Das zweite Stück aus dem Zyklus ‚Menschenbilder‘ zeigt eine Menge aberwitziger Horrorszenarien des Arbeitsalltags. Mit scharfem Blick und einer gehörigen Portion Humor nehmen sieben eigensinnige Archetypen vom Chef bis zur Angestellten die uns all zu bekannten Momente des Existenzkampfes unter die Lupe.
Das zweite Stück des Zyklus Menschenbilder, Eggs on Earth, zeigt eine Menge aberwitziger Horrorszenarien des Arbeitsalltags. In einer multifunktionalen, kühlen, blauen Firmenwelt finden sich 7 eigensinnige Archetypen vom Angestellten bis zum Chef zusammen. Zwischen Mobbing, Rebellion, Anpassung, Demütigung und Deformation erlebt der Zuschauer hier eine Vielzahl zwischenmenschlicher Begegnungen. Mit scharfem Blick und einer gehörigen Portion Humor nimmt Eggs on Earth die uns all zu bekannten Momente des Existenzkampfes unter die Lupe. Und dabei gilt nur ein Ziel: ‘Ich hätte jetzt wirklich gern mal mit Herrn Fock gesprochen!‘
ZWISCHEN ALLEN STÜHLEN
Wie verändert sich das Bild von Arbeit in einer Zeit, in der man statt der Welt nur noch ihren Atlas vor Augen hat? Wo beginnt die Entfremdung von den Dingen, wenn das Geld längst die eigentliche Ware geworden ist? Und wie erträgt man die Demütigung, wenn man statt des überfälligen und fest verabredeten Gesprächs mit dem ominösen Mr. Fock wieder nur Vertröstungen in der Warteschleife zu hören bekommt? Im zweiten Teil der Menschenbilder fragen Nico and the Navigators nach den Verwerfungen in der modernen Arbeitswelt, in der Karrieren ebenso brüchig und verletzlich wirken wie die Biografien dahinter. Anhand von Lebensläufen wie „Peter aus Dessau“ und „Hanno aus Hannover“ zeichnen sie im melancholischen Ton Porträts der „Generation Praktikum“, die in Proskes multifunktionalem Kiosk für Nichts auch optisch immer wieder in Oberkörper und Unterleiber fragmentiert werden. Das Mobiliar der Inszenierung besteht dabei fast ausschließlich aus Stühlen, denen die Hinterbeine fehlen und die daher nicht aus eigener Kraft stehen können, obwohl sie sich mühelos zu Bänken und Tischen zusammensetzen ließen. Mit diesem beredten Accessoire sitzen die Navigators nicht nur am, sondern buchstäblich über dem Abgrund. Sie tragen das stoische Lächeln von Verkäufern zur Schau oder bauen den Erfolgsdruck in nervösen Ticks und absurden Loops auf und ab. Nicola Hümpel zeigt mit ihrem Ensemble zur Jahrtausendwende, zu welch körperlichen Übergriffen die Abhängigkeit in einer Gesellschaft führt, in der Aktenblätter wie Peitschenhiebe knallen können und Maschinen die Macht übernommen haben – und in der ein nackter Mann beim Einstellungsgespräch auf seine speziellen Fähigkeiten befragt wird, während auf seinem Bauch in großen Buchstaben die wahre Sehnsucht eintätowiert ist: „Wann werde ich Vater?“ Dies ist Patric Schott, jener Navigator, der bis heute das Gesicht des Ensembles prägt.
Eggs on Earth bringt Nico and the Navigators den internationalen Durchbruch; neben deutschen Veranstaltern werden sie nun auch von Festivals und Bühnen in Holland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Ungarn und Serbien eingeladen.
ANDREAS HILLGER
…„Sind Sie brillant?“, fragt der geschniegelte Abteilungsleiter frontal ins Publikum – eine Frage, die man, bezogen auf die Berliner Theatertruppe Nico and the Navigators, uneingeschränkt mit Ja beantworten kann. Sie sind jung, verspielt und teuflisch talentiert, die letzte Entdeckung des vergangenen Jahrhunderts…
„Sind Sie brillant?", fragt der geschniegelte Abteilungsleiter frontal ins Publikum - eine Frage, die man, bezogen auf die Berliner Theatertruppe Nico and the Navigators, uneingeschränkt mit Ja beantworten kann. Sie sind jung, verspielt und teuflisch talentiert, die letzte Entdeckung des vergangenen Jahrhunderts. 1999 galt die Gruppe um die Bauhaus-Absolventin Nicola Hümpel und den Designer Oliver Proske noch als Geheimtipp, inzwischen haben sie sich mit einer Mischung aus unbeirrbarer Naivität und hochprofessionellem Dilettantismus in die Charts der Theateravantgarde gespielt, irgendwo zwischen Buster Keaton, Wilson und Marthaler, und doch von Anfang an mit unverwechselbarem musikalischen Eigensinn. „Eggs on Earth", zu Gast in der leider nur zur Hälfte gefüllten Muffathalle, ist der mittlere Teil aus dem Zyklus „Menschenbilder", und diesmal betreiben die sieben smarten Selbstdarsteller ihre subversiven Forschungen an lebenden und toten Objekten im Themenkontext Firma und Karriere. Ein himmelblauer Zaubercontainer eröffnet fragmentarische Einblicke in seelische Abgründe und bürokratische Hierarchien. Vergeblich wird ein ominöser Mr. Fock am Telefon verlangt, Sekretärinnen träumen vom Aufstieg in die obere Etage. Schüchterne Bewerber mit schräg zu Berge stehenden Frisuren rezitieren Lebensläufe von geradezu erschütternder Banalität. Die Büroexistenz wird zur schwindelnden Gratwanderung, zeitlupenhaft verlangsamt, wie eine surreale Traumsequenz. Arbeiten kann so schön sein - man könnte ihnen stundenlang dabei zuschauen!
…In der neuen Unübersichtlichkeit ist offenbar kein Platz für menschliche Wegweiser und Pfadfinder, es sei denn, sie würden sich „Nico and the Navigators“ nennen und das Problem der allgemeinen Orientierungslosigkeit als selbstbewußte Stellvertreter zielstrebig ausleben… Nicola Hümpel hat sich mit nur drei Inszenierungen zum Publikums – und Kritikerliebling der Berliner Off-Bühnen entwickelt… Ausgerechnet mit diesem fröhlichfrechen Sprach- und Bilderrätsel ist der Durchbruch endgültig gelungen… Die 33-jährige Nicola Hümpel versteht sich inzwischen meisterhaft auf die Entwicklung konzentrierter Bilder aus gemeinsamer Improvisation. Unterstützt wird sie dabei vor allem von Ihrem Lebensgefährten Oliver Proske, der sich vom Industriedesigner zum fantasievollen Szenografen entwickelt und für „Eggs on Earth“ eine multifunktionale Box voll überraschender Spielebenen entworfen hat. Dies ist die Manege für die traurigen Clowns deren Realitätsverlust zum Pas de Deux mit simplen Haushaltsgeräten oder zum grausamen desinteressierten Betasten der fremden Körper führt. Daß dieses melancholisch-groteske Generations-Portrait ausgerechnet an den Rändern der subventionierten deutschen Theaterlandschaft gezeichnet wird, gehört freilich zu den Paradoxa der Kulturpolitik… Das aus Fördertöpfen gespeiste Ensemble funktioniert bis heute nach dem Prinzip der Selbstausbeutung. Da wirkt der Aphorismus, daß ein Lächeln am Fuße der Karriereleiter eben zwangsläufig mit dem Verzicht auf den eigenen Aufstieg bezahlt wird, nur noch zynisch. Denn zwischen den Interims-Spielstätten in den Sophiensaelen und dem Bauhaus hätten die Navigatoren ein festes Domizil inzwischen längst verdient. Zumal es hierzulande bekanntlich allzu viele Bühnen-Schiffe gibt, die ziellos auf offener See kreuzen.
In Berlin als Stars der freien Szene gefeiert: „Nico and the Navigators“ gastieren zu Hause Dessau/MZ. Jede Zeit knüpft sich ihr eigenes Koordinaten-Netz: Wo in der unvermessenen Welt noch Sterne und Sextanten für einen Aufbruch zu neuen Ufern genügten, greift man auf der Reise in reale oder virtuelle Weiten nun zu GPS-Lotsen und Suchmaschinen. In der neuen Unübersichtlichkeit ist offenbar kein Platz für menschliche Wegweiser und Pfadfinder. Es sei denn, sie würden sich „Nico and the Navigators“ nennen und das Problem der allgemeinen Orientierungslosigkeit als selbstbewusste Stellvertreter zielstrebig ausleben. Seit ihrer Gründung am Dessauer Bauhaus 1998 hat sich die Gruppe um Nicola Hümpel mit nur drei Inszenierungen zum Publikums- und Kritikerliebling der Berliner Off-Bühnen entwickelt. Dabei ist ihr das zunehmende Fremdeln offenbar gut bekommen: nachdem sie von ihrer ersten Exkursion „Ich war auch schon einmal in Amerika“ nur den idiomatischen Gruß „Lucky days, Fremder!“ mitgebracht hatte, versteigt sie sich in ihrer aktuellen Arbeit nun zu der kryptischen Wortschöpfung „Eggs on Earth“. Aber ausgerechnet mit diesem fröhlich-frechen Sprach- und Bilderrätsel ist der endgültige Durchbruch gelungen. Die Navigatoren füllen ihre neue Heimstatt in den Berliner Sophiensaelen mittlerweile mühelos und wurden vor wenigen Wochen zum renommierten „Impulse“-Festival der freien Theaterszene nach Nordrhein-Westfalen eingeladen. Was heute und morgen auch an seinem Ursprungsort im Bauhaus zu besichtigen ist, präsentiert sich als Bildungsprogramm im Zeitalter des Zappens: Kurze, scharf geschnittene Slapstick-Szenen erzählen vom Leben jener jungen Aufsteiger, die sich mit jeder Hierarchie-Stufe von sich selbst entfernen müssen. Im schrägen Schick der Trend-Magazine kostümieren sie sich bis zur Uniformität, von der auch ihre Sprache nicht unberührt bleibt. Und wenn sie sich nicht gerade ängstlich nach dem verpassten Moment fragen oder um einen Termin bei einem höheren Wesen namens „Mr. Fogg“ ringen, winden sie sich zu mehr oder weniger dezenter Hintergrund-Musik auf den Designermöbeln wie auf einem Prokrustesbett oder kämpfen mit einer Faxpapierschlange wie einst der sagenhafte Laokoon. Die 33-jährige Nicola Hümpel, die nach einem Studium der bildenden Kunst ihre prägenden Theatererfahrungen mit Achim Freyer 1991 während der berühmt-berüchtigten Bühnenklasse des Dessauer Bauhauses sammelte, versteht sich inzwischen meisterhaft auf die Entwicklung konzentrierter Bilder aus gemeinsamer Improvisation. Unterstützt wird sie dabei vor allem von ihrem Lebensgefährten Oliver Proske, der sich vom Industriedesigner zum fantasievollen Szenografen entwickelt und für „Eggs on Earth“ eine multifunktionale Box voll überraschender Spielebenen entworfen hat. Dies ist die Manege für die sieben traurigen Clowns, deren Realitätsverlust zum Pas de deux mit simplen Haushaltsgeräten oder zum grausamen desinteressierten Betasten der fremden Körper führt. Dass dieses melancholisch-groteske Generations-Porträt ausgerechnet an den Rändern der subventionierten deutschen Theaterlandschaft gezeichnet wird, gehört freilich zu den Paradoxa der Kulturpolitik. Denn obwohl Nico das eigenhändige Schminken ihrer Akteure noch immer als „zärtliche Geste“ beschreibt, funktioniert das aus umkämpften Fördertöpfen gespeiste Ensemble noch heute nach dem Prinzip der Selbstausbeutung. Da wirkt der Aphorismus, dass ein Lächeln am Fuße der Karriereleiter eben zwangsläufig mit dem Verzicht auf den eigenen Aufstieg bezahlt wird, nur noch zynisch. Denn zwischen den Interims-Spielstätten in den Sophiensaelen und dem Bauhaus hätten die Navigatoren ein festes Domizil inzwischen längst verdient. Zumal es hierzulande bekanntlich allzu viele Bühnen-Schiffe gibt, die ziellos auf offener See kreuzen.
