Wo du nicht bist

Ein Stück über das Glück: Im Zusammenspiel mit der österreichischen Musicbanda Franui und ihrer ganz eigenen Interpretation von Schubertliedern begeben sich acht Navigators auf die Suche nach der emotionalen Kraft von Glücksmomenten und ihren metaphysischen Abgründen.

Mit Wo Du nicht bist wagen NICO AND THE NAVIGATORS das Theaterexperiment, verschiedene Wege und Landschaften zum Glück zu kreuzen, zu durchqueren und zu skizzieren. Acht Charaktere unterschiedlicher Herkunft begeben sich auf eine Reise in ihre komplexen Gefühlswelten und durchleben im Zusammenspiel mit dem Musikensemble Franui groteske und tragikkomische Dialoge in Deutsch, Englisch, Flämisch, Japanisch oder Französisch.

 

Dabei suchen sie sowohl nach der emotionalen Kraft von Glücksmomenten als auch nach ihren metaphysischen Abgründen. Es stehen die Fragen im Raum: „Wie viel Vergangenheit ist die Wirklichkeit und wie viel Zukunft verstellt die Gegenwart? Liegt das Glück auf dem Boden der Wirklichkeit, die den Tod geschaffen hat?“ Ausgehend von einer intensiven, gemeinsamen Recherche sowie einer Materialsammlung entstehen die Stücke durch angeleitete Improvisation. Sie erzählen keine konkreten Geschichten, sondern behandeln spezifische Themen und Fragenkomplexe in Form von Collagen. So entstehen Situationsbilder, die sich zu einer Art Kopfkino entwickeln und den Zuschauer auf nachdenkliche Weise in seine eigene Welt zurückführen können.

 

Das Ensemble begreift seine Arbeit als kontinuierlichen Forschungsprozess. Theater von NICO AND THENAVIGATORS will Denkräume schaffen. Dieses Prinzip des Denkraums, das der Arbeit der Navigators insgesamt zugrunde liegt, wird durch die ensembletypische Bewegungssprache und Mimik, ihre musikalisch integrierten abstrakten und monolithischen Sätze und nicht zuletzt durch das Mitspiel des Bühnenbildes verkörpert.

EIN STÜCK ÜBER DAS GLÜCK

Mit Wo Du nicht bist vollziehen Nico and the Navigators im Jahr 2006 den längst überfälligen Schritt in Richtung Musiktheater, der sich seither zu einer großen und noch längst nicht beendeten Entdeckungsreise entwickelt hat. Ausgangspunkt dieser Expedition ist das Werk von Franz Schubert, in dessen Lied „Der Wanderer“ der Titel des Abends zu finden ist – ergänzt um die Zeile „dort ist das Glück!“ Damit ist zugleich das Thema benannt, dem sich die Navigatoren gemeinsam mit der Musicbanda Franui widmen: Die An- und Abwesenheit des flüchtigen Glücksgefühls wird zur Musik Schuberts auf Deutsch, Englisch, Flämisch, Japanisch oder Französisch verhandelt, wobei der Klang der Instrumente nicht als gegeben hingenommen, sondern immer wieder problematisiert wird. So sondert sich Tanz von seiner Begleitung ab und wird zur stummen Bewegung, fällt die Musik der Sprache ins Wort oder wird der

a-cappella-Gesang „Auf! Es dunkelt / Silbern funkelt / Dort der Mond / Auf Tannenhöh’n“ zum Ausgangspunkt einer wilden Euphorie. Auch ansonsten findet die Inszenierung traumschöne und schmerzhafte Bilder für das Glück, wenn etwa über das Herz geredet und dabei ein Apfel seziert wird, wenn sich harmonische Atemübungen zum aggressiven Exerzieren steigern oder Trauben zum Ländler-Takt im Akkord gefressen werden müssen. Oliver Proske hat dafür einen Raum erschaffen, bei dem die Musiker in einer Art Spieldose oder Konzertmuschel über den Darstellern spielen, die in einer Art Schneeland agieren. Über allem aber spannt sich eine Art Kommandobrücke, von der Muttererde aus dem Himmel fällt und unter der menschliches Treibgut vorbeischwimmt, während oben entspannt geraucht wird. Zwischen dem Stäbchentanz eines asiatischen Engels und den zerlesenen Büchern als Gepäck der Lebensreise verfestigt sich so eine Stimmung, die Schubert ideal angemessen ist: „Und bin doch nirgend, ach, zu Haus.“

ANDREAS HILLGER

 

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Pressestimmen

Uwe Sauerwein / Berliner Morgenpost

…Fragen zu stellen, ist bereits eine Kunst für sich. Und in darin beweisen die Stars der Off-Theater-Szene absolute Virtuosität. Auch jetzt wieder, in ihrem Stück über das Glück… Franui, die Osttiroler Musikgruppe, mit denen die Navigators erstmals zusammen arbeiten, spielt Schubert – mit dem Instrumentarium einer Dorfkapelle. „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück“, einer Zeile aus Schuberts Lied „Der Wanderer“ stand Pate für den Titel des Stücks…

Uwe Sauerwein / Berliner Morgenpost

Sophiensæle: Nico and the Navigators begeben sich mit "Wo Du nicht bist" auf Glückssuche "Du lebst nur einmal. Aber wenn du es richtig machst, ist einmal genug", heißt es an einer Stelle in "Wo Du nicht bist". Nur wie lebt man "richtig"? Bedeutet Leben Leiden? Lernen? Glücklichsein? Ist vielleicht erst derjenige glücklich, der nicht mehr lebt? Fragen, mit denen sich Menschen seit eh und je beschäftigen. Auch Nico and the Navigators liefern keine Antworten - wenn doch, wäre Skepsis angesagt. Aber Fragen zu stellen, ist bereits eine Kunst für sich. Und darin beweisen die Stars der Offtheater-Szene absolute Virtuosität. Auch jetzt wieder, in ihrem Stück über das Glück, der mit 17 Mitspielern bislang größten Produktion. Seit Jahren werden Nicola (Nico) Hümpel und ihr multinationales Ensemble überregional herumgereicht. Gerade fand die Uraufführung von "Wo du nicht bist" bei den Bregenzer Festspielen statt. Jetzt läuft das Stück in den Berliner Sophiensælen, der eigentlichen Heimstatt der 1998 am Bauhaus Dessau gegründeten Kultformation, die man hier, auf Grund der großen Nachfrage, nur sporadisch erlebt. Die Suche nach dem Glück, sie findet in Oliver Proskes grauer Hügellandschaft statt. Ein Teil des Bühnenbilds besteht aus einer Art Spieldose, die von einem Darsteller mittels Kurbel in Gang gesetzt wird. Der Deckel öffnet sich und fördert ein kleines Orchester zu Tage. Franui, die Osttiroler Musikgruppe, mit denen die Navigators erstmals zusammen arbeiten, spielt Schubert - mit dem Instrumentarium einer Dorfkapelle. "Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück", einer Zeile aus Schuberts Lied "Der Wanderer", das die ständige Sehnsucht nach einem anderen Ort beschreibt, stand Pate für den Titel des Stücks. So wie Andreas Schett und seine Musicbanda Motive aus Schuberts Liederschatz mit Hackbrett, Tuba, Geige oder Saxofon verfremden, verknappen, und erweitern, so ähnlich bearbeiten Nico and the Navigators verschiedene Glücksauffassungen - von Aristoteles über Camus bis Thomas Bernhard. Regisseurin Nicola Hümpel macht mit ihrer Gruppe Assoziationstheater. Das gilt für die Entwicklung der Produktion, die aus Improvisationen zwischen Darstellern, Licht, Ton und Raum entsteht. Aber auch für die Rezeption: Die verschiedenen Situationsbilder sollen beim Zuschauer Denkräume schaffen. So führen denn viele Spuren zum Glück. Requisiten wie ein Ball, ein Eimer, ein Schlitten mögen für eine glückliche Kindheit stehen. Der Apfel, der über die Bühne rollt und auch mal mit dem Golfschläger traktiert wird, für die Vertreibung aus dem Paradies. Ein dickes Buch, in das Anne Paulicevich fast hineinkriecht, für die Erkenntnis. Ein Akteur schleicht mit einem Schutzhelm über die Bühne - das Leben als Baustelle. Mijoko Urayama wirft mit Sojabohnen um sich, ein asiatisches Frühlingsritual. Man schaut in Karten oder in die Sterne, lässt Ballons zerplatzen oder spült die Glückseligkeit mit Wasser weg. Einer sieht das Glück in der Verzweiflung, ein Verzweifelter im eigenen Begräbnis - weil dann die anderen traurig sind. Das Ganze spielt sich ab im rasanten Miteinander zwischen Slapstick und Pose, wüster Tollerei und traurigem Innehalten - wobei überraschende Stimmungswechsel das komische Moment bilden. Ganz ungeschoren kommt der Zuschauer nicht davon. Sätze wie "Du arbeitest und arbeitest, nur weil dir das Talent zum Glück fehlt" können schon wehtun. Glück ist nun mal nicht lebbar. Weil wir nach dem großen Glück trachten, versäumen wir oft das kleine Glück. Zu letzterem zählt mitunter ein Theaterabend. Diesen sollte man nicht versäumen.

