haben zu den Leuchttürmen der abendländischen Musikgeschichte einen ausgewiesenermaßen guten Draht. Gegenstand ihrer spezifisch musikpoetischen Mischungen aus Theater, Tanz und Konzert waren u. a. bereits Bach, Schubert und Mahler. Es lag nahe, diese Tradition 2020 fortzuschreiben und sich dem Bonner Meister freiheitlicher Musikkunstausübung und seinem 250. Geburtstag zu widmen – wie 99,9% aller Kulturschaffenden. Hierzu versicherte man sich der glänzenden musikalischen Fähigkeiten des Kuss Quartetts, um mit ihnen in der Navigators-vertrauten Allianz von Klang und Bewegung, Ernst und Spiel die berüchtigten späten Streichquartette theatralisch zu umkreisen (und einige Lieder). Nach der abgesagten Bühnen-Premiere und coronabedingten Umstrukturierungen wurde ein „Staged Concert“ entworfen, das am 21. Dezember erstmals im Radialsystem realisiert wurde und noch einen Monat lang auf Arte abgerufen werden kann. Unter dem (gerade besonders virulenten) Spannungsverhältnis von Zwang und Freiheit klopfte man Ausschnitte aus den Quartetten op. 132, op. 135 und selbstredend der visionären „Großen Fuge“ unter der bewährten Regie von Nicola Hümpel auf ihre existentiellen Potentiale hin ab; eine filmisch-szenische Spurensuche, die in der Poesie minimalistischer Abstrahierung und Andeutung immer wieder auch Zeichen pandemischer Gegenwart einbaut. Da kommt es zu hinreißenden Choreographien von Tänzerin Yui Kawaguchi, liebenswert melancholischen Lied-Adaptionen von Ted Schmitz oder dem Einbau Beethovenschen Wort- und Gedankengutes durch Schauspieler Patrick Schott. Das alles ist zwar diesmal nicht ganz so vielschichtig und traurig-komisch wie man es von den Navigators gewohnt ist, aber ein allemal eloquenter Zugriff auf eine Musik, die von geradezu „heiligem“ Ernst überschattet ist, ohne ihr Gewalt anzutun. Eigentlicher Hauptdarsteller ist nämlich das in allen szenischen Lebenslagen erstaunlich treffsichere Kuss Quartett. So intensiv hat man Beethovens späte Quartette jedenfalls lang nicht mehr gehört…
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