…Nico zelebriert ein Theater der Langsamkeit, das von der Kunst der Reduktion lebt….
…Nicht mehr ganz so viel Zeit haben Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie Nico & the Navigators kennen lernen wollen. Ihre Performance „Eggs on Earth“ ist nur noch heute, Dienstag und Mittwoch noch einmal in den sophiensaelen der quirligen Berliner Mitte zu sehen. Nicola Hümpel hat diese kleine Compagnie 1998 am Bauhaus in Dessau gegründet, inzwischen ist sie in Berlin ansässig, „Ich war auch schon mal in Amerika“ hieß das erste, noch in Dessau erarbeitete Stück, danach kam „Lucky Days, Fremder“, und jetzt also „Eggs on Earth“. Und mit dieser erst dritten Produktion überschreitet die Truppe endgültig die Grenze vom Geheimtip zur Szenen-Größe. Um es gleich vorneweg zu sagen: das Beste daran ist der Leichtsinn. Mit dem hatte ich gar nicht gerechnet, weil ich vorher so schrecklich Tiefsinniges darüber gelesen hatte, dass es nämlich – in diesem Stück – um – „das Thema Arbeit geht“… und darum, „was es bedeutet, im 21. Jahrhundert einen Arbeitsplatz zu finden“… und „wie unsere Identität als Produkt des Arbeitslebens aussähe“… und noch mehr Sentenzielles dieser Art. Aber dann ist doch nicht Oskar Negt oder Peter Grottian, sondern Buster Keaton der Doktorvater dieser Theater-Arbeit. Die ist quasi eine Slapstick-Version der „Top Dogs“. Wobei die Männer in ihren korrekten, dennoch unförmigen, deformierenden Anzügen mehr wie Middel oder Low Dogs, eigentlich alle wie kleine Würstchen aussehen. Die beiden Frauen im Team wirken zwar auch mehr fremdbestimmt, als selbstbewusst, trotzdem individueller, widerständischer, oder wenigstens angewidert, wo die Männer nur angepaßt sind. Das ganze Spiel kommt aus einer Kiste. Die ist nicht aus Augsburg, sondern eindeutig aus Dessau. Eine Art Bauhausmöbel: ein verquerer Kubus, aus vielen Rechteck-Modulen zusammengesetzt, der mal blau, mal grau, mal weiß leuchtet und alles Mögliche ist: Kiosk, Kasperlebühne, Kanzel, Schrein. Manchmal sieht man im unteren Teil zwei Paar Beine abgehen, während oben zwei Köpfe herauswachsen. Einmal steht einer oben auf der Kante, er rudert mit den Armen wie ein junger Vogel, der das erste Mal aus dem Nest fliegen will. Er setzt an zum Abflug, beugt sich vor, traut sich dann doch nicht, zieht sich zurück und sucht Halt auf einem Stuhl. Aus den Ritzen zwischen den Kisten-Modulen kommt mal ein Arm, der eine rote Damenhandtasche ergreift. Oder ein Endlos-Fax, das bis in die Zuschauerreihen vordringt. Ein Papierstreifen nur; doch er erscheint irgendwie bedrohlich, und zugleich sehr komisch. Wie alles und jeder an diesem Abend, selbst so harmlose Floskeln wie die Anrede: „Liebes Team, liebe Mitarbeiter, liebe Kollegen“ oder „Das Buffet ist eröffnet“. Ab und zu versucht einer der Mitwirkenden – nachgerade verzweifelt – mit einem Mr. Fock zu telefonieren, was wie eine Zusammenziehung von Fuck und God klingt. Aber das alles kann man sich denken oder auch nicht. Bedeutung drängt sich nicht auf, sondern bleibt immer spielerisches Angebot, von dem man Gebrauch machen kann oder auch nicht: der neue große Weltatlas als Kopfschutz, die tanzende Pfeffermühle, der ausgestopfte Vogel; rote Taschen, weiße Schuhe; und Stühle wie Blitze aus Holz, die sich auf Podesten zusammenstecken lassen zu Reihen und gerade genug Platz lassen, damit Köpfe sich dazwischen setzen, schieben, fallen lassen können. Hören Sie nicht so in Sich hinein, da ist nichts“, sagt das eine zum anderen Angestellten-Klon. Und doch ist hinter jeder dieser Figuren, so wie sie gespielt werden, eine Weltgeschichte verborgen. „Ich will nach oben, wollen Sie auch nach oben“, heißt ein anderer Schlüsselsatz. Wenn „Nico and the Navigators“ so weitermachen, dürfte ihnen auf diesem Weg nichts entgegenstehen. „Eggs on Earth“ wird, ich sagte es schon, heute, am Dienstag und am Mittwoch noch einmal aufgeführt, jeweils um 21 Uhr in den sophiensaelen gleich hinterm Hackeschen Markt in Berlin, Mitte.
…Diesmal widmet man sich mit staunendem Ernst, mit verträumter Verrücktheit, mit grotesker, meist leiser, Komik den Phänomenen der Arbeitswelt… Oliver Proske, der vom Industriedesigner zum Erfinder hinterlistig vielseitiger, verwirrend einfacher Raumlösungen geworden ist, setzt die „Glorious Seven“ im Abenteuerspielplatz Arbeitswelt in ein Büromöbel mit immer wieder neuen Überraschungen, heimtückisch komischen Fallen. Darin bewegen sich die Darsteller wie Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, wie Leute auch auf dem falschen Dampfer zwischen Kafkas surrealen Ängsten und den souveränen Ungeschicklichkeiten der Marx Brothers taumeln sie wie die Schmetterlinge, scheitern bei allem Ernst wie Büro-Don-Quijotes…
„Eier auf Erden“ oder über die Finten, Fallen und Abstürze im modernen Arbeitsalltag Berlin. Der fröhlich hingepfiffene und hingetrampelte Applaus im kaputten Charme der Sophiensaele, gleich um die Ecke vom Hackeschen Markt in Berlins luftig lebendiger Mitte macht deutlich: „Nico and the Navigators“, ein kleines grenzüberschreitendes Ensemble aus unterschiedlichen Disziplinen und Ländern, ist in knapp zwei Jahren zum kultigen Liebling der Off-Szene geworden. Alle um die 30, vom Theater, vom Tanz, aber auch aus dem Designsektor, kamen vom Dessauer Bauhaus zum Gastspiel mit der Behauptung „Ich war auch schon einmal in Amerika“ und blieben mit dem Wunsch „Lucky days, Fremder!“ in Berlin. Jetzt ist man vertraut und befreundet und widmet sich mit staunendem Ernst, mit vertrauter Verrücktheit, mit grotesker, meist leiser, Komik den Phänomenen der Arbeitswelt. Mit einem Titel, den man nicht grüblerisch ernst nehmen soll und kann. Denn Nicola Hümpel, aus Achim Freyers Umgebung längst zu eigener Handschrift gekommen und mit liebenswürdig unauffälliger Bestimmtheit als Haupt der Truppe für Regie, Konzept und Kostüme verantwortlich zeichnend, lässt die Dinge gern auch im Nebel des Nachdenklichen, Geheimnisvollen. „Eggs on Earth“ steht wohl für die perfekte Urform und dafür, dass die schönen einfachen „Eier auf Erden“ da unter Menschen, Arbeitgebern zumal, wohl nur Schaden nehmen können. Keine Angst, dies ist keine ideologisch-aggressive Agitprop-Show. Oliver Proske, der vom Industrie-Designer zum Erfinder hinterlistig vielseitiger, verwirrend einfacher Raumlösungen geworden ist, setzt die „Glorious Seven“ im Abenteuer-Spielplatz Arbeitswelt in ein Büromöbel mit immer wieder neuen Überraschungen, heimtückisch komischen Fallen. Darin bewegen sich Verena Schonlau, Sinta Tamsjadi, Martin Clausen, Lyon Roque, Patric Schott, Lajos Talamonti und der spillrige Julius Weiland wie Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, wie Leute auf dem falschen Dampfer. Zwischen Kafkas surrealen Ängsten und den souveränen Ungeschicklichkeiten der Marx Brothers taumeln sie wie die Schmetterlinge, scheitern bei allem Ernst wie Büro-Don-Quijotes. Aus ihren blauen, altmodischen Business-Anzügen, mit roten Krawatten und roten Aktenköfferchen, schauen sie erstaunt, verblüfft und immer etwas verwirrt aus der Erfolgs-Wäsche, die ihnen kein Glück bringt. „Herr Fock“, der große, mächtige Unbekannte, ist für sie nicht erreichbar. „Ihr Vorgang wird bearbeitet“ hallt es anonym und beängstigend aus dem Off. „Ich würde gern weltweit expandieren“ wünscht sich die ehrgeizige Geschäftsfrau in spe. Aber „Wann werde ich Vater?“ hat sich ein Business-Nachwuchs auf den Waschbrettbauch geschrieben und kommt damit wohl zum Thema: dass es ja neben, vor, hinter, außer der „Arbeit“ auch noch ein „Leben“ geben muss, und das man das alles unter einen individuellen Hut bringen können müsste. Zwischen dem „Abenteuer Leben“ und der buchhalterischen Errechnung und Ausfüllung von Lebenszeit muss es doch eine Lösung geben. Die zeigen die Nico-Navigators, da sie ziemlich klug und bescheiden sind, natürlich nicht auf. Aber sie schippern zwischen allerlei Ritualen und Gefährdungen, zwischen geheimnisvoller Rätselwelt und Alltagsvorgaben wie unschuldig fantasievolle Kinder hindurch: gefährdet, aber doch entschieden, sich die nachdenkliche Träumerei als Lebens-Leitschnur nicht kappen zu lassen. Dafür werden sie wie abenteuerkühne, unternehmungslustige Freunde heiter und nachdenklich und begeistert zugleich gefeiert.
