Szenische Miniaturen des Glücks
Die Programmsparte "Kunst aus der Zeit" bereichert die Bregenzer Festspiele Die Bregenzer Festspiele sorgen mit ihrer spektakulären Seeproduktion immer wieder für Schlagzeilen. 173.000 Zuschauer sahen 2005 Verdis "Der Troubadour" in der feuerroten Ölraffinerie. Auch die diesjährige Produktion von Claude Debussys "Der Untergang des Hauses Usher" im Festspielhaus fand international viel Beachtung bei Publikum und Presse. Zudem profiliert sich das Festival zusehens mit seiner dritten Programmschiene: "Kunst aus der Zeit" ("KAZ"), bei der junge und freche Musik- und Theaterprojekte an den Bodensee geholt werden. Freakig, unkonventionell und entdeckungsfreudig ist die kleine, aber feine Programmschiene. Die 400.000 Euro Programmbudget werden - getreu dem Motto "Kunst finanziert Kunst" - aus Überschüssen der Seebühnenproduktion finanziert. Was ist Glück? Was ist Unglück? Und wie gehen die Menschen auf der Suche nach menschlicher Nähe damit um? Das Stück "Nico and the Navigators" aus Berlin liefert keine hochtrabenden Geschichten, sondern szenische Miniaturen. Es sind Denkräume zum Thema Glück. Die Livemusik zur Spurensuche kommt von der Tiroler Musik-Formation "Franui". Sie hat Schubertlieder als Vorlage verwendet und für den poetischen Theaterabend weitergedacht. Politisch-zeitgeschichtliche Denkräume Politisch-zeitgeschichtliche Denkräume öffnet dagegen die Uraufführung von "Radek" bei den Bregenzer Festspielen. Die Kammeroper zeichnet das Leben des jüdischen Galiziers Karl Radek nach. Er sympathisierte mit Lenin und Stalin - und starb nach einem Schauprozess in einem sibirischen Straflager. Mit Krieg, Zerstörung und Tod konfrontiert auch eine andere Bregenzer Produktion im Rahmen von "Kunst aus der Zeit": Friedrich Cerhas 1971 uraufgeführtes Opus Magnum "Spiegel I-VII". Cerhas konsequentestes Werk auf dem Gebiet der Klangflächenkomposition ist allerdings eine Antwort auf die serielle Musik der 1960er Jahre - eine Herausforderung für das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg sowie den Dirigenten. Kontrastprogramm dazu kommt aus dem Bregenzer Kunsthaus: Hier trifft Elektronik auf ein Streichensemble. "SPIN" betitelt sich der Abend, den der Wiener Komponist Hannes Löschl mit dem Vorarlberger "Ensemble Plus" gestaltet hat. Zudem gastiert das Hamburger Thalia-Theater mit Werner Schwabs grellem Sprach-Klassiker "Die Präsidentinnen" in Bregenz. Das erste von Schwabs so genannten Fäkaliendramen wird im Herbst in den Spielplan in Hamburg übernommen, Bregenz zeigt die Premiere. "Kunst aus der Zeit" liefert einen künstlerischen Brückenschlag zwischen Alt und Jung, zwischen Tradition und Avantgarde. Für viele ist es noch ein Geheimtipp bei den Festspielen, allerdings mit Expansionspotential.
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