Puccinis SUOR ANGELICA
Premierenkritik Erstes Education-Projekt der Berliner Philharmoniker unter ihrem neuen "Chef" Kirill Petrenko Jetzt wird also auch Kirill Petrenko nach und nach das schon vor 16 Jahren von Sir Simon Rattle initiierte Education-Programm der Berliner Philharmoniker mit "Eigen-Einbringung" zu adeln wissen - gestern Abend tat ihm das auf umwerfende Weise bei Puccinis Suor Angelica (unter dem vielsagenden Arbeitstitel "Faith to Face") zum ersten Mal gelingen. Kurz erklärt: "In diesen Aufführungen [...] vereinen sich zudem mehrere Aspekte von Vermittlungsarbeit, die sich die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko auf die Fahnen geschrieben haben: Neben der Förderung von vielversprechenden jungen Nachwuchsmusikerinnen und –musikern zählt hierzu insbesondere die Idee, Menschen aller Altersgruppen und verschiedenster Herkunft innerhalb gemeinsamer Projekte für die Klassische Musik zu begeistern. Mit der Besetzung aus Solistinnen der Berliner Musikhochschulen und den Stipendiatinnen und Stipendiaten der Karajan-Akademie erhalten hochtalentierte herausragende junge Musikerinnen und Musiker die Gelegenheit, intensiv mit einem Dirigenten von Weltruhm sowie mit einem erfahrenen Regieteam zusammenzuarbeiten. Die erwachsenen Laiensängerinnen und -sänger des Projektchors haben sich im Vorfeld einem anspruchsvollem Auswahlverfahren gestellt und können so gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen der Vokalhelden in einem hochprofessionellen Setting eine sicherlich unvergessliche künstlerische Erfahrung sammeln." (Quelle: berliner-philharmoniker.de) Das Orchesterpodium ist versenkt, sodass der optische Eindruck eines irgendwie vorhandenen Orchestergrabens, halt wie in der Oper, entsteht. Davor befindet sich ein zweigeteiltes lang gestrecktes weißes Sitzmöbel, in dem - für jede der 12 Nonnen und/oder Novizinnen dieses arg rühseligen und "im Geist" arg nervenden Einakters von Giovacchino Forzano - genauso viele Schiebekästenfächer von Gesamtausstatter Oliver Proske eingestanzt wurden. Hinterm/überm Orchester fährt eine genauso zweigeteilte LED-Tafel, auf der dann simultan (sprich: live) die Groß-Gesichtsaufnahmen der dann jeweils Singenden in porentief gestochen-scharfem HD sichtbar werden, hin und her. Die Vorstellung beginnt mit einem launigen und eigentlich doch recht gesichtslosen Klavier-Prolog "nach Motiven von Giacomo Puccini", komponiert und gespielt von Matan Porat - währenddem betreten die Protagonistinnen ihren als Nonnenkloster stilisierten Handlungsort; es sieht so aus, als ob sie grade erst dem Bund der Kirche beigetreten sind, denn sie sind drauf und dran, ihre Klamotten aus ihrer Vorzivilisation mit denen ihres neuen Haftraums einzutauschen; die Kostüme stammten von Nicola Hümpel, die zugleich Regie führte. Ann Toomey singt und spielt die Titelrolle, und sie schält sich aus dem Kreise ihrer Mitgefährtinnen - nach Hümpels Sicht könnte besagtes Nonnenkloster auch einem karitativ organisierten Frauenhaus unserer Tage folgerichtig aufgeopfert worden sein - als wohl Emanzipierteste von ihresgleichen raus; nicht nur weil sie am Schluss des Operneinakters ganz selbstbewusst für ihren selbstbestimmten Freitod steht! Und sowieso klingt ihr Sopran zum einen seidenweich, zum anderen brutal; die echte Mischung, die man für Puccini eben braucht. Genial auch dieser szenische Einfall Hümpels: Der erwartbar große Auftritt von der Fürstin (hochgenial: die stimmlich nach wie vor total intakte und in unauffällig-schwarzes Managerdesign gesteckte Katarina Dalayman!!), welcher mit ihrer live gefilmten Limousinen-Anfahrt bis vors Hauptportal des Hans-Scharoun-Baus startet, sich mit ihrem Gang durch das Foyer fortsetzt und ihrem Treppensteigen Richtung "Bühneneingang", wo sie endlich dann höchstselbst den Saal für sich erobert, kulminiert, hat Extrabiss und ist von ominöser Qualität!! / Die Oper endet dann auch so, dass man bei/nach dem unendlich verhallenden, verhauchenden Finale Suor Angelicas nur noch die Dalayman, die sich inzwischen wieder ins Foyer verdrückt hatte, wo sie sich Wein hinter die Binde kippt, zu sehen bekommt... Das Orchester mit den Stipendiaten der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker vollzieht Petrenkos meistens leise, ruhige, ausgeglichene und also völlig "unhektische" Sicht der Dinge - kompatibler gehen Partnerschaften nicht, und wer ließ sich hier eigentlich von wem am meisten inspirieren? Mein Gott, war das Alles großartig und schön!
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