Uwe Sauerwein / Die Welt

…Das Ganze spielt sich ab im rasanten Miteinander zwischen Slapstick und Pose, wüster Tollerei und traurigem Innehalten – wobei völlig überraschende Stimmungswechsel den amüsanten Teil des Abends ausmachen. Ganz ungeschoren kommt der Zuschauer nicht davon. Sätze wie „Du arbeitest und arbeitest, nur weil dir das Talent zum Glück fehlt“ können wehtun… Und weil wir nach dem großen Glück trachten, versäumen wir oft das kleine Glück. Zu Letzterem zählt mitunter ein Theaterabend…

Uwe Sauerwein / Die Welt

"Du lebst nur einmal. Aber wenn du es richtig machst, ist einmal genug", heißt es an einer Stelle in "Wo du nicht bist". Nur wie lebt man "richtig"? Bedeutet Leben Leiden? Lernen? Glücklichsein? Ist vielleicht erst derjenige glücklich, der nicht mehr lebt? Fragen, mit denen sich Menschen seit eh und je beschäftigen. Auch Nico and the Navigators liefern keine Antworten - wenn sie es täten, wäre Skepsis angesagt. Aber Fragen zu stellen, ist bereits eine Kunst für sich. Und in dieser Kunst beweisen die Stars der Offtheater-Szene absolute Virtuosität. Auch jetzt wieder, in ihrem Stück über das Glück, der mit 17 Mitspielern bislang größten Produktion der Truppe. Seit Jahren werden Nicola (Nico) Hümpel und ihr multinationales Ensemble überregional herumgereicht. Gerade fand die Uraufführung von "Wo du nicht bist" bei den Bregenzer Festspielen statt. Jetzt läuft das Stück in den Berliner Sophiensälen, der eigentlichen Heimstatt der 1998 am Bauhaus Dessau gegründeten Kulttruppe. Die Suche nach dem Glück, sie findet in Oliver Proskes grauer Hügellandschaft statt. Ein Teil des Bühnenbilds ist eine überdimensionale Spieldose, die von einem Darsteller mittels Kurbel in Gang gesetzt wird. Der Deckel öffnet sich und fördert ein kleines Orchester zu Tage. Franui, die Osttiroler Musikgruppe, mit denen die Navigators erstmals zusammen arbeiten, spielt Schubert - mit dem Instrumentarium einer Dorfkapelle. "Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück", einer Zeile aus Schuberts Lied "Der Wanderer" stand Pate für den Titel des Stücks. Und so wie Andreas Schett und seine Musicbanda Motive aus Schuberts Liederschatz verfremden, verknappen, und erweitern, so ähnlich bearbeiten Nico and the Navigators verschiedene Glücksauffassungen - von Aristoteles über Camus bis Thomas Bernhard. Regisseurin Nicola Hümpel macht mit ihrer Gruppe Assoziationstheater. Das gilt für die Entwicklung der Produktion, die aus Improvisationen zwischen Darstellern, Licht, Ton und Raum entsteht. Aber auch für die Rezeption: Die verschiedenen Situationsbilder sollen beim Zuschauer eine Art Kopfkino schaffen und Denkräume schaffen. So führen denn viele Spuren zum Glück. Requisiten wie ein Ball, ein Eimer, ein Schlitten mögen für eine glückliche Kindheit stehen. Der Apfel, der über die Bühne rollt und auch mal mit dem Golfschläger traktiert wird, für die Vertreibung aus dem Paradies. Ein dickes Buch, in das Anne Paulicevich fast hineinkriecht, für die Erkenntnis. Mijoko Urayama wirft mit Sojabohnen um sich, eine asiatisches Frühlingsritual. Man schaut in Karten oder in die Sterne, lässt Ballons zerplatzen. Einer sieht das Glück in der Verzweiflung, ein Verzweifelter im eigenen Begräbnis - weil dann die anderen traurig sind. Das Ganze spielt sich ab im rasanten Miteinander zwischen Slapstick und Pose, wüster Tollerei und traurigem Innehalten - wobei völlig überraschende Stimmungswechsel den amüsanten Teil des Abends ausmachen. Ganz ungeschoren kommt der Zuschauer nicht davon. Sätze wie "Du arbeitest und arbeitest, nur weil dir das Talent zum Glück fehlt" können wehtun. Glück scheint nun mal nicht lebbar. Und weil wir nach dem großen Glück trachten, versäumen wir oft das kleine Glück. Zu Letzterem zählt mitunter ein Theaterabend.

Lorenz Tomerius / Märkische Oderzeitung

…Diese Truppe ist von Gott auf die Stirn geküsst… “Dort, wo Du nicht bist, dort ist das Glück“… Wie soll man es fangen, haschen, erwischen, sich nicht nur erträumen? Die acht Schauspieler denken darüber auf Deutsch, Englisch, Französisch nach und entwickeln dabei nachdenklich, spielerisch, kess und komisch, aus ihren Individualitäten der glückhaften, mutigen, aber eben auch demütigen Art eine seltene Theaterform… Was hier in Nicola Hümpels Regie aus monatelangem gemeinsamem Erdenken, Erfühlen, Erproben entstanden ist, ist ein Tableau einer durchaus heutigen Romantik… eine gedankenvolle Poesie, eine spielerische Melancholie, eine Labsal für Herz und Hirn, die Wege aufzeigen kann ins Licht einer malerischen Zukunft… Ein kleiner Abend des großen Glücks für die hingerissenen Zuschauer, eine Reise wert…