…Eggs on Earth, ein bildnerisches Werk, aufeinander geschichtet wie eine Reihe kurzer, spartanischer und extravaganter Dialoge, sehr dicht am menschlichen Marionettentheater, von tiefer poetischer Kraft und absolut frei von scheinbarem Erzählen und Bedeutungen. Es sind ein anderthalb Stunden lang lebendige, vor einer Klangwand aufgebaute Gemälde, die den Zuschauer auf die Ebene genussvoller und vergnüglicher, plastischer Höhepunkte emporhebt…
Figuren begeben sich auf die Suche nach ihrem Urheber, einem gewissen Mr. Fock – ein klangliches Zusammenspiel aus fuck (vögeln) und God (Gott) , der, so scheint es jedenfalls, das Regiment führt, der Präsident des Unternehmens, von dem alles abhängt. Von da an verflechtet kein anderer Erzählstrang das ein einviertel Stunde lang dauernde Stück Eggs on Earth, das Nico and the Navigators im kleinen und experimentellen Saal B des Teatro Central in Sevilla am Freitag und Samstag aufführte. Mehr Erzählen brauchte es nicht, denn Nico and the Navigators legen mehr Wert darauf, eine Erfahrung wiederzugeben, Surreales und Verdecktes auszukund-schaften, als eine Bedeutung zu schaffen. Das außerdem bereits im Alhambra - Saal in Granada aufgeführte Stück Eggs on Earth besteht aus einer Reihe besonders kinetischer und außerordentlich poetischer Drucke und Gemälde, die von großen Gesten leben, davon, ein neuer Hybrid zu sein zwischen theatralischer und tänzerischer Darstellung, von der richtigen Priese Akrobatik, von plastischer Architektur und einem äußerst raffinierten, erlesenen und eklektischen Klanghintergrund – mit Musik von Janis Joplin bis Rachmaninow- woraus nach und nach Eindrücke erwachsen und Angstzustände sowie Lachen im Kontext dessen hervorgerufen werden, was den gordischen Knoten der Aufführung bildet: Irrsinn, unpersönliche und den Arbeiter verdinglichende Bedingungen sowie Kommunikationsmangel innerhalb eines Arbeiterdaseins, das die Schauspieler ohne Umschweife zum Ausdruck bringen. Dem Zuschauer treten sie mit eindrucksvoller Gestik und Isolierung entgegen. Solche Alibis können auch überflüssig sein, wie wir glücklicherweise im Central in Sevilla erleben konnten. Eggs on Earth kann mit seinen großen Auf und Abs zwischen Wunderbarem und Versagen wie ein Großteil des modernen Theaters einfach konsumiert werden. So, als setze man sich einen Schuss in ein wunderbar, plastisches Weltübungsmodell oder wie ein kulturelles Gerät, an dem man Einflüsse von Breton oder Artaud erfährt – mit lehrhaft surrealistischen Texten – bis hin zu den unermesslichen Jacques Tati oder Pina Bausch. Alles ist sehr postmodern, auf die Verbildlichung einer abscheulichen und aus den Fugen geratenen Welt ausgerichtet. Poetische Kraft Eggs on Earth, ein bildnerisches Werk, aufeinander geschichtet wie eine Reihe kurzer, spartanischer und extravaganter Dialoge, sehr dicht am menschlichen Marionettentheater, von tiefer poetischer Kraft und absolut frei von scheinbarem Erzählen und Bedeutungen. Es sind ein anderthalb Stunden lang lebendige, vor einer Klangwand aufgebaute Gemälde, die den Zuschauer auf die Ebene genussvoller und vergnüglicher, plastischer Höhepunkte emporhebt. Allein das unheilvolle Auflauern eines Mr. Fock, der ähnlich wie Gott nervt, unterbricht dies, ohne jemals anwesend zu sein, und den zu suchen sich als absolut zwecklos erweist, was sich als Mc Guffin des Stückes darstellt. Mit Aufführungen wie dieser verschreibt sich das Teatro Central erneut gelungener und glänzender Aktualität des besten, intuitiven und kosmopolitischen europäischen Theaters der Gegenwart.
…Unter dem Titel „Eggs on Earth“ (Eier auf der Erde), präsentieren Nico & the Navigators das zweite Stück ihres Triptychons „Menschenbilder“, das zwischenmenschliche Kommunikationsprobleme thematisiert. Sein brennendes und aktuelles Thema ist das Drama der Arbeitsverhältnisse: der Unternehmer, der Arbeiter, die Produktion und der Produzent, berufliche Verfremdung. Aber sie werden durch ein surreales, bitterkomisches Prisma betrachtet, das an die genialen Arbeiten der großen amerikanischen Stummfilmkomiker erinnert. Etwas mehr als ein Vorschlag: ein Muss!…
Das Teatro Central bietet weiterhin ein zunehmend anspruchsvolles Programm, in dem die kühnsten Neuheiten der ganzen Welt mit einbezogen werden. Damit kommt es dem Wunsch nach, dem strengsten, an den neuesten Tendenzen interessierten Publikum interessante europäische Produktionen zu zeigen. Dieses strikte Kriterium bestätigte sich am Freiteg zusammen mit dem beharrlichen Bestreben, die erwünschten Ziele zu erreichen, in dem die verschiedensten Schwierigkeiten überwunden werden. In der spanischen Uraufführung wurde das originelle Berliner Ensemble Nico & the Navigators, von Nicola Hümpel, präsentiert, das aus einer heterogenen Gruppe von Interpreten zusammengesetzt ist – es gibt nicht nur Musik und Tänzer, sondern auch Architekten, Designern und sogar Bildhauer, die eine überraschende, hauptsächlich visuelle Darbietung entwickelten (weshalb der spanische Zuschauer nicht von der Sprachbarriere eingeschränkt wird). Ihr reduzierter deutscher Text ist in Untertiteln zu lesen. Unter dem Titel „Eggs on Earth“ (Eier auf der Erde), präsentieren Nico & the Navigators das zweite Stück ihres Triptychons „Menschenbilder“, das zwischenmenschliche Kommunikationsprobleme thematisiert. Sein brennendes und aktuelles Thema ist das Drama der Arbeitsverhältnisse: der Unternehmer, der Arbeiter, die Produktion und der Produzent, berufliche Verfremdung. Aber sie werden durch ein surreales, bitterkomisches Prisma betrachtet, das an die genialen Arbeiten der großen amerikanischen Stummfilmkomiker erinnert. Etwas mehr als ein Vorschlag: ein Muss!
…Zu den theatralischen Figuren fügt sich eine scheinbar inhaltliche Leere, das Weglassen eines roten Fadens sowie alles zum Erstarren bringende kalte zwischenmenschliche Beziehungen. Doch sie werden durch Nicos Darsteller lebendig, um uns zu sagen, dass es eine andere Art von Theater gibt…
Das ist etwas neues auf Granadas Bühnen. Etwas anderes als die üblichen Schauspiele und die so oft bis zum Überdruss wiederholte Mittelmäßigkeit. Auch wenn dieser Eiszapfen türkisfarbenes Spiel mit Eisbergen, summender Gletscherkälte zielloser Menschen ist. Perfekte Schauspieler im Dienste der Bedachtsamkeit und Widersinnigkeit. Blanke Hässlichkeit auf den Gesichtern im abstrakten Umfeld eines Büros oder einer Straße oder einem Ort, an dem es weder ein Tastenfeld eine Schreibmaschine noch Verständigung gibt. Alles ist kalkuliert kalt, mit bereinigenden Geraden gezeichnet, als handele es sich um einer Vierergruppe aus Stühlen oder sinnlosen Gegenständen. Allenfalls finden sich Kurven in den Ecken einer Kiste oder in einem verführerischen Blick. Es handelt sich um Theater, bei dem man sich aufgrund seiner überraschend aufeinander folgenden Szenen treiben lassen kann, um dann Trostlosigkeit als Gefährtin unserer Ungewissheit anzuerkennen. In ihm stecken angedeuteter Tanz und einem Hauch von altmodischer Mime. In seinem Inneren pulsieren Gedanken zu all den abgenutzten Dingen, die unsere Welt bevölkern. Das sind Bücher, die als Schutz dienen und Redewendungen, an denen unsere Sprache erstickt. Solches Theater befindet sich jenseits von Gut und Böse und in dieser Besonderheit liegt sein Wert... Zu den theatralischen Figuren fügt sich eine scheinbar inhaltliche Leere, das Weglassen eines roten Fadens sowie alles zum Erstarren bringende kalte zwischenmenschliche Beziehungen. Doch sie werden durch Nicos Darsteller lebendig, um uns zu sagen, dass es eine andere Art von Theater gibt, ein aus dem Norden kommendes, das uns aus unserer faulen Siesta, an der wir hier im Süden leiden, wachrüttelt.
