Schweinestall von Gropius – „Nico and the Navigators“ beschäftigen sich zum 100. Bauhaus-Geburtstag mit der Glaubwürdigkeit des Augenscheins – und mit dem Verrat von Bildern

Dessau / MZ - Irgendwie war alles Bauhaus, damals in den 1920er Jahren. Jedenfalls wenn man dem Städtemarketing und den Medien landauf, landab Glauben schenken will. Was immer irgendwo gemalt, gebaut, getischlert oder getöpfert wurde. Es war Bauhaus, wenn es nur keine Schnörkel besaß. Blödsinn und trotzdem richtig Das ist einerseits ausgemachter Blödsinn. Andererseits ist die Aussage, dass irgendwie alles Bahaus gewesen war, vollkommen richtig. Wenn man sie so trifft wie die Theatertruppe „Nico and the Navigators“ in ihrem neuesten Stück „Verrat der Bilder“. Vorab sei bemerkt: Wer Karten haben will, muss sich sputen, pro Aufführung gibt es nur 23 (in Worten dreiundzwanzig). Was der Enge der Spielorte - den Dessauer Meisterhäusern - Muche und Schlemmer geschuldet ist, der zu entkommen nicht einmal Augmented Reality hilft. Dazu später mehr. Für Nicola Hümpel ist „Verrat der Bilder“ eine Rückkehr ans Bauhaus. Ihre offizielle Vita verschweigt es zwar, doch vor ihrem Studium an der Hochschule für bildende Kunst in Hamburg besuchte sie Anfang der 90er Jahre die Bühnenklasse am Dessauer Bauhaus und inszenierte in Dessau ihr erstes Stück. Nun, knapp 30 Jahre später machen sie und ihre Mitstreiter Oliver Proske und Andreas Hillger das Bauhaus zum Thema. „Verrat der Bilder“ ist keine Hommage an das Bauhaus, keine Verneigung vor Gropius und den anderen, sich „Meister“ nennenden Lehrer, die im Stück häufig beiläufig zitiert werden. Johannes Itten (Michael Shapira) immerhin tritt auf, der Farbenmagier und Anhänger der esoterisch-rassistischen Mazdaznan-Lehre. Als sein Gegenpol wird Ernst Neufert (Patric Schott) aufgeboten, kurze Zeit Bauhausschüler und später einige Jahre Büroleiter bei Gropius. Ein Architekt, dessen Standardwerk heute einfach „Der Neufert“ heißt und das unter anderem penibel beschreibt, wie viel Plattz unter einem Möbelstück sein muss, damit Frau dort wischen kann: Neufert rollt ein kurzes Maßbahnd aus - zehn Zentimeter. In dem aber auch zu lesen ist, das Schweine in Ställen etwas zum Spielen benötigen, womit sich Neufert im Stück als der geeignete Mann erweist, Gropius’ letzten Entwurf vorzustellen: einen - kein Witz - Schweinestall für Philip Rosenthal, dem Chef des gleichnamigen Porzellanherstellers. Bauhaus - und es darf trotzdem gelacht werden? Bei „Verrat der Bilder“ ist das erlaubt. Wenn Itten und Neufert Bauhaus waren, dann ebenso Gertrud Grunow (Annedore Kleist) und Karla Grosch (Pauline Werner). Grunow führt die Besucher der Generalprobe in die Farbenharmonie ein und lehrt sie das Sehen mit Augmented-Reality-Brillen, die virtuelle Dinge mitten im Raum erscheinen lassen. „Sehen Sie die Kugel?“ Abrechnung mit den Machos Grosch hingegen feiert die „gesundheitlich gymnastische Durcharbeitung des Körpers“. Und beide gemeinsam sind die, dim im Haus Muche mit den Machos abrechnen, die sich so fortschrittlich gebärdeten, aber es dann doch lieber bei den Rollenbildern beließen, die ihnen so wohlvertraut waren.

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