Lorenz Tomerius / Märkische Oderzeitung

„Nico and the Navigators“ und die Tiroler Musikgruppe „Franui“ bezaubern in den Sophiensaelen Berlin ihr Publikum Diese Truppe ist von Gott auf die Stirn geküsst. „Nico and the Navigators“, von Nicola Hümpel 1998 am Bauhaus Dessau erstmals präsentiert und dann in den Sophien- saelen Berlin heimisch geworden, ist immer noch ein geliebter Geheimtipp, das aber durchaus weltweit. Mit Gastspielen beim Theatertreffen, bei den Wiener Festwochen und in weiter Welt unterwegs, kommen sie jetzt von den Bregenzer Festspielen mit einer neuen Produktion ins Berliner Mutterhaus und be- und verzaubern ihr Publikum mit dem gemeinsam entwickelten Stück über das Glück „Wo Du nicht bist“. „Überall ist es schön, wo ich nicht bin“ mault nicht nur heute auch manch jugendlicher Melancholiker. Der kann sich dabei auf Franz Schubert berufen, der ihm im Lied „Der Wanderer“ schon zuvor kam: “Dort, wo Du nicht bist, dort ist das Glück“. Ein „geliebter Gegner“, wie er hier in der Textcollage aus griechischen, römischen, deutschen und englischen Philosophen, aber auch Texten von Simone de Beauvoir, Albert Camus oder der Sängerin Francoise Hardy, angesprochen wird - aber so schwer dingfest zu machen ist. Wie soll man es fangen, haschen, erwischen, sich nicht nur erträumen? Die acht Schauspieler ( Niels Bovri, Christoph Glaubacker, Anne Paulicevich, Verena Schon-lau, Patric Schott, Andreas Schwankl, Gerd Lukas Storzer, Myoko Urayama) denken darüber auf Deutsch, Englisch , Französisch nach und entwickeln dabei nachdenk-lich, spielerisch, kess und komisch, aus ihren Individualitäten der glückhaften, muti-gen, aber eben auch demütigen Art eine seltene Theaterform: hier gibt es keine Be-hauptungen, keine Forderungen, sondern nur staunend neugierige Fragen an sich und die Welt. Das führt zu lustigen Spielen wie der Blick zu den Sternschnuppen, bei denen man sich etwas still wünschen kann, aber auch zum Silvesterspiel, dass jede ausgespuck-te Weintraube für eine kleine Hoffnung steht. In Oliver Proskes wieder bauhausklarer Bühne können sie mit Ball und Schlitten, Eimer und Wasser spielen, plantschen, aber auch in Büchern blättern, ihren Gedanken nachhängen, sie einander anvertrauen oder sich sagen lassen, dass einer nur soviel arbeitet, weil ihm das Talent zum Glück fehlt. Andererseits aber gibt es auch Leute, die sich ihr Unglück oder auch nur das Fehlen von Glück gar nicht wollen rauben lassen, weil sie wie schon Marlene Dietrich bei Felix Hollaender „Angst hat vor dem Glücklichsein“ haben. Was hier in Nicola Hümpels Regie aus monatelangem gemeinsamem Erdenken, Erfühlen, Erproben entstanden ist, ist ein Tableau einer durchaus heutigen Romantik. Kein Biedermeier, das im eigenen Heim den Kopf graziös und bildungsfreudig in den Sand steckte, sondern eine gedankenvolle Poesie, eine spielerische Melancholie, eine Labsal für Herz und Hirn, die Wege aufzeigen kann ins Licht einer malerischen Zukunft. Die Trauer um das vermisste und die Hoffnung das erwünschte Glück, die Nähe zwi-schen Leben und Tod finden Nico and the Navigators im Zusammenwirken mit den neun hinreißenden Musikern von „Franui“, einer Musicbanda aus einem Bergdorf in Osttirol. Die haben sich 18 Lieder von Franz Schubert eigenwillig zu eigen gemacht und damit in ihren Musikpavillon wie in einer Spieluhr auf Hackbrett und Harfe, Gitarre und Akkordeon, Posaune und Kontrabass eine Klangwelt geschaffen von traurig erdigem Zauber und frommer Entrücktheit. In ihrem Dorf fürs Tanzvergnügen wie fürs Totenfest zuständig, führen sie beides hier anrührend zusammen. So bekommt der Abend eine metaphysische Dimension, die der Poesie und Melan-cholie einen Ernst gibt, den die Schauspieler immer wieder aufzubrechen wissen. Sie bringen Anmut und Charme ein, das Lachen mit einer Träne im Knopfloch. So spielen sie gedankenvoll mit der Suche nach Glück und bereiten sich auch schon vor auf den Verzicht in Weisheit. Ein kleiner Abend des großen Glücks für die hingerissenen Zuschauer, eine Reise wert.

Renate Klett / Der Tagesspiegel

…Es ist das größte Unternehmen, das die Navigatoren je gesteuert haben – und es ist ein Triumph! Gemeinsam mit der hinreißenden Musikband Franui aus Tirol haben sie ein Stück entwickelt über das Glück, und ausgerechnet Franz Schubert, der große Unglückliche, stand Pate… Dies ist ein ernstes Stück, aber es gibt herrliche Momente von Freiheit und, ja, Glück… „Wo du nicht bist“ ist ein kleines Wunderwerk aus Poesie und Trotz…