…Ist es zu spät, um früh anzufangen?“ Ratlos fragt sich das ein junger Mann… Wie auf rohen Eiern bewegen sich die Darsteller, auf und vor einer himmelblauen Multifunktionsbox (Bühnenbild: Oliver Proske). Businessanzüge, verkrampftes Grinsen, korrektes Benehmen – der langsame Eiertanz zu leiser Musik verrutscht immer wieder ins Groteske und in die (Körper-) Schräglage…
Das Berliner Theater Nico and the Navigators spielte „Eggs on Earth“ in der Muffathalle Ist es zu spät, um früh anzufangen?“ Ratlos fragt sich das ein junger Mann. Ein anderer versucht immer wieder, am Telefon zu einem Dr. Fock durchzudringen, der sich verleugnen lässt. Sieben Personen, nur von der Taille abwärts sichtbar, defilieren an einer Schuhputzmaschine vorbei – man muss proper aussehen bei der Jobsuche. Verhaltensrituale und Phänomene der Arbeitswelt zeigt die Performance „Eggs on Earth“, mit der Nico and the Navigators aus Berlin in der Muffathalle gastierten. Die 1998 am Bauhaus Dessau gegründete Theatertruppe um Regisseurin Nicola Hümpel hat bereits internationales Renommé und war beim letzten Spiel-Art-Festival in München mit „Lucky Days, fremder“ und „Lilli in putgarden“ zu sehen. Beide Aufführungen bilden mit „Eggs on Earth“ die Trilogie „Menschenbilder“, ein skurriles Society-Panorama. Wie auf rohen Eiern bewegen sich die Darstellerin, auf und vor einer himmelblauen Multifunktionsbox (Bühnenbild: Oliver Proske). Businessanzüge, verkrampftes Grinsen, korrektes Benehmen – der langsame Eiertanz zu leiser Musik verrutscht immer wieder ins Groteske und in die (Körper-) Schräglage. Wenn Julius Weiland – ein jüngerer Bruder Buster Keatons – auf dem Dach Anlauf nimmt, weiß man nicht, ob er fliegen oder springen will. Schließlich macht er es sich auf einem Stuhl in der Luft bequem. „Ich will nach oben. Wollen Sie auch nach oben?“ Trotz dieses Credos klemmen Köpfe zwischen Stühlen wie auf der Guillotine. Surreale Slapsticks, verträumte Bilderrätsel, verrückte Perspektiven, Gegenstände und Körper, die sich selbständig machen: Nico and the Navigators erfindn eine wundersame, melancholisch-komische Welt.
…In Eggs on Earthkönnten Nicos Navigatoren die Vorgesetzten und Angestellten irgendeines multinationalen Konzerns sein. Ihr Boss, der unerreichbare Fock, ist dort oben damit beschäftigt an den Wolken der Geschäftswelt zu kratzen. Bevor sie auf die Bühne kommen geben sie eine erste Lehrstunde über korrektes Firmenbenehmen in einem ironisch vorgetragenem Tanzgebet bei dem die Turnschuhe blank gewienert werden…
In der Konditorei ist das Säuerliche zwischen dem Sauren und dem Süßen angesiedelt, das die Zungenspitze kitzelt und wie ein schneidend scharf polierter Edelstein im Mund endet. Die jungen Berliner von Nico and the Navigators machen ein Theater lecker wie saure Drops. Ihre Personen sind mit dem Filzstift koloriert und lösen den Zucker eines maßlosen guten Willens in den sauren Randbemerkungen eines trostlosen Alltags auf, um die wertvollen kleinen Steinchen herauszufiltern. In Eggs on Earth (wörtlich: Eier auf Erden) könnten Nicos Navigatoren die Vorgesetzten und Angestellten irgendeines multinationalen Konzerns sein. Ihr Boss, der unerreichbare Fock (Unschlüssigkeit zwischen dem beleidigenden fuck und dem beunruhigenden doc) ist dort oben damit beschäftigt an den Wolken der Geschäftswelt zu kratzen. Bevor sie auf die Bühne kommen geben sie eine erste Lehrstunde über korrektes Firmenbenehmen in einem ironisch vorgetragenem Tanzgebet bei dem die Turnschuhe blank gewiehnert werden. Spannungsmomente In Deutschland symbolisiert der Eiertanz die Unentschlossenheit. Die 5 Jungen und 2 Mädchen stammeln in köstlichem Französisch, wenn sie nicht gerade schweigen, und heben sich die Schreie für die Dachterrasse ihres Büros auf. Manchmal brechen sie (hinter der Bühne) in ein wahnsinniges Lachen aus, das nicht zu versiegen scheint. Sie sind Spezialisten für Spannungsmomente. Der da, der auf dem Dach steht, würde gern wegfliegen: er wird springen, er wird nicht springen ? Über dem Nichts sitzend, bleibt er auf mysteriöse Weise im Gleichgewicht. Um würdig die Haltung zu bewahren werden sie so steif wie ihre Krawatten oder ihre Frisuren. Nicola Hümpel (Konzeption, Regie und Kostüme) und Oliver Proske (Bühnenbild) sind entfernte Neffen von Pina Bausch (der Zustand), von Kraftwerk (die Hoffnungslosigkeit) und von Charles Schulz (die Situation). Sie hüllen sich in die Musik ein als wäre sie das Dekor und choreographieren ihre kleinen tragikomischen Sätze, die dann tiefgefroren verteilt werden: « Il est trop tard pour commencer tôt » / « Es ist zu spät um früh anzufangen » (süß); « Au fond de mon cœur j’accepte la variété de ma vie de tous les jours » (sauer) / « Im Grunde meines Herzens akzeptiere ich meinen abwechslungsreichen Alltag »; « Je veux monter au top » / « Ich will nach oben » (süß) ; « La technique s’apprend, mais quant au talent, on l’a ou on ne l’a pas » / « Die Technik kann man lernen, das Talent muß man allerdings von zu Hause mitbringen » (sauer). Sie haben gut lachen, da sie beides besitzen.
…Die Übung erfolgt aus einer totalen Bewegungslosigkeit der Schauspieler, um dann stummes Spiel und Gesten so subtilen wie ergiebigen und abgerundeten Ausdrucks zu verwirklichen. All das geschieht in einem langsamen Tempo, einem vehementen „pianissimo“, das den Zuschauer bedrückt und ihn mit der inneren Unruhe ansteckt, unter denen die fiktiven Personen leiden…
Der Führung des Teatro Central gebührt der Dank der Kunstfreunde, welche die jüngsten experimentellen Produktionen des fortschrittlichsten europäischen Theaters sehen wollen, denn es hat das Berliner Ensemble Nico and the Navigators auf seine Bühne gebracht. Dieses Stück übertrifft nämlich unter dem für mich unverständlichen Titel Eggs on Earth die Neugier der Neugierigsten, da es die innere Unruhe, den Kampf, die Enttäuschung, den Kummer und die Schutzlosigkeit des Arbeiters in der derzeitigen westlichen Welt thematisiert, vom höchsten Angestellten bis zum bescheidensten Büroangestellten. Und diese unmenschliche und unsoziale Leblosigkeit drückt es pantomimisch aus. Unsterbliche Klassiker der Musikgeschichte im Hintergrund unterstützen das ganze. Die Übung erfolgt aus einer totalen Bewegungslosigkeit der Schauspieler, um dann stummes Spiel und Gesten so subtilen wie ergiebigen und abgerundeten Ausdrucks zu verwirklichen. All das geschieht in einem langsamen Tempo, einem vehementen „pianissimo“, das den Zuschauer bedrückt und ihn mit der inneren Unruhe ansteckt, unter denen die fiktiven Personen leiden. Visuelles Theater Die vielversprechende Nicola Hümpel, von der wir noch weitere überzeugende Lebenseinblicke erwarten, sieht in diesem Stück eher Theatertanz als Tanztheater, da die Choreographie - authentische Choreographie -, durch die die Bewegung der Interpreten auf der Bühne in Gang gesetzt wird, Skizzen und „Ticks“ verschiedener Tendenzen des modernen Tanzes beinhaltet. Aber es nähert sich doch mehr dem Theater an, da es insbesondere auf Ausdruck durch Gesten achtet, wodurch in den Gesichtern der Schauspieler unbestreitbar Symbolik zu erkennen ist. Stilles Orchester Jeder Interpret ist in diesem stillen Orchester wie ein Instrument; ein außergewöhnlich gut auf den Wohlklang des gesamten Orchesters abgestimmtes Instrument. Es prunkt mit beispielhafter - weshalb auch nicht – deutscher Disziplin und mit künstlerischer Adaption, um mit unverschämte traumhafter und surrealer Ästhetik eine so betrübende wie anregende Aufführung zu schaffen, in der die Besetzung ausgezeichnete körperliche und schauspielerische Ausbildung zeigt.
…ein wahrhaft würdiger Abschluss für ein Theaterfest wie die „Impulse“…
...Es waren die Details, die diesem Beitrag auf unerhört minimalistischem Niveau zu dichtester Aussage verhalfen. Details von der ausgezeichneten Tonspur bis zur Requisite, deren Wandlungsfähigkeit das Reduktionsprinzip der Performance auf die Spitze trieb. Eine Reduktion, die eben durch das gnadenlose Eindampfen ihrer Figuren auf das Wesentliche eine grandiose Assoziationsflut auslöste – ein wahrhaft würdiger Abschluss für ein Theaterfest wie die „Impulse“...
