Raum für Novizen

Doch, Baustellen können in Berlin auch fertig werden. Der Beweis dafür gelingt der Deutschen Oper – wenn auch denkbar knapp. In der neuen Experimentalbühne des Hauses riecht es noch nach Farbe, in den Toiletten fehlen die Spiegel, und was einmal eine feste Schwelle werden soll, ist zur Eröffnung noch ein wippendes Brett. Von der Zillestraße betritt man das Foyer der Tischlerei und erklimmt die Treppe zur hohen Werkhalle aus den dreißiger Jahren. Die Pläne für die Umgestaltung spendierte der Architekt Stephan Braunfels, die Umsetzung bezahlten Senat und Förderkreis. Nun hat das Haus doch bekommen, wovon Götz Friedrich immer träumte: einen Raum für Entdeckungen, für Wagnisse, für den Nachwuchs. Möglich wurde diese Diversifizierung erst unter dem Dach der Berliner Opernstiftung, die zentrale Werkstätten aufbaute. Damit verlor die Tischlerei der Deutschen Oper ihre althergebrachte Bestimmung – und bot einen Freiraum, den Dietmar Schwarz und sein Team jetzt stolz in Besitz nehmen. Mit einer feinen Einschränkung: Keinesfalls will der Intendant am Premierenabend den Eindruck entstehen lassen, die Deutsche Oper könne sich ihre zweite Spielstätte auch leisten. Schließlich versucht man gegenüber der Kulturpolitik zu belegen, dass das Haus in der Bismarckstraße strukturell unterfinanziert ist. Also verweist Schwarz darauf, dass für die Bespielung der Tischlerei künftig Drittmittel vonnöten sind, sprich: Förderer, die sich für neue Formate des Musiktheaters engagieren wollen. Zur ersten künstlerischen Raumbegehung hat sich die Deutsche Oper einen Kooperationspartner aus der freien Szene ausgesucht, der sich auch mit schlankem Produzieren und gewinnbringenden Netzwerken auskennt. Die Berliner Theatergruppe Nico and the Navigators kreuzte in den vergangenen Jahren so intensiv und gut gelaunt im Fahrwasser des Musiktheaters, dass sie nun folgerichtig zur Eröffnung in der Tischlerei festmacht. Die soll auch dem Ensemble der Deutschen Oper neue Perspektiven eröffnen. Und so kann Regisseurin Nicola Hümpel bei ihrer szenischen Fantasie „Mahlermania“ nicht nur auf ihre bewährten Schauspieler und Tänzer zurückgreifen, sondern auch auf ein Kammerorchester und die Sänger Katarina Bradic und Simon Pauly. Gerahmt von 16 Nummern aus Liedern und Symphonien Gustav Mahlers will die Produktion nicht noch mehr Anekdoten vom Komponisten und seiner untreuen Alma aufreihen – obwohl man anderes nicht recht erkennen mag: Wir nehmen unserem Mahler sein Komponierhäuschen auseinander und verwandeln es in einen Bungalow im Stil von Walter Gropius. Alma wird darüber auch nicht froh. „Piefiger Preuße“, lallt sie dem Liebhaberarchitekten missmutig hinterher und füllt sich das Glas in einem Becken, das mit Sicherheit den Canal Grande symbolisieren soll. Kokoschka baut sich eine Alma-Puppe, alle schauen begossen. Äpfel werden herumgereicht, doch vom Grahambrot, das Mahler genauso geschätzt hat, keine Spur. Den beiden wackeren Sängern hat es trotzdem sichtbar – und hörbar! – Freude gemacht in der Tischlerei, was nicht zuletzt an den wunderbaren Mahler-Arrangements von Studienleiterin Anne Champert liegen dürfte.

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