Renate Klett / Der Tagesspiegel

Bregenz ist eine Stadt von beeindruckender Hässlichkeit. Wie eine idyllische Lage am Bodensee sich durch schlechte Architektur vernichten lässt, kann man hier studieren. Einzige Ausnahme ist Peter Zumthors schlicht elegantes Kunsthaus. Die Bregenzer Festspiele präsentieren ihren „Troubadour“ auf der größten Seebühne Europas mit 7000 Plätzen. Das Bühnenbild zeigt eine feuerspeiende Ölraffinerie, über deren Treppen, Gestänge und Brücken mehrere Hundertschaften turnen. Verdi als belangloses Musical. Aber die Festspiele haben auch eine Experimentierschiene, „Kunst aus der Zeit“, kurz KAZ. Sie bringt Eigenes und Koproduziertes mit dem Hamburger Thalia-Theater (Schwabs „Präsidentinnen“) oder der freien Berliner Szene. Das neue Projekt von Nico & the Navigators, „wo du nicht bist“, ursprünglich für die Ruhr-Triennale geplant, hat seine Premiere nun mit einem Jahr Verspätung in der Werkstattbühne. Es ist das größte Unternehmen, das die Navigatoren je gesteuert haben – und es ist ein Triumph! Gemeinsam mit der hinreißenden Musikband Franui aus Tirol haben sie ein Stück entwickelt über das Glück, und ausgerechnet Franz Schubert, der große Unglückliche, stand Pate. Andreas Schett und Markus Kraler haben 18 Schubert-Lieder bearbeitet, skelettiert, zelebriert, weiterkomponiert, ihnen Hackbrett, Akkordeon und Tuba untergejubelt und so einen imaginären, volksmusikalisch verfremdeten Liederzyklus erarbeitet, zu dem Nico and the Navigators Szenen und Bilder erfanden. Wie immer gehen sie das Thema nicht direkt an, sondern flirten mit ihm, umspielen es mit Anekdoten und Assoziationen. Das Glück ist ja nicht so leicht greifbar, wie ein Fisch flutscht es durch die ausgestreckten Hände und lässt sich sowieso nur im Nachhinein erkennen. Wenn man für jeden seiner zwölf Silvestervorsätze eine Weintraube in den Mund steckt, müsste doch was daraus werden. Oder man spuckt sie dem neuen Jahr in Gestalt eines fügsam verblüfften Zeitgenossen mitten ins Gesicht. Die Szene mit Verena Schonlau und Patric Schott, von der Franui-Version der leise flehenden Lieder begleitet, ist so poetisch und komisch wie jede traurige Seligkeit. Aber das Glück kann auch im kindlichen Spaß am Verkleiden bestehen, im Schwimmen oder Bücherlesen oder sogar im Richtig-mal-Unglücklichsein, in der Einsamkeit des großen Gefühls. All das wird gestreift, phantasiert und verrätselt, mal märchenhaft abgründig, mal hellwach und gemein. „Du arbeitest und arbeitest, nur weil dir das Talent zum Glück fehlt“, heißt es einmal, und sofort fühlt man sich ertappt. Dies ist ein ernstes Stück, aber es gibt herrliche Momente von Freiheit und, ja, Glück: wenn jemand, ganz schnell und splitternackt in die Luft springt, als Brieftaube oder Adler, wenn am Ende alle wissen: „wahrscheinlich ist jeder genauso glücklich, wie er es sich vorgenommen hat“ oder, Dialektik ist alles, Thomas Bernhard variieren: „Er hatte Angst davor, seine Verzweiflung zu verlieren.“ Glück kann auch das Gegenteil sein. „Wo du nicht bist“ ist ein kleines Wunderwerk aus Poesie und Trotz. Wenn Anne Paulicevich ihre komplette Familie auf einmal spielt oder Miyoko Urayama das Frühlingsritual des Sojabohnen-Werfens, wenn Christoph Glaubacker rumnölt „Also ehrlich, ich find’ das jetzt nicht mehr witzig“ und beleidigt ausführt, warum – dann gluckst das Publikum vor Freude. Alles bleibt in einer flirrenden Schwebe, ist voller Geheimnis und Scharfblick. Die Dimensionen des Abends (elf Musiker, acht Schauspieler) sprengen fast die Möglichkeiten einer freien Gruppe und sind mit gesteigerter Selbstausbeutung erkauft Auch Oliver Proskes geometrisches Bühnenbild würde jeder Großbühne zur Ehre gereichen. Die Musiker steckt er in eine metallische Riesenbox, die aufgezogen wird wie eine Spieldose, auf- und niederfährt und sich am Schluss öffnet wie eine Auster, die ihre Perle freigibt. Ein großer Steg und ein Hügel wie ein Hüftschwung werden zur Spiellandschaft aus Glück und Schwefel, von Peter Meier in magisch buntes Licht getaucht. Wie all das auf die technisch weniger üppig ausgestatteten Sophiensäle übertragen werden soll, wo heute die Berliner Premiere stattfindet? Hümpel, Proske und ihre Helfer haben schon ganz andere Probleme gelöst. Bis 16. August in den Sophiensälen.

Egbert Tholl / Süddeutsche Zeitung

…Für Nicola Hümpel ist Schubert ein lieber Freund. „Schuberts Musik ist die Verschmelzung von Glück und Unglück, der undefinierte Zustand im Jetzt.“… Dass nun Schubert schließlich zum expliziten Thema der Navigators wurde, liegt darin, dass Nico irgendwann zwangsläufig dessen Herumgeistern beenden musste und ihn explizit aufnehmen musste in ihren eigenen Diskurs von der Zerschredderung des Ichs, der fragilen Möglichkeit von Sehnsucht und der Frage, wie die äußere und die innere Welt zusammenhängen…

Egbert Tholl / Süddeutsche Zeitung

"Nico and the Navigators" kommen mit "Wo du nicht bist" in die Muffathalle 
Als Nicola Hümpel in München einen Pullover kaufen ging, hörte sie im Kaufhaus eine Schubert-Klaviersonate. Da Frau Hümpel keineswegs dazu neigt, ihr eigenes Ich im Verhältnis zur sie umgebenden Welt als Maßstab zu sehen, war sie nicht entsetzt vom ökonomiebestimmten Umgang mit der von ihr geliebten Musik. Sie wunderte sich nur. "Nichts ist schöner, als Schubert ins Jetzt zu heben." Das muss selbstverständlich nicht im Kaufhaus passieren, das ist naturgemäß der völlig falsche Platz dafür. Aber dass eine ihrer Schauspielerinnen Schubert im Walkman hört und ihre WG in Berlin-Friedrichshain damit infiziert, das freut sie schon. Für Nicola Hümpel ist Schubert ein lieber Freund. "Schuberts Musik ist die Verschmelzung von Glück und Unglück, der undefinierte Zustand im Jetzt." 
Bei den Bregenzer Festspielen gibt es die Reihe "KAZ - Kunst aus der Zeit". Und die beschäftigt sich mit dem Unterschied zwischen dem, was wirklich ist, und dem, was unwirklich ist. Folgt man Nicola Hümpel, dann ist diese Unterscheidung eine Wissenschaft für die Engel. Als Künstlerin heißt Frau Hümpel Nico und beschäftigt sich seit 1998 zusammen mit dem Bühnenbildner Oliver Proske mit der physischen Bebilderung einer psychologischen Spurensuche. Ihr Theater ist politisch, poetisch, wundersam, ihre Berliner Truppe eine Ansammlung verhaltenshauptstädtischer Körpertheatertiere mit windschiefen Frisuren und pastellfarbenen Schlaghosen. Im Sommer 2006 brachten "Nico and the Navigators" in Vorarlberg ihre achte Produktion zur Uraufführung. Am 7. und 8. Februar ist "Wo du nicht bist" nun in der Muffathalle zu sehen. Und wer von der Jury für das Berliner Theatertreffen Zeit hat, der sollte da hingehen. 
Die Navigators waren in München schon öfters zu Gast. Zunächst im Rahmen vom Spielart-Festival, dann aber lud Dietmar Lupfer von der Muffathalle sie auch eigenständig ein. Das war stets gut so, weil man so wundersam fragile Theatermomente, die schon im Augenblick ihres Entstehens vom Verschwinden bedroht sind, selten erleben kann. Ein halbes Jahr nach der Bregenz-Premiere liefert Frau Hümpel in einem Münchner Café dafür möglicherweise eine Erklärung. In allen ihren Arbeiten sei Schubert herumgegeistert. Und die Schönheit des Augenblicks kann man nicht festhalten. Sie zerrinnt. Der Wanderer muss weiter, die Reise in den eigenen Winter ist nie zu Ende. 
Dass nun Schubert schließlich zum expliziten Thema der Navigators wurde, liegt darin, dass Nico irgendwann zwangsläufig dessen Herumgeistern beenden musste und ihn explizit aufnehmen musste in ihren eigenen Diskurs von der Zerschredderung des Ichs, der fragilen Möglichkeit von Sehnsucht und der Frage, wie die äußere und die innere Welt zusammenhängen. Es geht ihr um Schubert als in sich selbst nur höchst ungenügend Behauster; entsprechend heißt der Abend eben "Wo du nicht bist", in Analogie zu Schuberts Lied "Der Wanderer", in welchem der zitierte Satz lautet: "Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück." Wandern, suchen - ein vergebliches Bemühen. Keine Manifestation. 
"Wo du nicht bist" ist ein Schubert-Abend und auch wieder nicht. Er ist zunächst ein Nico-Abend, mit bekannt unheimelig-steriler Bühne, die nicht einmal in den verkrachten Berliner Sophiensälen, Nicos Heimstatt, zu einem selbstverständlichen Zuhause wurde. Das ist ein Abend mit acht skurrilen, verkruschterten Akteuren, die sich zusammenfinden und wieder auseinander stieben, die einen sinnlosen Balkon erobern, von zwei kleinen Hügeln hinunter rollen, zu verbogenem Paarverhalten für Sekunden zusammenfinden. 
Und es ist eben doch ein Schubert-Abend, weil Nico mit der Osttiroler Combo Franui zusammengetroffen ist. Schuld daran war Thomas Wördehoff, Chefdramaturg der Ruhrtriennale. Dort sollte "Wo du nicht bist" ursprünglich herauskommen, aber so schnell ging das nicht. Wichtig aber war das initiierte Zusammentreffen der Musiker mit den Theatermenschen, das Anstoßen einer aneinander sich reibenden Auseinandersetzung, die noch lange nicht ihr Ende gefunden hat. 
Franui also, diese aufgeklärte Heimatband, sitzt in der Aufführung in einer Art Spieldose, mit viel Blech, Hackbrett, Geige und Harfe, wird am Anfang quasi mit einer Kurbel aufgezogen und unterlegt das Nico-spezifische Treiben mit einem Klang-Teppich, feingewoben aus vielen schönen, in erster Linie klanglich behutsam transformierten Liedern Schuberts, denen der Abschied vom geliebten Ich (das eigene oder ein fremdes), Trauer und Zerfall innewohnt. Aber vor allem die Suche, die Wanderschaft. "Ein Stück über die Höhenflüge und Abgründe des Glücks" (Nicola Hümpel). 
Für Hümpel war die Arbeit an "Wo du nicht bist" vergleichbar mit der Entwicklung einer Oper - tatsächlich ist der Produktionsaufwand mit dem eines Stücks Musiktheater vergleichbar, weshalb das Münchner Gastspiel ein kleines Wunder ist. In ihren bisherigen Arbeiten hatte Nicola Hümpel alle Freiheiten, aus improvisatorischen Prozessen die ihr wichtigen Ergebnisse herauszudestillieren. Mit Schubert und Franui ging dies nicht mehr. Zum ersten Mal hatte sie die Vorgabe präziser Zeiteinheiten, die zu füllen waren. Und dennoch entstand damals in Bregenz ein Abend von einer irisierenden, organischen Leichtigkeit, dem man keineswegs ansah, dass Frau Hümpel die völlig entkräfteten Schauspieler nach der Generalprobe ins Bett geschickt und ihnen das Nachdenken verboten hatte. 
Franui haben mal, in einer Art klanglicher Vorstellung eines Ballsaals auf einer Almwiese, Schuberts "Deutsche Messe" eingespielt. Die Alten in ihrem Tal nennen sie die "Kompassmesse", weil sie mit den Worten "Wohin soll ich mich wenden" beginnt. Aus diesem Witz wird in "Wo du nicht bist" Ernst. Mit Schuberts Liedern zeigt der Kompass ins Innere der acht Schubert-Nico-Körper. Die Akkorde des "Leiermanns", die melodische Süße des "Ständchens", die erhoffte Ruhe in "Wandrers Nachtlied II" - all dies sind Momente, in denen die Akteure ein Glück finden könnten, in einer Umarmung, in der Lektüre eines zerfledderten Buchs oder auch schlicht in der Erkenntnis, dass der eigene Name tatsächlich zu einem gehört. Zwar ist dies alles todesnah, doch ist das Ende keineswegs niederschmetternd, sondern zerreißend schön: Eine Geige spielt die Melodie von "Abschied", wie eine schwebende, übermenschliche Stimme. Der Text dazu würde lauten: "Über die Berge zieht ihr fort. Kommt an manchen grünen Ort; muss zurücke ganz allein. Lebet wohl! Es muss so sein."