…An der Schnittstelle von Design und Bewusstsein beobachten sie ihre eigene Generation, die ihre existenzielle Verunsicherung durch demonstrative Selbstinszenierung kaschiert. Dass all diese überzeichneten Porträts mit dem nötigen Ernst, aber auch mit einer souveränen Heiterkeit präsentiert werden, lässt sie endgültig zur Ausnahmeerscheinung unter all den flügelschlagenden Aufregern in ihrer Nachbarschaft werden…
Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Epoche der Internet-Suchmaschinen und elektronischen Routenplaner auf die Bühne durchschlagen würde. Auch die Wahrscheinlichkeit, das dieser Impuls eher aus der frei flottierenden Szene als aus den fest verankerten Stadttheatern kommen könnte, schien verhältnismäßig hoch. Doch dass sich ein Ensemble gleich demonstrativ „Nico and the Navigators“ nennen und diesen Namen dann zum Programm für eine Raumvermessung mit scheinbar konservativen Koordinaten erheben würde, war beim besten Willen nicht absehbar. Seit ihrem Debüt aber ist eben diese unverhoffte Gruppe um die studierte Architektin Nicola Hümpel ganz selbstverständlich und außerordentlich erfolgreich präsent. Dem Bauhaus Dessau, wo nach dem Vorläufer „DenkVorGang“ 1998 auch der eigentliche Erstling „Ich war auch schon mal in Amerika“ aus der Taufe gehoben wurde, bescheren sie mittlerweile den einzigen konstanten Aktivposten auf der ansonsten dahinsiechenden Schlemmer-Bühne. Und den Berliner Sophiensaelen, wo sie spätestens im vergangenen Jahr mit „Lucky Days, Fremder“ heimisch wurden, sicherte ihre aktuelle Produktion „Eggs on Earth“ neben ausverkauften Vorstellungen jüngst auch die Teilnahme am Freischärler-Festival „Impulse“. Da nimmt es kaum wunder, dass sich die 1967 in Lübeck geborene Nicola Hümpel vielen Begehrlichkeiten ausgesetzt sieht und neben Loyalitätsbekundungen inzwischen auch diverse Dementi in ihrem Repertoire führt. Namentlich den zumindest räumlich nahe liegenden Vergleich mit Sasha Waltz and Friends wehrt sie gerade darum ab, weil sie deren dramaturgischen Mastermind Jochen Sandig auch nach dem Wechsel der Compagnie in die Schaubühne noch immer zu ihren Freunden und Förderern zählen kann. Die Ursache für solche auf dem feuilletonistischen Mittelweg daherhinkenden Vergleiche liefert Hümpels Bildertheater, das seine suggestive Kraft auch der funktionalen Ästhetik von Oliver Proskes Bühnenbildern verdankt, wegen seiner Inkompatibilität freilich selbst. Denn mit Hilfe einer eigentümlichen Arbeitsmethode, die Außenstehenden wie eine Mischung aus therapeutischer Selbsterfahrungsgruppe und assoziativer Weltaneignung erscheinen mag, kreieren Nico und ihre Navigatoren schwer beschreibbare Szenenfolgen, deren unaufgeregtem Charme man sich kaum entziehen kann. An der Schnittstelle von Design und Bewusstsein beobachten sie ihre eigene Generation, die ihre existenzielle Verunsicherung durch demonstrative Selbstinszenierung kaschiert. Dass all diese überzeichneten Porträts mit dem nötigen Ernst, aber auch mit einer souveränen Heiterkeit präsentiert werden, lässt sie endgültig zur Ausnahmeerscheinung unter all den flügelschlagenden Aufregern in ihrer Nachbarschaft werden. Die Kehrseite dieser Sorgfalt liegt allerdings in vergleichsweise weitläufigen Produktions-Intervallen, die ein besonderes Maß an Disziplin und Selbstausbeutung erfordern. Da Nicos Navigatoren den Slow-Motion-Rhythmus ihrer Aufführungen auch bei deren Erarbeitung praktizieren, müssen sie sich auf dem schnelllebigen Markt der Novitäten alljährlich neu etablieren. Ein Ausweg aus dieser Misere, die von allen Beteiligten mit Nebenjobs kompensiert wird, wäre eine kontinuierliche Förderung du die Verbesserung der bislang unbefriedigenden Probensituation. Der Impuls der „Impulse“ könnte auf diesem Weg genauso hilfreich sein wie die zunehmende Medienpräsenz, die das Ensemble demnächst auch durch eine erste eigene Filmproduktion stäken möchte. Doch bei der Seriosität ihres Anspruchs ist auch hier kein schneller Sprint zum nächstbesten Ziel zu erwarten: Nico and the Navigators, deren Name so passgenau seinen Platz in einer Pop-Kultur zu behaupten scheint, werden wohl auch weiterhin den nächsten, wohl überlegten Schritt einem unbedachten Sprung in die launischen Hitparaden vorziehen.
…Aus ihrer multi-variablen Würfel-Box, die Oliver Proske raffiniert als eleganten Baukasten konstruierte, kommen die sieben Darsteller heraus: akkurat und korrekt gekleidete Büromenschen, die die Rituale der Arbeitswelt verinnerlicht haben und sie nun veräußern… Egal, ob wir es nun Tanztheater, Performance oder surrealen Slapstick nennen. Das Bühnen-Bild-Polaroid ist eine exzellente Alltags-Belichtung. Mechanik trifft auf Psychologie. Dies wird wieder ein glücklicher Tag gewesen sein!…
Das „Impulse“-Festival der Off-Theater begann mit „Eggs on Earth!“ von „Nico and the Navigators“ aus Berlin Der Mensch trägt schwer – an seiner Aktentasche: dem Sisyphos-Stein im Angestellten-Hades, in den uns „Nico and the Navigators“ hineinlotsen, wenn sie „Eggs on Earth!“ ins Rollen bringen. Beim Auftakt des „Impulse“-Festivals im JuTA sieht man zunächst nur die halbe Person – die untere Hälfte mit Beinen in Rock oder Hose und Schuhen, die es braucht, um die Poesie einer Schuhputzmaschine in Gang zu setzen. Aus ihrer multi-variablen Würfel-Box, die Oliver Proske raffiniert als eleganten Baukasten konstruierte, kommen die sieben Darsteller heraus: akkurat und korrekt gekleidete Büromenschen, die die Rituale der Arbeitswelt verinnerlicht haben und sie nun veräußern. Ein Spiel mit Haltungen, Zuständen, Zwängen, Problem-Stellungen, Frei-Übungen und Ver-Störungen: meditativ, minimalistisch, schwerelos, reduziert und verlangsamt. So, als habe ein unprätentiöser Bob Wilson das Tempo vorgegeben und Achim Freyer die Szene entworfen. Eine Sekretärin blättert in Papieren; jemand erbittet seinen Termin; ein Jüngling mit aufstrebendem Haar räkelt sich ästhetisch in einem Stuhl. Anzugträger hängen in der Luft. Köpfe klemmen zwischen Stühlen. Die Ordnung der Dinge und der Gebrauchs-Gegenstände verschiebt sich um einen kleinen, indes entscheidenden Tic. Es ist quasi ein Amoklauf in Zeitlupe, sprachlich sehr sparsam, artifiziell ausbalanciert, schön bunt ausgeschmückt und um eine permanente Tonspur bereichert. Wie zum Tanztee wird aufgespielt, es plinkert und singt klassisch, Chopin und der „Valse triste“ trauern, die Beatles beklagen „Eleonor Rigby“, Maschinen stanzen und knattern; es stellt sich die „Unanswered Question“. Nicola Hümpels Notizen aus der Wirklichkeit speichern und spulen ab: Floskeln des Management-, Werbe- und Kommunikations-Jargons, Standardformeln wie „Ihr Vorgang wird bearbeitet“, vorgedruckte Lebensläufe, Präsentations-Programme. Das brillante Ensemble skizziert Untergebene, Untergeher, Aufsteiger, Aussitzer, Versager, Workaholics und Spezialisten. Man meint, es würde ein sanft-weiches, komisches Requiem in einem verwunschenen Märchenland oder einer Spielzeugwelt aufgeführt, in der Karriere-Kinder in arglosem, staunendem Schrecken spielen Egal, ob wir es nun Tanztheater, Performance oder surrealen Slapstick nennen. Das Bühnen-Bild-Polaroid ist eine exzellente Alltags-Belichtung. Mechanik trifft auf Psychologie. Dies wird wieder ein glücklicher Tag gewesen sein!
…Die Bewegungen der Figuren, gleichgültig, ob sie sich hinsetzen oder ihre Mundwinkel verziehen, sind alle zeitlich präzise aufeinander abgestimmt. Die Personnage wird zum Teil des Bühnenbildes, das sich langsam und rätselhaft verwandelt, bis es in einer aussagekräftigen Komposition für einen Schnappschuss gefriert… Eine traumhafte Inszenierung, die der Zuschauer nicht so schnell vergessen kann…
Nico and the Navigators faszinieren mit „Eggs on Earth“ in Dessau Dessau/MZ. Zeig’ mir, wie du deine Schuhe reinigst, und ich sag’ dir, ob du für die Arbeitswelt geschaffen bist. Nach diesem Credo stellt Nicola Hümpel die jungen Männer und Damen erstmal von der Hüfte abwärts vor, lässt sie durch einen halb geöffneten Container laufen und die erste Prüfstelle auf ihrer Karriere passieren: Eine Schuhputzmaschine. Dann schwärmen sie in ganzer Gestalt aus einem Behältnis ins Blaue hinaus, junge Leute, mehr oder weniger der Garderobenvorschrift der Geschäftsklasse entsprechend, konzentriert nach vorne stierend: „Nico and the Navigators“ choreographieren in „Eggs on Earth“ Lebenswege um einen großen Bürowürfel herum: der ist mit Luken, Schiebetüren, Ein- und Ausgängen, Auf- und Abgängen ausgestattet, die sich plötzlich auftun oder verschließen, für Unwägbarkeiten sorgen, an deren Überwindung Gewinnertypen leicht erkennbar werden. Das alles wird mechanisch kommentiert mit wenigen, sich wiederholenden Floskelfetzen aus Bewerbungsgesprächen, Selbstinstruktionen und Telefonanrufen. Wer kommt am Vorzimmer des ominösen, unerreichbaren Mr. Fog vorbei? Geduld, ihr Vorgang wird bearbeitet, heißt es. Siegerposen werden schon mal geübt oder Haltung bei ersten Eignungstests bewahrt. Wer wird denn bei sexueller Belästigung gleich weinen? Dem einen ist das Ganze zu viel, er kurbelt verträumt an einer Pfeffermühle und sich selber in Embrionalstellung zurück. Oder er zurrt die Krawatte wie einen Strick fest um den Hals. Wer sich eine Blöße gibt - seine Bauchhaare verspielt zu Löckchen dreht – wird vom Company-Commander gleich zurückgepfiffen. Die Firma als Über-Ich. Die Bewegungen der Figuren, gleichgültig, ob sie sich hinsetzen oder ihre Mundwinkel verziehen, sind alle zeitlich präzise aufeinander abgestimmt. Die Personnage wird zum Teil des Bühnenbildes, das sich langsam und rätselhaft verwandelt, bis es in einer aussagekräftigen Komposition für einen Schnappschuss gefriert. Einzigartig sind die Charaktere, die ununterbrochen bei Musik, von Walzer bis Rock, melancholisch und irgendwie heiter Mr. Fog entgegen wanken. Eine traumhafte Inszenierung, die der Zuschauer nicht so schnell vergessen kann. Auch nicht will: Viele Dessauer machten sich am Freitag auf, um sie ein zweites Mal zu erleben.
…Diesmal bannen nicht nur die tausend famosen Möglichkeiten, die das konstruktivistische Nähkastenbühnenbild von Oliver Proske bietet – diesmal werden aus Bildern Szenen aus dem Spiel wird beinnahe Tanz. Die Szenen abstrahieren verschiedene Stufen der Anpassungen: Demütigung, Unterwerfung, Deformation, Abhängigkeit, Mißbrauch. Die Objekte, mit denen die Akteure kämpfen, sind verdinglichte Widerstände, die die Produktionsverhältnisse dem Glück entgegensetzen wie einst bei Harold Lloyd, Keaton oder Chaplin. Doch wie bei diesen hebt die Kunst die Trostlosigkeit der Angestelltenwelt in etwas Höherem auf. Alle Statik und Schwere schwindet, die Sophiensaele scheinen zu schweben.
