NICO AND THE NAVIGATORS: „WASTED LAND“

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Intro: Die Berliner Kompanie NICO AND THE NAVIGATORS hat in den letzten 20 Jahren ihre Performancekunst perfektioniert - ihre Mischung aus Musik, Musiktheater, Tanz und Performance und Text und Schauspiel und Videokunst. Und all das braucht es wahrscheinlich auch für das neue Stück, das heute Abend Premiere haben wird. Dafür ist nämlich „The Waste Land“, „Das öde Land“ Inspirationsquelle, das Gedicht von T. S. Eliot, dem Literatur-Nobelpreisträger. 1922 hat er es veröffentlicht, also vor etwas mehr als 100 Jahren. Wie versuchen jetzt NICO AND THE NAVIGATORS dieses Gedicht atmosphärisch aufzugreifen und Bezüge zu unserer Gegenwart heute zu finden? Frauke Thiele hat sich bei den Endproben zur Inszenierung Eindrücke verschafft.


[Einspieler Ted Schmitz]: „April is the cruellest month…"


„The Waste Land“, gesprochen im englischen Original. Das Gedicht fängt mit einer Klage an, einer Klage über den April - der übelste Monat von allen.


[Einspieler Ted Schmitz]: „Stirring dull roots with spring rain…"


Da ist von öden Wurzeln und eingeschrumpelten Knollen die Rede, nichts vom frischen Neuanfang. T. S. Eliot hat sein Gedicht selbst „eine rhythmische Quengelei“ genannt, wie eine endlose Depression, eine persönliche Verzweiflung, die sich aber zu einem allgemeinen Zustand weitet.


Hümpel: „Wie viele wiederkehrende Themen da auftauchen, von der Pandemie, der Spanischen Grippe, von den Depressionen einer Gesellschaft, die einen Ausweg sucht, aber nicht finden kann, die traumatisierten Kriegsheimkehrer, die Inflation, die Wirtschaftskrise."


Nicola Hümpel, Regisseurin von NICO AND THE NAVIGATORS, hat T. S. Eliots dramatisch-verzweifeltes Gedicht in „Wasted Land“ wie einen atmosphärischen Aufschrei inszeniert, bei dem man nicht jedes englische Wort kennen muss, um die Grundstimmung zu erfassen.


[Einspieler Ted Schmitz]: „Lilacs, out of the dead land…"


Hümpel: „Man kann das Gedicht gar nicht so einfach verstehen, man kann es vielleicht begreifen, man kann es erspüren, man kann die Stimmung erspüren. Man kann diese schöne Sprache und diese schrecklichen Bilder für Momente fassen und in seine eigene Welt mitnehmen."


[Einspieler Ted Schmitz]: „Coming over the Starnberger See…"


Sie schafft einen atmosphärischen Teppich, in dem die Sprache, die Musik, die Videobilder und der Tanz miteinander verwoben sind.


[Einspieler Wolke Misewitch]: „Starnberger See, da ist es so schee…“


Auf der Bühne sind drei Darsteller*innen. Der Sänger und Schauspieler Ted Schmitz, der den Text im Original spricht, spielt und auch singt. Dann ist da noch der Schauspieler Patric Schott, der den Text auf Deutsch in die Entstehungszeit einordnet und Bezüge im Text erklärt.


[Einspieler Patric Schott]: „1922. Zwischen Deutschland und Russland wird der Vertrag von Rapallo geschlossen, der den wechselseitigen Verzicht auf Entschädigungen für die Kosten und Schäden des Ersten Weltkrieges regelt."


Und die Tänzerin Lujain Mustafa, die in ihrer Bewegung mit den Worten umgeht, ihre eigene Sprache findet und sich auch immer wieder kommentierend einmischt.


Hümpel: „Der Tanz ist eine Art erspüren der Texte und Worte, wie auch Musiik. Es ist auch die weibliche Sicht auf diesen Stoff, was es sehr spannend macht. Hinzu kommt, dass Lujain, die aus Damaskus kommt, diesen ganzen Text natürlich nochmal ganz anders liest und das sieht man auch in ihrer körperlichen Interpretation."


Tänzerin und Schauspieler und auch die Musiker*innen haben Kleider in gedeckten Brauntönen an, passend zur Stimmung. Sie alle spielen in die Kameras auf der Bühne und werden live gemischt auf der Videoleinwand miteinander in Beziehung gesetzt. Immer wieder werden auch abstrakte Videobilder eingeblendet, in denen die Darsteller*innen auftauchen und verschwinden.


[Einspieler Ted Schmitz]: „A brain allows one half formed thought to pass. Well, that’s gone and I’m glad it’s over."

[Einspieler Wolke Misewitch]: „Bored and tired, food and tins…"


Und die Musik natürlich, die die szenische Umsetzung des Gedichts begleitet, vorantreibt und auf eigene Wege führt.


[Einspieler Wolke Misewitch]: „glad it’s over…bored and tired"


Immer wieder sorgen die Musiker*innen auch für humoristische Brüche, indem Textzeilen auf einmal gesungen, zu einem eigenen Song werden. Abwechslungsreich ist das und entwickelt ein Eigenleben.


[Einspieler Wolke Misewitch]: „glad it’s over…"


Hümpel: „Es gibt Klangflächen, Collagen, Alltagsgeräusche, also es ist eine Art Hörspiel auch geworden, in einem starken Wechsel von dominanten musikalischen Passagen und dann sehr unterschwelligen Atmosphären."


[Einspieler Ted Schmitz]: „The river sweats. Oil and tar…"


Wohin einen die eigene Wahrnehmung dann gedanklich atmosphärisch führt, ob in die Endzeitstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, in aktuelle Katastrophenstimmungen oder in persönliche Gefühlszustände - da kann sich jeder / jede frei treiben lassen.


[Einspieler Ted Schmitz]: „Datta. Dayadhvam. Damyata. Shantih, shantih, shantih."


Outro: Wasted Land, so heisst das neue Stück der Berliner Kompanie NICO AND THE NAVIGATORS. Heute Abend ist Premiere im Radialsystem, dort dann bis Sonntag zu sehen. Übrigens wird Norbert Hummelt, Lyriker und Übersetzer von T. S. Eliot, in dieses Gedicht und in seine Bedeutungsebenen einführen und er wird aus seiner Übersetzung von „The Waste Land“ vortragen. Jeweils vor den Aufführungen im Radialsystem.












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