Jutta W. Thomasius / Frankfurter Neue Presse

…Acht Darsteller, schauspielerisch, tänzerisch, pantomimisch und gesanglich überzeugend, gestalten, begleitet von teils originaltönenden, teils verfremdeten Schubert-Liedern, die „Frage nach dem Woher, Wie und Wesen des Glücks“… Dabei fehlen textlich wie akrobatisch weder kleine Ausflüge ins Grand-Guignol- noch ins Kabukitheater oder in die Zirkus-Manege, kann sich Glück im Äpfelmampfen wie im Schmökern entwickeln, bleiben Augen und Ohren des Publikums ständig in Bewegung…

Jutta W. Thomasius / Frankfurter Neue Presse

Bei den Bregenzer Festspielen waren „Der Untergang des Hauses Usher“ und ein „Stück über das Glück“ zu bestaunen. In Claude Debussys selten gespielter Schaueroper „Der Untergang des Hauses Usher“ verschmolzen Oper, Tanz und Bild zur grandiosen Einheit und zu einer neuen Bregenzer Bühnen-Ästhetik. Was der Musikologe Robert Orledge mit Ausstatter Richard Hudson, Regisseurin Phyllida Lloyd, Choreograf Kim Brandstrup und Lichtgestalter Adam Silverman im Festspielhaus aus Debussys Fragment sowie dessen Ballettkompositionen „Jeux“ und „Après-midi d’un faune“ an Ohren- und Augenschmaus anrichteten, ist phänomenal. Da enthüllt Edgar Allan Poes berühmte Grusel-Story, der Debussy den Stoff für Musik und Libretto entnahm, nicht nur inzestuöse Eros-Elemente und die Dämonie einer Arztfigur, die der des Dr. Mirakel in „Hoffmanns Erzählungen“ gleicht. Riesige Vitrinen, sich umeinander bewegend, spinnen auf der Drehbühne die Leidenschaften und Ängste des Roderick Usher weiter (faszinierend Bariton Scott Hendricks sowie dessen Tanz-Double Steven McRae vom Royal Ballet London). Die eigentlichen Motive der Ballette wichen der thematischen Einbindung in den Opernstoff. So wurde aus dem Fragment ein schlüssiger Thriller, den die Handlungen und Gefühle der Sänger tanzend und vorausschauend erläutern. Und dem sie in der finalen Tanz- und Gesangsphase zu einem aufregenden Schluss verhelfen. Den jeweiligen Tanz-Doubles und ihren Gesangspartnern (hervorragend Sopranistin Katia Pellegrino als Rodericks Schwester Madeline mit Leanne Benjamin, Bariton Cavalier als Rodericks Freund mit Johannes Stepanek sowie Tenor John Graham-Hall als teuflischer Arzt mit Cary Avis) boten US-Dirigent Lawrence Foster und die Wiener Symphoniker jenen feinen Musikteppich, der zu Höchstleistung beflügelt. Kein Wunder, dass sich Theatermanager aus aller Welt diese Uraufführung in französischer Sprache mit deutschen Untertiteln und deren Publikumsakzeptanz nicht entgehen ließen! Drei Abende zuvor hatte auf der Werkstattbühne ein „Stück über das Glück“ seine Uraufführung – mit der Nicola-Hümpe-Gruppe. Deren Erfolg hatte 1998 am Dessauer Bauhaus begonnen. Von Berlin aus starteten „Nico and the Navigators“ 1999 weltweit ihre Siegeszüge mit neuen, spektakulären Experimenten. Nun erarbeitete Hümpel, assistiert von den Instrumentalisten der Osttiroler Franui-Musicbanda und gefördert vom Berliner Senat sowie der österreichischen Kulturstiftung das Stück „Wo Du nicht bist“. Vom 10.August an ist es in den Berliner Sophiensälen zu erleben. Acht Darsteller, schauspielerisch, tänzerisch, pantomimisch und gesanglich überzeugend, gestalten, begleitet von teils originaltönenden, teils verfremdeten Schubert-Liedern, die „Frage nach dem Woher, Wie und Wesen des Glücks“: als Einzel-, Zweisamkeits- oder Gemeinschaftsgefühl. Auf, in, vor und über einer hellen Supermarkt-Fassade mit Tiefgaragen-Maul und integriertem Orchesterturm lässt Hümpel ihre junge Mimenschar (pastellig eingekleidet von Frauke Ritter) deutsch, französisch, englisch, flämisch und japanisch philosophieren, meditieren und kommunizieren. Dabei fehlen textlich wie akrobatisch weder kleine Ausflüge ins Grand-Guignol- noch ins Kabukitheater oder in die Zirkus-Manege, kann sich Glück im Äpfelmampfen wie im Schmökern entwickeln, bleiben Augen und Ohren des Publikums ständig in Bewegung.