Die allererste Figur, auf die man früher im Lehrbuch „Learning English“ für die fünfte Klasse stieß, hieß „Mr. Fog“. Knapp 30 Jahre später sind wir in „Eggs on Earth“ dem Nebelmenschen wieder begegnet. Als Herr Fock/Mr. Fog ist er in Nicola Hümpels Inszenierung das große Telefonphantom, zu dem die sieben Figuren immer wieder durchgestellt werden wollen – vergeblich, denn im Jugendkult des Kommunikationskapitalismus gilt: „Es ist zu spät, um früh anzufangen“. Nach den eher intimen Situationen, die Nico and the Navigators in „Lucky days, Fremder!“ durchdeklinierten, haben sie sich diesmal der deformierenden Arbeitswelt angenommen. Die Schritte vom Privaten ins Gesellschaftliche sind der am Dessauer Bauhaus gegründeten Truppe gut bekommen: Früher bewahrheiteten sich in verkrampfter belangloser Hübschheit oft die Schrecken, die hinter dem Wort „Bildertheater“ lauern. Diesmal bannen nicht nur die 1000 famosen Möglichkeiten, die das konstruktivistische Nähkastenbühnenbild von Oliver Proske bietet – diesmal werden aus Bildern auch Szenen, aus dem Spiel wird beinahe Tanz. Die Szenen abstrahieren verschiedene Stufen der Anpassung: Demütigung, Unterwerfung, Deformation, Abhängigkeit, Missbrauch. Die Objekte, mit denen die Akteure kämpfen, sind verdinglichte Widerstände, die die Produktionsverhältnisse dem Glück entgegensetzen – wie einst bei Harold Lloyd, Keaton oder Chaplin. Doch wie bei diesen hebt die Kunst die Trostlosigkeit der Angestelltenwelt in etwas Höherem auf: Alle Statik und Schwere schwindet, die Sophiensaele scheinen zu schweben.
…Nicola Hümpels Figuren sind in ihrer Erscheinung groteske Typen, die sich mit einer Choreografie aus einfachen Gesten, die durch Übertreibung, Zeitlupe und Wiederholung manipuliert werden, stetig ins Komödiantische steigern. Wie andere große Meister des Genres, Charlie Chaplin und Buster Keaton, tragen die Schauspieler ernste Gesichter…
Nico and the Navigators gehören zu den Vertretern der zweiten Sophiensaele-Generation... Die Bühne ist eine multifunktionale Installation, ein Zauberkasten, aus dem mit visuell eindrucksvollem Humor diverse akrobatische und szenische Überraschungen hervorgezaubert werden. Nicola Hümpels Figuren sind in ihrer Erscheinung groteske Typen, die sich mit einer Choreografie aus einfachen, durch Übertreibung, Zeitlupe und Wiederholung manipulierten Gesten stetig ins Komödiantische steigern. Wie andere große Meister des Genres, Charlie Chaplin und Buster Keaton, tragen die Schauspieler ernste Gesichter.
Nicola Hümpel hat ihre Truppe vor vier Jahren am Bauhaus in Dessau gegründet. Seitdem hat sie sich mit ein paar sehr bildstarken Stücken in die erste Liga der freien Gruppen gespielt…Variationen über das Thema „Modern Times 2000“, die ihre körpersprachliche Verwandtschaft mit den Antihelden des Modernisierungsschubes der 20er -und 30er-Jahren , mit Buster Keaton und Charly Chaplin deutlich spüren lassen.
Walzer mit der Pfeffermühle: Nicola Hümpel lässt „Nico and the Navigators“ die Modernisierungsverlierer tanzen Schmale Jungs mit breiten Krawatten oder übergroßen Hemdkragen. Sie machen merkwürdige Verrenkungen, manchmal tanzartige Bewegungen und stellen Fragen wie: „Ist es zu spät, um früh anzufangen?“ Die jungen Männer und auch die Frauen, die bald dazukommen, sind traurige Gestalten. Trotzdem sehen sie alle sehr modisch aus. Verbreiten eine ähnlich hippe Atmosphäre wie Leute in Werbefilmen für Internetdienste und Telekommunikation. Die Blautöne der Klamotten sind sorgfältig aufeinander abgestimmt. Auch die schräg komponierten Rottöne eines spießigen Damenkostüms gehorchen der modischen Trash-Ästhetik, die bekanntlich die Kollektionen von Gucci und Prada bestimmt. Aber so müssen Leute heutzutage eben aussehen, um nicht als Modernisierungsverlierer zu gelten. Und darum geht es in „Eggs on Earth“, dem neuen Stück von „Nico and the Navigators“, das seit Anfang Juni in den Sophiensaelen zu sehen ist. „Was bedeutet es, im angehenden 21. Jahrhundert einen Arbeitsplatz zu bekommen oder zu verlieren?“, fragt einer gleich zu Beginn. Und dann sehen wir in den nächsten eineinhalb Stunden, was das bedeuten kann: nämlich dass sich sieben ziemlich attraktive junge Menschen in recht absurden Gesten abstrampeln, immer am Rand des Abgrunds. Oder am Fuß der Karriereleiter. Mal trägt einer einen Z-förmigen Stuhl über die Bühne, um ihn irgendwo aufzupflanzen, sich draufzusetzen und ins Leere zu starren. Mal wird ein roter Koffer durch die Gegend getragen. Ein Mann greift einer Frau an die Brust, die das stoisch über sich ergehen lässt. Später geht sie dafür einem Mann an die Hose. Pardon wird nicht gegeben. Ein Mann tanzt einen Walzer mit einer Pfeffermühle. Ein Paar trögt aufgeklappt den „Neuen Weltatlas“ auf den Köpfen, als sei es eine Trachtenhaube: ein hübsches Bild für die Globalisierung. Alles fast ohne Worte, dafür mit viel Musik, die eine Bandbreite von Chopin bis zu den Beatles, maria Callas und Janis Joplin hat. Manchmal allerdings hört man bloß die Geräusche heißlaufender Motoren völlig antiquierter Hausgeräte. Nicola Hümpel hat ihre Truppe vor vier Jahren am Bauhaus in Dessau gegründet. Seitdem hat sie sich mit ein paar sehr bilderstarken Stücken in die erste Liga der freien Gruppen gespielt. Anfang des Jahres war in Berlin ihr Stück „Lucky days, Fremder“ zu sehen. Auch da wurden die verschiedensten Ausdrucksformen zu einer sehr konzentrierten Aufführung gesampelt: Elemente aus Video, Tanz, Performance, Musik und Theater. Das neue Stück nun geht sparsamer mit all den Versatzstücken um. Variationen über das Thema „Modern Times 2000“, die ihre körpersprachliche Verwandtschaft mit den Antihelden des Modernisierungsschubes der 20er- und 30er-Jahre, mit Buster Keaton und Charlie Chaplin, deutlich spüren lassen. Oliver Proske hat einen kühlgestylten würfelförmigen Container gebaut, der von allen Seiten dreh- und begehbar ist. Am Anfang öffnet er sich, und man sieht Beine vorbeigehen. Später taumelt einer oben auf dem Dach, und man weiß nicht: überlgt er, ob er fliegen kann, oder will er sich einfach bloß herunterstürzen. „Ich will nach oben!“, hat schließlich jemand irgendwann gesagt. Und wer oben ist, der fällt schneller wieder runter, als ihm lieb ist.
…Ehe sie eintreten in die fabelhafte Business-Welt, müssen erst einmal die Turnschuhe blank gewienert werden, denn irgendwo über ihren Köpfen regiert Mr. Fock, der nebulöse, unerreichbare Boss… In einem himmelblauen Kubus, einer multifunktionalen Überraschungsbox, kämpfen die Büro-Clowns mit der Heimtücke der Möbel, zeigt Regisseurin Nicola Hümpel in surrealen Spiegelungen die Alltagsrituale der Anpassung, Demütigung, Deformation, das albtraumgruselige Spiel der Wiederholungen…
Nico and the Navigators – die Angestellten-Performance Ehe sie eintreten in die fabelhafte Business-Welt, müssen erst einmal die Turnschuhe blank gewienert werden, denn irgendwo über ihren Köpfen regiert Mr. Fock, der nebulöse, unerreichbare Boss. „Eggs on Earth“, der zweite Teil des Zyklus „Menschenbilder“ der 1998 am Bauhaus Dessau gegründeten Gruppe Nico and the Navigators, führt mitten hinein ins Arbeitsleben. Eine virtuose Slapstick-Version von Widmers „Top Dogs“ nannte ein Kritiker den Szenereigen, in dem Buster Keaton und Charlie Chaplin grüßen. In einem himmelblauen Kubus, einer multifunktionalen Überraschungsbox, kämpfen die Büro-Clowns mit der Heimtücke der Möbel, zeigt Regisseurin Nicola Hümpel in surrealen Spiegelungen die Alltagsrituale der Anpassung, Demütigung, Deformation, das albtraumgruselige Spiel der Wiederholungen. Eine Collage aus Bewegungs-, Klang-, Sprach- und Raumbildern, in der sich Ernst und Traurigkeit, Leichtsinn, Spiellust und groteske Komik paaren.
