Verrat der Bilder – Augmented Reality

Unter all den Begriffen aus Digitalien klingt «Augmented Reality» besonders verlockend. Gemeint ist eine erweiterte Wirklichkeit. Man stelle sich vor, in einem Theater mit einer Brille auf der Nase zu sitzen, wie sie derzeit etwa Microsoft als «HoloLens» entwickelt, um sowohl die reale Bühne als auch – sozusagen vor dem inneren Auge – zusätzliche Informationen zu betrachten. Man sähe durch die Brille den realen Tänzer und eingeblendet zum Beispiel seinen Namen. Die Berliner Kompanie Nico and the Navigators stellt dem Publikum nun dank ihres technikbegeisterten Bühnenbildners Oliver Proske, vor allem aber dank der Fördermittel der Kulturstiftung des Bundes, 25 solcher Brillen der Marke Magic Leap zur Verfügung. Durch mehrere spielerische Vorkurse unter dem Titel «Verrat der Bilder» – es geht mal wieder um «Bauhaus 100» –, lässt sich eine reale Gymnastin mit virtuellen Bauklötzen beschießen. Man darf sie auch mit einer virtuellen Spraydose besprühen und dreidimensionale Flecken hinterlassen. Kinderkram. Großartig dagegen ist, wenn sie, zu Übungen aus der Schule der Bauhaus-Lehrerin Gertrud Grunow (tanz 6/19), mit drahtigen 3D-Kostümen von Oskar Schlemmer tanzt, die allesamt aus dem mit- schwingenden Grafikprogramm des Computers stammen. Wenn sie dazu Kandinsky rezitiert, «Das Auge ist der Hammer», denkt man: Es ist der Hammer, hier, im Berliner Georg Kolbe Museum, einer Schar von Akteuren zuzuschauen, die selber nie das sehen, was wir dank zusätzlich eingeblendeter Grafiken, Bilder, Skizzen erleben. Wie genau sich die realen Leiber doch einpassen lassen in eine grafisch gestaltete Landschaft, mal eine Bauhausküche, mal die israelische Gedenkstätte Yad Vashem: Das macht jedes Bühnenbild völlig überflüssig. Im nächsten Jahr, so glaubt man, würden derlei Brillen nur noch rund 500 Dollar kosten. Es könnte also sein, dass bald kleine Theater mit bis zu 200 Sitzen dieses Seherlebnis völlig selbstverständlich anbieten. Vorausgesetzt, dass Kulturstiftungen nicht immer nur ihr nationales Erbe gefeiert sehen wollen, sondern auch mal den Mut hätten, ohne den Umweg übers Bauhaus heutige Experimente mit digitalen Technologien zu fördern.

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