W. Ölz / Salzburger Nachrichten

…Die Uraufführung von ‚Wo Du nicht bist’ der Berliner Kult-Theaterformation‚ Nico and the Navigators bescherte…einen wunderbaren Abend, der abseits von konventionellem Erzähltheater ein Feuerwerk an schauspielerischen Sternschnuppen in den Theaterhimmel zauberte… In freien Assoziationsschüben wird szenisch über das Glück nachgedacht. Dafür werden Glück-Auffassungen von Aristoteles (Glück ist Tugend) bis Albert Camus (Das Selbst muss sein Glück finden) zitiert. Die tatsächliche theatralische Situation setzt allerdings eine Glückssuche in Szene, die der unmittelbaren Gegenwart entnommen ist. Jeder jagt seinem persönlichen Glück nach, jeder bleibt in dieser Suche unendlich einsam…

W. Ölz / Salzburger Nachrichten

Die Uraufführung von ‚Wo Du nicht bist’ der Berliner Kult-Theaterformation ‚Nico and the Navigators bescherte dem Bregenzer Festspielpublikum am Freitag einen wunderbaren Abend, der abseits von konventionellem Erzähltheater ein Feuerwerk an schauspielerischen Sternschnuppen in den Theaterhimmel zauberte. Die acht Charaktere wandeln sprech- und bewegungstechnisch perfekt durch eine Bühne von Oliver Proske, die eine Art Denklandschaft ist. Da gibt es eine kleine Brücke, dazu ein Pavillon, in dem die Ausnahmemusiker von Franui Schubertlieder gegen den Strich bürsten. Auch zwei Hügel erheben sich aus dem Theaterboden, die wie zwei Brüste daliegen und über die die Schauspieler ihre episodenhaften Slapsticks dem Publikum entgegen werfen Der Titel des Stücks ist einem der berühmtesten Lieder Schuberts, ‚der Wanderer’ entnommen. In freien Assoziationsschüben wird szenisch über das Glück nachgedacht. Dafür werden Glück-Auffassungen von Aristoteles (Glück ist Tugend) bis Albert Camus (Das Selbst muss sein Glück finden) zitiert. Die tatsächliche theatralische Situation setzt allerdings eine Glückssuche in Szene, die der unmittelbaren Gegenwart entnommen ist. Jeder jagt seinem persönlichen Glück nach, jeder bleibt in dieser Suche unendlich einsam. Die Zärtlichkeit ist immer doppelbödig. Trotz harter Arbeit wirkt das bis ins Detail bestechende Ensemble mühelos im darstellerischen Einsatz. Improvisation ist ein wesentlicher Baustein der Arbeitsweise.

Markus Hauser / Tiroler Tageszeitung

…sie taten es in bewährter Manier – vielleicht noch zarter, noch intensiver, noch hintersinniger wie je zuvor… Gesprochen wird in allen Sprachen, aber in keiner gemeinsamen – durcheinander, miteinander, aneinander vorbei. Geradezu verzweifelt versucht man des Glücks Herr zu werden, es zu erhaschen, es auszutricksen… Der Liebe, als der einzigen universellen Sprache und des wahrscheinlich einzigen räumliche wie zeitliche Grenzen sprengenden Zustandes bleibt es schließlich vorbehalten, das Glück über den Tod hinaus ewig an sich zu binden…

Markus Hauser / Tiroler Tageszeitung

17 Schubertlieder als wehmütige Seelendramen voll Poesie Das Berliner Kult-Ensemble Nico and the Navigators und die Osttiroler Musicbanda Franui sorgten bei den Bregenzer Festspielen mit Schubert der anderen Art für Furore. BREGENZ. Was ist Glück, wer hat Glück, wo findet man das Glück, wie kann man dem Glück etwas nachhelfen, lässt sich Glück kaufen, was verbindet man überhaupt mit Glück, oder ist gar des einen Glück des anderen Leid? Auf die Suche nach dem ganz persönlichen Glück machten sich die acht Protagonisten des Berliner Ensembles Nico and the Navigators, begleitet von der Osttiroler Formation Franui unter Andreas Schett. „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück!“ – Mit diesem Satz endet eines der berühmtesten Lieder Schuberts „Der Wanderer“. Und Schubert ist es auch, aus dessen musikalischem Lieder-Fundus Franui schöpften und siebzehn seiner Lieder zu einem höchst poetischen, melodramatischen Seelendrama be- und verarbeiteten. Spalten und Brüche Und sie taten es in bewährter Manier – vielleicht noch zarter, noch intensiver, noch hintersinniger wie je zuvor. Mit den Musikwerkzeugen einer Tanzkapelle bewegen Franui sich an den Rändern von E- und Volksmusik, dort, wo man durch Spalten und Brüche in die Abgründe schauen bzw. einen lichten Blick nach oben werfen kann. Mit Witz und Wehmut gleichermaßen ausgestattet, ist diese Musik mehr als nur eine Andeutung, dass Glück und Unglück, Freud und Leid, Vergangenes und Gegenwärtiges parallel zueinander existieren. Diesen Regungen und Wendungen der Gefühle begegnen die Navigators unter der Regie von Nicola Hümpel auf einer endlose Weite suggerierenden Bühne von Oliver Proske mit lose aneinander gereihten heiteren Szenen unter Einsatz aller körperlichen, mimischen und gestischen Mittel. Gesprochen wird in allen Sprachen, aber in keiner gemeinsamen – durcheinander, miteinander, aneinander vorbei. Geradezu verzweifelt versucht man des Glücks Herr zu werden, es zu erhaschen, es auszutricksen. Doch der Blick nach vorne bleibt einer ins Leere, das ausgeworfene Netz erweist sich als zu grobmaschig. Glück im Spiel Der eine tut es wartend und schlägt seine Zeit und damit auch das Glück tot. „Break on through to the other side“, lautet die Devise, frei nach den Doors, und man stürzt sich gemeinsam ins Vergnügen, um mit Katerstimmung aufzuwachen. Auch das Glück im Spiel ist eins auf kurze Zeit, wie jenes im Fitnesstempel. Lauter Träumen laufen die Protagonisten hinterher, deren Abglanz sie gesehen zu haben meinen. Und wieder einmal hat das Vogerl Glück im Flug auf sie gesch… Der Liebe, als der einzigen universellen Sprache und des wahrscheinlich einzigen räumliche wie zeitliche Grenzen sprengenden Zustandes bleibt es schließlich vorbehalten, das Glück über den Tod hinaus ewig an sich zu binden.