…Das Ensemble hat sich mit erst drei Arbeiten einen vorzüglichen Ruf für bildstarke, nonverbal ausgerichtete Aufführungen in einer charmant verspielten, absurd komischen Erzählweise erworben. „Eggs on Earth“ geht diesen Weg zwischen Tanztheater und lebenden Bildern mit bis zur Tollheit getriebenen Alltagsfloskeln eindrucksvoll weiter… Die Grundfarbe der Inszenierung ist Blau, die Grundstimmung traumhaft-versonnene Melancholie. So apart ist ein Leben „im Schatten der Selbstaufgabe“ nach dem Motto „Ich will nach oben“ wohl nur auf der Bühne zu haben…
Aus der Arbeitswelt: „Eggs on Earth“ in den sophiensaelen Eigentlich klingt das Thema mehr nach Volkshochschule als nach Theatervergnügen: „Was bedeutet es im angehenden 21. Jahrhundert, einen Arbeitsplatz zu haben, zu bekommen oder zu verlieren?“ Solchen und ähnlichen Fragen ist die freie Gruppe „Nico and the Navigators“ für ihr neues Stück „Eggs on Earth“ nachgegangen. Das ist gewiss sehr löblich, aber noch besser ist, dass die trockene Entwicklungsgeschichte dem Resultat in den Sophiensaelen nicht mehr anzumerken ist. Das 1996 von Nicola Hümpel am Bauhaus Dessau gegründete Ensemble, seit 1998 in Berlin daheim, hat sich mit erst zwei Arbeiten einen hervorragenden Ruf für bildstarke, nonverbal ausgerichtete Aufführungen in einer charmant verspielten, absurd komischen Erzählweise erworben. „Eggs on Earth“ geht diesen Weg zwischen Tanztheater und lebenden Bildern mit bis zur Tollheit getriebenen Alltagsfloskeln eindrucksvoll weiter. Das Bühnenbild von Oliver Proske besteht nur aus einem magischen weißen Würfel samt Türen, Fächern und begehbaren Dach. Am Anfang durchziehen ihn Menschen wie auf dem Weg zur Arbeit. Einer nach dem anderen benutzt eine einfache Schuhputzmaschine, zaghaft, umsichtig, schlampig, energisch. Jemand lässt den roten Musterkoffer vielleicht einer Stoffkollektion stehen, ein anderer nimmt ihn mit. Die Darsteller sind von der Sohle höchstens bis zur Schulter zu sehen, doch wie sich so ganz ohne Kopf bewegen, eröffnet sich ein weiter Horizont individueller Ausdrucksweisen. Später kommen sie heraus und entpuppen sich als jung, korrekt und trotz ihrer modischen Garderobe wie Zeitgenossen, die mit ihrer Zeit ziemliche Probleme haben. Diese zu verbergen, geben sie sich, ernst wie Buster Keaton, zappelig wie Jacques Tati, enorme Mühe. Die fünf Männer tragen gedeckte Geschäftsanzüge und sehen aus wie Filialleiter bei der Sparkasse, die zwei Frauen wie ihre ordentlichen Assistentinnen. In kleinen, bunten Szenen spielen sie Erfolg, Versagen, Warten auf die große Chance, Üben für den Aufstieg. Oder Freizeit: Zwei Männer fläzen sich in hellblaue, s-förmig geschwungene Stühle und genießen demonstrativ die Sonne. Sie krempeln die Hosenbeine hoch, schieben das Hemd bis zum Hals, kratzen sich ungeniert, summen gemeinsam etwas Jazziges. Der Schlips bleibt umgebunden, wird aber über die Schulter gelegt. Aus ihrer Haut können die potentiellen Hoffungsträger nicht heraus, allerdings dürfen immerhin Teile davon ans Licht. „Können Sie mich dafür verwenden?“, ist der Schlüsselsatz, nach dem sie sich allzeit richten. Eine Frau verzerrt das Gesicht vor Wut und Ekel, als ihr der Chef an die Bluse geht und darin mit stoischem Gesicht wie in einem Werkzeugkasten kramt. Doch sie hält durch und jubelt am Schluss, trägt ihren Stuhl wie eine Trophäe über dem Kopf von dannen – eine Arbeitslose weniger. „I’m the company commander“, sagt der Mann später und fällt wie ein Brett um. Überhaupt lassen sich „Nico and the Navigators“ gerne fallen, ob in den Unsinn – „Ich würde Sie gerne ein bisschen weltweit expandieren“ -, ins bürokratische Nirgendwo – „Ihr Vorgang wird bearbeitet“ – oder eben einfach zu Boden. Sie beherrschen die Kunst der ernsthaften Komik und der wohl temperierten Distanz zu ihren Figuren. „Eggs on Earth“ besteht aus surreal entlarvenden Beobachtungen, die mit hoher Kunst verdichtet und versponnen werden. Getragen wird die Aufführung von einer ungezwungenen Musikcollage zwischen Tango, Janis Joplin und Hammondorgel-Allerlei. Die Grundfarbe der Inszenierung ist Blau, die Grundstimmung traumhaft-versonnene Melancholie. So apart ist ein Leben „im Schatten der Selbstaufgabe“ nach dem Motto „Ich will nach oben“ wohl nur auf der Bühne zu haben.
…“Eggs on Earth“ sind 90 Minuten brillantes Bildertheater der leisen, intensiv nachwirkenden Art… „Ist es zu spät um früh anzufangen?“ lautet eine bange Frage. Sie und viele andere im Spannungsfeld vom Arbeitsstreß und Freizeitszwang am Rand des Abgrundes und der Vereinzelung werden auf ungemein intelligente, witzige, absurde, auch melancholische Weise Bild…
Reflektion über die Arbeit: „Eggs on Earth“ von Nico and the Navigators Jeder kennt das Phänomen. Wer Arbeit hat, überschlägt sich fast. Der Rest langweilt sich zu Tode. Mit diesen Widersprüchen zwischen Beschäftigtsein und Sichbeschäftigenmüssen setzt sich Nicola Hümpel auseinander. „Eggs on Earth“ sind 90 Minuten brillantes Bildertheater der leisen, intensiv nachwirkenden Art. So wie das Leben ist auch Oliver Proskes bis ins Detail ausgeklügelte Bühne ein praktikables Baukastensystem. Als blauer Quader mit verschiebbaren Wänden, sich öffnenden Klappen und begehbarem Dach ist es Labyrinth und Schneckenhaus, verschlingende Arbeitsmaschine und bergendes Refugium. Halbverdeckte, gesichtlose Arbeitsmenschen defilieren am Anfang in Endlosschleifen durch das Gebilde, quellen schließlich hervor. In korrekten blauen Anzügen, Akten oder Taschen in der Hand, zwei als Touristen mit dem Weltatlas überm Kopf. Sieben Jugendliche wandern fragend durch den Alltag und staunen über dessen Ungereimtheiten. Nur einzelne Sätze sind es, die sie schlaglichtartig in den Raum flüstern, abgedroschene Phrasen und Floskeln, aber auch Wünsche an die Zukunft. „Ich will nach oben – Sie auch?“ oder „Was können Sie?“ heißt es mehrfach und „Geduld, Ihr Vorgang wird bearbeitet“. In Hohngelächter erstickt das Bilanz-Geschwafel eines Teamchefs. Kein Platz für Versager in einer erfolgsorientierten Welt. Wenn abstruse Lebensläufe reflektiert werden, die nach dem Studium mit halben Welttouren begannen, um als Friseur oder Bistrobesitzer in irgendeiner Kleinstadt zu verenden, dann führt das die so gern propagierte Mobilität junger Kader und ihre unbegrenzten Aufstiegschancen ad absurdum. „Ist es zu spät, um früh anzufangen?“ lautet eine bange Frage. Sie und viele andere im Spannungsfeld von Arbeitsstress und Freizeitzwang, am Rand des Abgrunds und der Vereinzelung werden auf ungemein intelligente, witzige, absurde, auch melancholische Weise Bild gesetzt. In ihrer langsamen, gründlichen Inszenierung verleugnet Nicola Hümpel ihren einstigen Lehrer Achim Freyer nicht. Ravels „La Valse“ und Chopins Trauermarsch, Opernarie und Country, Beatles und Janis Joplin untermalen ein hoch sensibles Stück Tanztheater mit exzellenten Darstellern – Schauspielern, Tänzern, einem spielenden Industriedesigner. „Weiter“ lautet optimistisch eines der letzten Worte. Gut nicht nur für Nico and the Navigators.
…Sieben gut gekleidete Menschen in ihren fitten Jahren, die ihre ganze Kraft einsetzen, um zu flutschen. Aneckungen stecken sie weg, Affekte schlucken sie runter. Erfolg ist ihr Leben, und so schmeckt es dann auch… Dass man den Entäußerten ohne Schadenfreude und gerne zusieht, ist das Wunder dieses Abends. Die Regisseurin Nicola Hümpel versteht sich aufs Vertrauen. Sie baut auf die Begabungen ihrer Spieler, denn so etwas lässt sich nicht vorschreiben. Was in der Welt nie klappen will, gelingt ihr, alles fügt sich und passt zusammen – Bühne, Spiel, Musik, Licht. Nico and the Navigators sind ein Haufen Kon-Genies. Ein glücklicher Abend über das Unglück…
Nico and the Navigators spielen „Eggs on Earth“ in den Sophiensaelen Die blaue Welt ist eingerichtet. Praktisch wie eine Einbauküche. Alles in ihr ist gerade, funktionell, kompatibel. Alles Überflüssige ist weggetrocknet. Fast alles. Sieben Menschen sind übrig. Wen man nicht genau hinsieht, scheinen auch sie sich eingefügt zu haben. Sie leben im Büro. Ihr Heim ist ein Behälter. Durch Klappen, Schübe, Luken gibt er sie von sich und verleibt sie sich wieder ein. Ein Kommen und Gehen, aber keine Begegnung. Die Menschen passen nicht aneinander, aber sie sind weich und merken es nicht sofort. Eine Stuhlkante rastet da viel zufrieden stellender in die Fuge: Schnack. Hält. Von Menschen ist schon das zu viel verlangt – kein Wunder, der Prototyp aus Lehm war Sein erster Versuch. Und wir haben die Mühe. Das spielen sie. Sieben gut gekleidete Menschen in ihren fitten Jahren, die ihre ganze Kraft einsetzen, um zu flutschen. Aneckungen stecken sie weg, Affekte schlucken sie runter. Erfolg ist ihr Leben, und so schmeckt es dann auch. Die Figuren kreiseln im Absurden, sie haben ihr Zentrum verloren. Immerhin sieht man ihren Blicken an, dass sie sich darüber noch wundern können. Sie suchen kippelnd ihr Gleichgewicht: „So ist es im Grunde ganz gut. Jetzt wird’s besser. Aha, jetzt verlier ich’s gerade.“ Platsch. Eier auf der Erde. Ein sanftes Verzagen in Zeitlupe. Sich aufgeben ist ihre Aufgabe. Sie suchen, bis sie sich abfinden lassen. Es läuft, aber es läuft schief. „Ist es zu spät, um früh anzufangen?“, überlegt einer so lange, bis er im Phlegma versinkt – mit jedem Augenblick ist es noch mehr zu spät. Eine andere hat die Karriere hinter sich, sie ist oben, nur weiß sie nicht, worauf. Viele solche Arien singen der Vergeblichkeit ein Lied: Füße wollen nicht glänzen, so sehr man sie poliert. Haare werden dermaßen gebürstet, als könnte man damit das Hirn gleich mit frisieren. Liebe heißt „fruchtbare Zusammenarbeit“ und in luftiger Spitzenposition ist man erst mit und dann auch von seinen Problemen allein gelassen. Dass man den Entäußerten ohne Schadenfreude und gerne zusieht, ist das Wunder dieses Abends. Die Regisseurin Nicola Hümpel versteht sich aufs Vertrauen. Sie baut auf die Begabungen ihrer Spieler, denn so etwas lässt sich nicht vorschreiben. Was in der Welt nie klappen will, gelingt ihr, alles fügt sich und passt zusammen – Bühne, Spiel, Musik, Licht. Nico and the Navigators sind ein Haufen Kon-Genies. Ein glücklicher Abend über das Unglück.
