Scharfer Barock: Nico and the Navigators in der Zionskirche

Munchs „Schrei“ ist wieder aufgetaucht. Für etwa zehn Sekunden ist er in der Zionskirche zu sehen. Terry Weys Gesicht nimmt einen schmerzverzerrten Ausdruck an, immer höher treibt der Countertenor seine Stimme, bis Yui Kawaguchi ihm ein Stück Papier in den Mund stopft und selbst zu einem stummen Schrei ansetzt, sich die Haare rauft und mit aufgerissenen Augen verharrt. So endet das Lamento „Ach, dass ich Wasser g’nug hätt“ von J. C. Bach, eine klagende Weise barocken Elends. Was hat die protestantische Demut Bachs mit der säkularisierten Moderne zu tun? Dieser Frage geht die Compagnie Nico and the Navigators in ihrem szenischen Konzert „Cantatatanz“ nach. Tänzerin Yui Kawaguchi interagiert mit den Musikern. Sie umschmeichelt den naiven Mönch Terry Wey der warnt: „Widerstehe doch der Sünde“ und der umherwirbelnden Shaolin-Tänzerin doch verfällt. Mit zackigen Gesten versucht sie, den Raum einzuteilen, aber scheitert daran, die Richtung zu weisen – barocke Ratlosigkeit. Die Navigators scheuen nicht die mutige Auseinandersetzung mit der Rezeption des Altmeisters: Als Violinistin Mayumi Hirasaki würdevoll zur Sonate bittet, reagieren die brav aufgereihten Zuhörer mit Ablehnung oder gespieltem Interesse. Kontrastiert mit fröhlicher Gamben-Tanzmusik (Jakob David Rattinger) vom Zeitgenossen Marais wirkt der Barocktitan gestelzt und überholt. Doch mit einer großen Pfeffermühle und viel Tanz- und Spielfreude verleihen die Navigators der schweren Kost eine ordentliche Portion Schärfe.

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