Egbert Tholl / Süddeutsche Zeitung

…Ihr Theater ist politisch, poetisch, wundersam, ihre Berliner Truppe eine Ansammlung verhaltenshauptstädtischer Körpertheatertiere… Ein Abend mit acht skurrilen, verkruschterten Akteuren, die sich zusammenfinden und wieder auseinander stieben, die einen sinnlosen Balkon erobern, von zwei kleinen Hügeln hinunter rollen, zu verbogenem Paarverhalten für Sekunden zusammen finden…

Egbert Tholl / Süddeutsche Zeitung

„Nico and the Navigators“ und die Heimatband „Franui“ in Bregenz Der Vergangenheits-Vergoldung ist schwer zu entkommen. In Österreich, ganz Kulturnation, ist in diesem Jahr alles Mozart, was ebenso schön ist wie es leicht fällt, weil sich selbst der verstiegenste Deutungsversuch des Komponisten auf dem sicheren Grund des Kulturgut-Status’ weiß. Das stiftet Identität, gewiss. Doch diese ist aus einer weit zurückliegenden Vergangenheit geboren. Während man in Salzburg Mozarts Schaffen grimmige, gut abgehangene Schauspielkomödien gegenüber stellt, sucht man in Bregenz das Glück in der Gegenwart. Zum sechsten Mal gibt es bei den Bregenzer Festspielen die Reihe „KAZ – Kunst aus der Zeit“. Und die beschäftigt sich mit dem Unterschied zwischen dem, was wirklich ist, und dem, was unwirklich ist. Folgt man Nicola Hümpel, dann ist diese Unterscheidung eine Wissenschaft für die Engel. Als Künstlerin heißt Frau Hümpel Nico und beschäftigt sich seit 1998 zusammen mit dem Bühnenbildner Oliver Proske mit der physischen Bebilderung einer psychologischen Spurensuche. Ihr Theater ist politisch, poetisch, wundersam, ihre Berliner Truppe eine Ansammlung verhaltenshauptstädtischer Körpertheatertiere mit windschiefen Frisuren und pastellfarbenen Schlaghosen. Nun sind „Nico and the Navigators“ in Vorarlberg auf der Werkstatt-Bühne gelandet. Mit Schubert. Wo ist da der Unterschied zwischen Mozart und Schubert? Sind doch beide österreichische Hochkultur, also wieder Kulturnationidentität. Nun, der Unterschied liegt darin, dass Nico sich irgendwann zwangsläufig mit Schubert beschäftigen musste, in ihrem eigenen Diskurs von der Zerschredderung des Ichs, der fragilen Möglichkeit von Sehnsucht und der Frage, wie die äußere und die innere Welt zusammenhängen. Es geht ihr um Schubert als in sich selbst nur höchst ungenügend Behauster; entsprechend heißt der Abend „Wo du nicht bist“, in Analogie zu Schuberts Lied „Der Wanderer“, in welchem der zitierte Satz lautet: „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.“ Wandern, suchen – ein vergebliches Bemühen. Keine Manifestation. „Wo du nicht bist“ ist ein Schubert-Abend und auch wieder nicht. Er ist zunächst ein Nico-Abend, mit bekannt unheimelig-steriler Bühne, deren voller Reiz sich erst vom 10. August an in den verkrachten Berliner Sophiensälen, Nicos Heimstatt, entfalten wird. Ein Abend mit acht skurrilen, verkruschterten Akteuren, die sich zusammenfinden und wieder auseinander stieben, die einen sinnlosen Balkon erobern, von zwei kleinen Hügeln hinunter rollen, zu verbogenem Paarverhalten für Sekunden zusammen finden. Und es ist eben doch ein Schubert-Abend, weil Nico mit der Osttiroler Combo Franui zusammengetroffen ist. Diese aufgeklärte Heimatband sitzt in einer Art Spieldose, mit viel Blech, Hackbrett, Geige und Harfe, wird am Anfang quasi mit einer Kurbel aufgezogen und unterlegt das Nico-spezifische Treiben mit einem Klang-Teppich, feingewoben aus vielen schönen Liedern Schuberts, denen der Abschied vom geliebten Ich (das eigene oder ein fremdes), Trauer und Zerfall innewohnt. Aber vor allem die Suche, die Wanderschaft. Franui haben mal, in einer Art klanglicher Vorstellung eines Ballsaals auf einer Almwiese, Schuberts „Deutsche Messe“ eingespielt. Die Alten in ihrem Tal nennen sie die „Kompassmesse“, weil sie mit den Worten „Wohin soll ich mich wenden“ beginnt. Aus diesem Witz wird nun dringlicher Ernst. Mit Schuberts Liedern zeigt der Kompass ins Innere der acht Schubert-Nico-Körper. Die Akkorde des „Leiermanns“, die melodische Süße des „Ständchens“, die erhoffte Ruhe in „Wandrers Nachtlied II“ – all dies sind Momente, in denen die Akteure ein Glück finden könnten, in einer Umarmung, in der Lektüre eines zerfledderten Buchs oder auch schlicht in der Erkenntnis, dass der eigene Name tatsächlich zu einem gehört. Zwar ist dies alles todesnah, doch ist das Ende keineswegs depressiv, sondern zerreißend schön: Eine Geige spielt die Melodie von „Abschied“, wie eine schwebende, übermenschliche Stimme. Der hier nicht gesungene Text lautet: „Über die Berge zieht ihr fort. Kommt an manchen grünen Ort; muss zurücke ganz allein. Lebet wohl! Es muss so sein.“

APA - Austria Presse Agentur

…Das Publikum signalisierte volle Zustimmung und spendete der Berliner Truppe und dem Ost-Tiroler Ensemble „Franui“ begeisterten Beifall… Die acht Mitglieder von „Nico and the Navigators“ liefern in den szenischen Miniaturen des Musik- und Bildertheaterprojekts keine Rezepte, wohl aber Denkanstöße. „Wo du nicht bist“ verleitet nicht zum voyeuristischen Blick, sondern zum Nachdenken über das Glück, und damit über das Leben insgesamt…

APA - Austria Presse Agentur

"Wo du nicht bist" bei Festspielen erfolgreich uraufgeführt Bregenz (APA) - Die Berliner Theatergruppe "Nico and the Navigators" hat am gestrigen Freitagabend in Bregenz das Glück gesucht - und gefunden. In der ambitionierten Festspiel-Reihe "Kunst aus der Zeit" (KAZ) ging die Uraufführung des Stücks "Wo du nicht bist" erfolgreich über die Werkstattbühne des Festspielhauses. Das Publikum signalisierte volle Zustimmung und spendete der Berliner Truppe und dem Ost-Tiroler Ensemble "Franui" begeisterten Beifall - nicht zuletzt ein lebenswichtiges Ingredienz für das Glückserleben von Schauspielern und Musikern. Die Koproduktion der Festspiele mit "Nico and the Navigators" wird am heutigen Samstagabend wiederholt. Als nächste Uraufführung folgt auf der Bregenzer Werkstattbühne am 12. August "Radek", die neue Oper von Richard Dünser, mit Georg Nigl in der Titelpartie. "Wo du nicht bist" (Regie Nicola Hümpel) entzieht sich jeder Genre-Charakterisierung, stellt das naturwissenschaftliche Weltbild in Frage und befasst sich mit Vorstellungen und Definitionen von Glück in verschiedenen Kulturen. Hinterfragt wird, ob und wieweit kulturelle Herkunft und aktuelles Umfeld das persönliche Glück beeinflussen. Elemente aus Schauspiel, Tanz und Gesang fügten sich zu einem Ganzen zusammen. Die acht Mitglieder von "Nico and the Navigators" liefern in den szenischen Miniaturen des Musik- und Bildertheaterprojekts keine Rezepte, wohl aber Denkanstöße. "Wo du nicht bist" verleitet nicht zum voyeuristischen Blick, sondern zum Nachdenken über das Glück, und damit über das Leben insgesamt. Erarbeitet wurde die Bregenzer Uraufführung in Innsbruck und an den Berliner Sophiensälen, der Heimat von "Nico and the Navigators". Auch das reduzierte Bühnenbild (Oliver Poske) entstand in Berlin. Die durch Schubert inspirierte Musik zur Szene steuerten Andreas Schett und die Tiroler Formation "Franui" bei, die von Violine über Zither und Hackbrett bis Saxophon und Tuba besetzt ist. "Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück" - mit diesem Satz endet eines der berühmtesten Schubert-Lieder, "Der Wanderer", erinnert Schett an den musikalischen Ausgangspunkt.

