„Petite messe solennelle“ in der Erfurter Oper

Gioachino Rossinis leistet seinen Beitrag zum Kunstfest Weimar mit "Petite messe solennelle" und "Nico and the Navigators". Und Nike Wagner nutzte wieder einmal lächelnd die Oper Erfurt. Manchmal könnte man ja meinen, dass es Nike Wagners Berufung ist, die Schwächen scharfzüngig aufzuspießen, die ihren beiden ungeliebten Cousinen in Bayreuth beim Umgang mit dem Werke des gemeinsamen Urgroßvaters Richard Wagner - vermeintlich oder tatsächlich - unterlaufen. Dabei ist ihre faktische Kritik am alljährlichen Richard-Wagner-Zirkus viel überzeugender. Nicht nur, weil sie dafür in Weimar mit ihrem Kunstfest den ebenfalls gemeinsamen Ururgroßvater Franz Liszt in Stellung bringt. Sondern vor allem, weil sie es mit Sinn fürs Erlesene, mit programmatischem Ehrgeiz und gelegentlich auch einem Augenzwinkern macht. So wie im Falle der Berliner Theatertruppe "Nico and the Navigators" um Regisseurin Nicola Hümpel, die jetzt Gioachino Rossinis "Petite messe solennelle" ihrer Welt aus Tanz und Musik einverleibt haben. Mit "Glaubensbekenntnisse des 21. Jahrhunderts" ist der Untertitel sicherlich etwas hoch gegriffen. Aber ein dem lieben Gott höchstselbst gewidmetes Oratorium, das der Komponist und Lebensgenießer Rossini (1792 - 1868) vier Jahr vor seinem Tod und 34 Jahre, nachdem er das Opernkomponieren ad acta gelegt hatte, seinem Lebenswerk nachreichte, kann man sich bei dem Italiener eh nur schwer als Steilvorlage für eine Fundamentalkritik der Religionen heute vorstellen. Eher schon als ein freundlich mildes Zuprosten himmelwärts. Immerhin wird nicht nur witzig parliert bei diesem kurzweilig vertanzten und besungenen Bildertheater, sondern auch mit augenzwinkernder Selbstironie auf unsere Gegenwart geblickt. Nicht zufällig ist am Ende, wenn das Licht erloschen ist, ein Lachen aus dem Dunkel das Letzte, was man hört. "Did you see the Pope?", so lautete eine der ersten Fragen der immer wieder sketchartig eingestreuten Dialoge zwischen dem kritisch fragenden jungen Mann und dem antwortenden priesterlichen Kuttenträger. In Anspielung auf den anstehenden Papst-Besuch lautet die Antwort, viel entscheidender sei, ob der Papst dich gesehen habe. Darüber könnte wohl selbst der Papst noch schmunzeln. Und wirklich bissiger werden sie auch sonst nicht. Die Berliner Truppe bleibt auf dem leicht verdaulichen, ironischen Niveau, das Glauben mehr oder weniger als Teil von Ritualen der Mediengesellschaft wahrnimmt. Was im kirchenfernen Osten der Republik immerhin auch den eilfertigen Opportunismus einer neu entdeckten Religiosität einschließen mag. Auf fahrbarem Untersatz und als Teil einer bühnenfüllenden Aktion übernehmen zwei Flügel und ein Harmonium den musikalischen Part. Die mit ihren Multitalentpfunden wuchernden, fabelhaften insgesamt 16 Sänger-Tänzer-Darsteller übernehmen den Rest. Und der Dirigent Nicholas Jenkins ist Teil des Ganzen und mittendrin. Die Spielfläche hat Oliver Proske mit einem schwungvollen Bogen überwölbt, den man gut für ein schick designtes Himmels-Portal halten kann. Wenn sich die Pforte dahinter öffnet, fluten jedenfalls weißes Licht und Wolkendunst über das irdische Bemühen, die Musik Rossinis nicht nur hör-, sondern ihren Anlass und Zauber auch sichtbar zu machen. Bei Nico Hümpel fährt die Musik auf vielfältige Weise in die Tänzer und Sänger. Beim Gloria etwa liefern Laura Mitchell und Ulrike Mayer nicht nur überzeugende Proben für Sopranstrahlkraft und satten Mezzo, sondern obendrein einen frivolen Wettkampf zwischen zwei attraktiven Diven ab. Immer wieder profilieren sich Einzelne, bis sich alle immer wieder zum Gruppenbild formieren. Vor allem Rossinis Musik lieferte den Raum, den die Truppe für Glaubensbekenntnis zur Kraft der Musik und des Tanzes brauchte. Sie fühlten sich darin so wohl, dass sie das Publikum in der nicht ganz ausverkauften, aber gut besuchten Erfurter Oper damit ansteckten.

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