Wie schön es auf der Welt ist

Mit dem Tod setzt sich niemand wirklich gern auseinander. Man verdrängt das Thema lieber, weil man sich nicht mit der Tatsache konfrontieren möchte, dass es für jede und jeden ein endgültiges Ende gibt, und manchmal unter schlimmen oder schmerzlichen Umständen. Doch wenn sich „Nico and the Navigators“ dieses Themas annehmen, ist Furcht fehl am Platz, zu klug und verspielt, zu heiter und nonchalant ist der Stil von 1998 von Nicola Hümpel (Regie und künstlerische Leitung) und Oliver Proske (Raumkonzeption) gegründeten Compagnie. Im April kam ihr neues Stück „Niemand stirbt in der Mitte seines Lebens“ im Konzerthaus zur Uraufführung. Nun ist dieser Abend über „Lebensrausch und Totentänze“ für drei Vorstellungen im Radialsystem zu sehen. 


Nico and The Navigators mit „Niemand stirbt in der Mitte seines Lebens“ 


Schon der Titel ist ein kleiner Gag, da es natürlich keinerlei Versicherung für die kecke Aussage gibt. Aber in seiner Unbeschwertheit möchte man ihm unbedingt glauben, oder? Vielleicht ein wenig auch seinetwegen wird diese Produktion vom Publikum so geliebt. „Wir konnten uns überall über ein super positives Feedback freuen“, erzählt Nicola Hümpel: „Die Zuschauer lassen sich meistens offen und ohne Scheu auf die verschiedenen Aspekte der Produktionen ein. Bei Diskussionen nach der Aufführung wurde leidenschaftlich und überaus ehrlich diskutiert, das war eine ganz besondere Erfahrung.“ Für das Ensemble ist es natürlich extrem aufbauend, dass die intensive und ungeschützte Auseinandersetzung mit dem Komplex „Sterben und Tod“ so gewürdigt wurde. Die Akteure begreifen das als Ermunterung, weiterhin gegen die Oberflächlichkeiten des Alltags mit den Mitteln der Kunst anzugehen. Und sich selbst zu prüfen, welchen Sinn und Zweck es hat, immer aktiv sein und in jeder Situation die Kontrolle behalten zu wollen. Denn manche Dinge sind stärker – und manchmal ist es besser, sich auf sie einzulassen als sich um jeden Preis gegen sie zu wehren. Persönliche Erlebnisse spielen eine Rolle in diesem Stück, die finalen Abschiede zum Beispiel von denen Großeltern und Eltern, von Freunden und Kollegen. Nicola Hümpel wurde unter anderem von Michael Hanekes Film „Liebe“ inspiriert. Erst wollte sie gleich wieder aus dem Kino flüchten, dann ist sie doch geblieben und war ganz glücklich, dem alten Ehepaar bis zum Schluss zugeschaut zu haben. Trotzdem verkriecht sich das „inszenierte Konzert“ nicht in Melancholie und Schwermut, sondern versteht sich als furchtloses, entschlossenes Fest des Lebens – gerade im Angesicht des Todes. Es gibt viel zu lachen und nicht nur depressive Musik. Im Grunde sei der Abend dionysisch geprägt und zeigt hochgestimmt die Lust am Dasein als „Tanzen und Feiern gegen die eigene Sterblichkeit“, so Hümpel. Dementsprechend gibt ein Satz von Christoph Schlingensief, der 2010 im Alter von fünfzig Jahre verstarb, die Richtung vor: „Am liebsten würde ich einfach allen Menschen zurufen, wie toll es ist, auf der Erde zu sein!“ Außer den Tänzern Yui Kawaguchi und Ruben Reniers wirken Sänger mit und lassen nebenher allerlei suggestiven Geräuschen Werke etwa von Johann Sebastian Bach und Franz Schubert sowie Songs von Leonard Cohen, Ludwig Hirsch, Rufus Wainwright und Paul Simon („The Sound of Silence“) erklingen. Überdies sorgen die Geigerin Elfa Rún Kristinsdóttir, der Kontrabassist Winfried Holzenkamp und der Schlagzeuger Philipp Kullen mit ihren Instrumenten für ein breites Klangspektrum zwischen Barock und Pop, zwischen Kunstlied und Quodlibet. Für die musikalische Leitung und die Bearbeitungen ist Matan Porat zuständig, der selbst am Klavier sitzt. Nach diesem multiplen und herausfordernden Sujet wird sich die Compagnie, die trotz der enormen Erfolge im In- und Ausland Jahr für Jahr ums ökonomische Überleben kämpfen muss, demnächst zum 100-jährigen Bestehen dem Bauhaus widmen. „Der Verrat der Bilder wird als performative Reise durch die Dessauer Meisterhäuser, das Berliner Kolbe Museum und bis nach Brüssel führen und nach der Verlässlichkeit des Sichtbaren wie der Manipulation von Wahrnehmung fragen.

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