…Dafür hat Oliver Proske mit seinem multifunktionalen hellblauen Container, in dem die Darsteller entweder gänzlich verschwinden oder wechselweise lediglich von der Taille auf- oder abwärts in Augenschein genommen werden können, ein kongeniales Bühnenbild entworfen. Die Regisseurin versammelt sieben Darsteller, die mit einem beneidenswerten Hang zum Grotesken begabt sind… Das ist Slapstick in höchster Vollendung. Was nicht heißen soll, dass „NIco and the Navigators“ die Misere ums Business zum schmerzfreien Amusement degradieren…
Wie geschäftliche Rituale das Individuum deformieren: „Nico and the Navigators“ zeigen „Eggs on Earth“ in den Berliner Sophiensaelen Der Mensch definiert sich über die Arbeit. Doch weniger der Workaholic steht im Mittelpunkt von „Eggs on Earth“, der neuen Inszenierung von „Nico and the Navigators“, auch nicht der durchschnittliche Feierabendkneipengänger oder ein Mitglied der „After-Work-Clubbing“-Bewegung: Für ihren Abstieg in die Untiefen der Erwerbstätigkeit hat sich die Gruppe um die Regisseurin Nicola Hümpel jenen Typus auserkoren, der mit einer knallroten Aktentasche auf die Bühne schreitet, nach einem kurzen Schweigemoment den Satz. „Im Grunde meines Herzens akzeptiere ich meinen abwechslungsreichen Alltag“ spricht und sich sodann emotionslos niederlegt. Alle – der Aktentaschenträger eingeschlossen – wollen natürlich „nach oben“. Nur müsste dafür erst einmal die Kontaktaufnahme zum ominösen „Herrn Fock“ bewältigt werden; wenigstens auf fernmündlicher Basis. Was sich hingegen ereignet, ist das Drama des ewigen Scheiterns an der Vorzimmerdame. Stilsicher haben „Nico and the Navigators“, die mit ihrem bildmächtigen Konglomerat aus Sprech- und Bewegungstheater bereits bei ihren früheren Produktionen in den Sophiensaelen – „Ich war auch schon einmal in Amerika“ und „Lucky days, Fremder!“ – Begeisterung auslösten, auch dieses Sujet in ganz eigene, surreale Bilder übersetzt. Hartnäckig werden die Akteure von den gesammelten arbeitsweltlichen Platituden ereilt. Sätze wie „Ihr Vorgang wird bearbeitet“, „Die Technik kann man lernen; das Talent muss man mitbringen“ oder „Der hat ja jetzt Zeit!“ folgen aus nichts; und ihnen folgt auch nichts bei „Nico and the Navigators“. Zumindest nichts, was einem stringenten Handlungsablauf gleichkäme. Vielmehr schweben die Elaborate wie bösartige Heimsuchungen über dem „nach oben“ orientierten Personal. Das Demütigende, das von ihnen ausgeht, wird über eine detailversessene, stilisierte Bewegungssprache transportiert. Dafür hat Oliver Proske mit seinem multifunktionalen hellblauen Container, in dem die Darsteller entweder gänzlich verschwinden oder wechselweise lediglich von der Taille auf- oder abwärts in Augenschein genommen werden können, ein kongeniales Bühnenbild entworfen. Die Regisseurin versammelt sieben Darsteller, die mit einem beneidenswerten Hang zum Grotesken begabt sind. Am gegenständlichsten führt Julius Weiland jene Deformationen vor, die geschäftliche Rituale am modernen Individuum hinterlassen: Wie er an einem viel zu niedrigen Tisch eine lässig-souveräne Abstütz-Haltung versucht und sich nach anfänglichen Respekt zusehends erbost im feindlichen Möbelstück verklemmt – das ist Slapstick in höchster Vollendung. Was nicht heißen soll, dass „Nico and the Navigators“ die Misere ums Business zum schmerzfreien Amüsement degradieren. Nicht nur, dass Bewerbungsgespräche oder gut gelaunte Ansprachen über bahnbrechende Firmenbilanzen in einem alptraumhaften Satzwiederholungszwang verenden: Selbst Themen wie die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz werden mit einer auf wenige zielsichere Gesten reduzierten Beiläufigkeit so verhandelt, dass die Banalität der Verrichtungen schrecklich zu Tage tritt.
…Mit ihrer Gruppe „Nico and the Navigators“ hat Nicola Hümpel eine neue Form des Improvisationstheaters erfunden… „Wir arbeiten ausschließlich über Improvisation. Jedes Ensemblemitglied navigiert also das Stück mit,“ sagt Hümpel. Mit den Navigatoren betrat ein Darstellertyp die Off-Bühne, der durch seine anmutige Unbekümmertheit für sich einnimmt… In der neuen Produktion „Eggs on Earth“ ist Blau die dominante Farbe, wenn es heißt: Dress for success. Denn diesmal dreht sich alles um das Thema Arbeit…
Mit ihrer Gruppe „Nico and the Navigators“ hat Nicola Hümpel eine neue Form des Improvisationstheaters erfunden Der Name lässt an eine Popband denken: Nico and the Navigators. Doch Nico ist keine singende Sirene, sondern der Spitzname der Theaterregisseurin Nicola Hümpel, die ihre Navigatoren schnell auf Erfolgskurs brachte. Mit nur zwei Produktionen hat das 1998 am Bauhaus Dessau gegründete Ensemble sich eine wachsende Fangemeinde erobert. Die Truppe, die in den Sophiensaelen vor ausverkauftem Haus spielt, hat sich einer eigenen Arbeitsweise verschrieben. „Wir arbeiten ausschließlich über Improvisation. Jedes Ensemblemitglied navigiert also das Stück mit,“ sagt Hümpel. Mit den Navigatoren betrat ein Darstellertyp die Off-Bühne, der durch seine anmutige Unbekümmertheit für sich einnimmt. Nico hat ihnen einen modischen Look verpasst. Doch sie versteht es, die Eigenart ihrer Akteure wirkungsvoll in Szene zu setzen. „Ich studiere meine Navigators bis ins Innerste,“ gesteht sie. Mit ihren Raum-, Klang-, Bewegungs- und Sprachbildern will Hümpel Assoziationen wecken und damit „Nachdenklichkeit“ erzeugen, sagt die Absolventin der Hamburger Kunsthochschule. Entscheidend war die Begegnung mit Achim Freyer am Bauhaus Dessau, wo die Studentin an einer internationalen Bühnenbildklasse teilnahm. Freyers Arbeitsweise hat sie für sich weiterentwickelt. Nicos Stücke kreisen immer um die Erkundung menschlicher Verhaltensweisen. Alltagsrituale werden verfremdet, Vorgänge ins Artifizielle und Absurde getrieben. Die grafische Klarheit des Bühnenbilds kontrastiert mit den schwebenden mentalen Zuständen. Nico zelebriert ein Theater der Langsamkeit, das von der Kunst der Reduktion lebt. Für ihre Szenencollagen hat sie eine Schnitttechnik entwickelt. „In der bildenden Kunst hat mich der Schnitt interessiert. Bei einer Skulptur suche ich den Moment der größten Spannung und mache einen messerscharfen Schnitt. Damit gebe ich dem Betrachter die Möglichkeit, die Linie in seiner Vorstellung selbst fortzuführen.“ Auf die koproduzierende Fantasie des Zuschauers ist das Theater von Nico and the Navigators angewiesen. Es legt immer neue Fährten aus. Und verzichtet auf jedes vorschnelle Erklären. Mit Lust navigieren die Akteure dabei ins Ungewisse. Manchmal kommt es vor, dass di Regisseurin einem Darsteller vor beginn der Vorstellung ein Zettelchen mit einer knappen Anweisung zusteckt. Martin Clausen ist Experte für diese Form des Freispiels. Der Jungakteur bewegt sich mit drolliger Verwunderung durch die Aufführung. Und gibt damit eine Anleitung für die Betrachtung dieses Theaters, das alle Festlegungen scheut. „Ich habe erkannt, dass ich die Welt nie vollständig verstehen werde,“ sagt Nico. Ihre Navigatoren erwecken den Anschein, jedes Mal einen unbekannten Kontinent zu betreten. Die letzte Produktion „Lucky Days, Fremder“ handelte von den Zeremonien des Abschiednehmens. Maigrün war die Farbe der Einsamkeit. In der neuen Produktion „Eggs on Earth“ ist Blau die dominante Farbe, wenn es heißt: Dress for success. Denn diesmal dreht sich alles um das Thema Arbeit – ein Thema, das derzeit auffallend oft von Künstlern aufgegriffen wird. „Meine Beobachtung ist, dass meine Mitmenschen immer mehr von Lebensabenteurern zu Lebenszeitverwaltern werden. Sie müssen sich zunehmend organisieren und kommen dabei gar nicht mehr zum Leben.“ Die Befürchtung, dass das Thema keine großen Emotionen weckt, hat Hümpel nicht. „Bei unserer Recherche hat sich herausgestellt, dass das Thema allen unter den Nägeln brennt. Wir sind ja die Generation der unsicheren Existenzen.“ Vorgeführt wird eine Galerie von Typen vom Workaholic bis zum Durchwurstler. Sie selbst sei besessen von ihrer Arbeit, erzählt Nico. Vor jeder Vorstellung schminkt sie ihre Darsteller. „Eine zärtliche Geste“, betont Nico. „Und dann gehen wir gemeinsam in einen Liebesprozeß.“
…ein Theater, das die Inszenierung über das gesprochene Wort stellt, das offen ist für die Verwendung verschiedener künstlerischer Sprachen und für das die Sinngebung weniger wichtig ist als die Qualität der Erfahrung, die dem Publikum geboten wird…
...Die Theatergruppe Nico and the Navigators ist ein Erbe des experimentellen und avantgardistischen Theaters, das im 20. Jahrhundert die europäischen und nordamerikanischen Bühnen veränderte. Ein Theater, das die Inszenierung über das gesprochene Wort stellt, das offen ist für die Verwendung verschiedener künstlerischer Sprachen und für das die Sinngebung weniger wichtig ist als die Qualität der Erfahrung, die dem Publikum geboten wird...
Eine Produktion von NICO AND THE NAVIGATORS und den Sophiensælen, gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, der Stiftung Kulturfonds, dem Fonds für Darstellende Künste, in Kooperation mit der Stiftung BAUHAUS Dessau.
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