Valeria Ottolenghi / Gazzetta di Parma

…Die Darsteller des Ensembles Nico and the Navigators in „Wo du nicht bist“, dem Eröffnungsstück des TeatroDue-Festivals in Parma, bewegen sich genau aufeinander abgestimmt, um sich in fragmentarischen Aktionen – möglichen Geschichten, Bindungen und neuen Dimensionen – voneinander zu lösen…

Valeria Ottolenghi / Gazzetta di Parma

Unbehaglichkeiten: in einem geometrischen und zugleich poetischen Raum, in raffiniertem Licht, bewegt sich schwebend eine verlorene Menschheit, wenngleich die Gesten ihre Beziehungsstörungen, konfuse Unruhe und verwirrten Aggressionen aufzudecken scheinen. Die Darsteller des Ensembles Nico and the Navigators in „Wo du nicht bist“, dem Eröffnungsstück des TeatroDue-Festivals in Parma, bewegen sich genau aufeinander abgestimmt, um sich in fragmentarischen Aktionen – möglichen Geschichten, Bindungen und neuen Dimensionen – voneinander zu lösen. Der letzte Vers der „Wanderer-Phantasie“ von Franz Schubert – „Dort wo du nicht bist, dort ist das Glück“ hat dem Stück seinen Titel gegeben, und die Musik wird live auf der Bühne von einem Orchester eingespielt: Verse, Worte der Unzufriedenheit, viele Fragezeichen, Sich-Fremd-Fühlen, das uns umrauschende Leben, umherziehende Freunde, zielloses Herumirren. Das ganze Stück ein Zögern: Ängste, Zweifel, Wünsche. Gebrauchte Bücher aller Art. In einem Eimer stille stehen. Einsamkeiten. Verschiedene Sprachen. Suche nach Formen und Ordnung im Himmel. Vergessen können, um sich dem Glück anzunähern. Das Todesgefühl. Und das Liebebedürfnis. Jeder scheint nach Rezepten zu suchen, sich seiner Lehrzeit nachzuhängen, von Denkern zu schwärmen. Aber: vergeblich. Das Leben fährt fort zu entzweien, vagen Wahnsinn zu erzeugen. Die Figuren scheinen auf Lösungen in Worten oder gefühlsmäßigen Übereinkünften zu stoßen. Aber das Gleichgewicht ist ständig in Gefahr. Und selbst unterschlagenen Verzweiflungen können die Traurigkeit der Menschen lindern. Man lebt nur einmal: Ob das wohl genügt? Kaum angesprochene Erfahrungen. In einer überdies gesittet heiteren Atmosphäre. So geht die Welt: unmöglich, sie im Ganzen zu handeln, Gewissheiten für sich und andere zu erlangen, das Morgen zu erahnen. Am Lebensende sowieso ein Begräbnis? Es scheint so, doch darüber zu scherzen ist erlaubt. Die absolute Geziertheit der Gesten, die große Sorge um alles, eine Aufrichtigkeit, die die unmittelbaren Erfahrungen und die reine Theatralik filtert, und Musik, die führt, begleitet, den Augenblick des Gefühles schafft, lösen nicht, wie es scheint, das Problem der dramaturgischen Verzettelung. Dennoch der Beifall des Festivalpublikums lang und gewisslich verdient. 4 Sterne (von 5)

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…Was ist Glück? Was ist Unglück? Und wie gehen die Menschen auf der Suche nach menschlicher Nähe damit um? Das Stück „Nico and the Navigators“ aus Berlin liefert keine hochtrabenden Geschichten, sondern szenische Miniaturen. Es sind Denkräume zum Thema Glück…

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Die Programmsparte "Kunst aus der Zeit" bereichert die Bregenzer Festspiele Die Bregenzer Festspiele sorgen mit ihrer spektakulären Seeproduktion immer wieder für Schlagzeilen. 173.000 Zuschauer sahen 2005 Verdis "Der Troubadour" in der feuerroten Ölraffinerie. Auch die diesjährige Produktion von Claude Debussys "Der Untergang des Hauses Usher" im Festspielhaus fand international viel Beachtung bei Publikum und Presse. Zudem profiliert sich das Festival zusehens mit seiner dritten Programmschiene: "Kunst aus der Zeit" ("KAZ"), bei der junge und freche Musik- und Theaterprojekte an den Bodensee geholt werden. Freakig, unkonventionell und entdeckungsfreudig ist die kleine, aber feine Programmschiene. Die 400.000 Euro Programmbudget werden - getreu dem Motto "Kunst finanziert Kunst" - aus Überschüssen der Seebühnenproduktion finanziert. Was ist Glück? Was ist Unglück? Und wie gehen die Menschen auf der Suche nach menschlicher Nähe damit um? Das Stück "Nico and the Navigators" aus Berlin liefert keine hochtrabenden Geschichten, sondern szenische Miniaturen. Es sind Denkräume zum Thema Glück. Die Livemusik zur Spurensuche kommt von der Tiroler Musik-Formation "Franui". Sie hat Schubertlieder als Vorlage verwendet und für den poetischen Theaterabend weitergedacht. Politisch-zeitgeschichtliche Denkräume Politisch-zeitgeschichtliche Denkräume öffnet dagegen die Uraufführung von "Radek" bei den Bregenzer Festspielen. Die Kammeroper zeichnet das Leben des jüdischen Galiziers Karl Radek nach. Er sympathisierte mit Lenin und Stalin - und starb nach einem Schauprozess in einem sibirischen Straflager. Mit Krieg, Zerstörung und Tod konfrontiert auch eine andere Bregenzer Produktion im Rahmen von "Kunst aus der Zeit": Friedrich Cerhas 1971 uraufgeführtes Opus Magnum "Spiegel I-VII". Cerhas konsequentestes Werk auf dem Gebiet der Klangflächenkomposition ist allerdings eine Antwort auf die serielle Musik der 1960er Jahre - eine Herausforderung für das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg sowie den Dirigenten. Kontrastprogramm dazu kommt aus dem Bregenzer Kunsthaus: Hier trifft Elektronik auf ein Streichensemble. "SPIN" betitelt sich der Abend, den der Wiener Komponist Hannes Löschl mit dem Vorarlberger "Ensemble Plus" gestaltet hat. Zudem gastiert das Hamburger Thalia-Theater mit Werner Schwabs grellem Sprach-Klassiker "Die Präsidentinnen" in Bregenz. Das erste von Schwabs so genannten Fäkaliendramen wird im Herbst in den Spielplan in Hamburg übernommen, Bregenz zeigt die Premiere. "Kunst aus der Zeit" liefert einen künstlerischen Brückenschlag zwischen Alt und Jung, zwischen Tradition und Avantgarde. Für viele ist es noch ein Geheimtipp bei den Festspielen, allerdings mit Expansionspotential.

Simone Kaempf / TAZ

…Mehr Metamorphose als in diesem Stück geht nicht mehr… glücklich sein, wo doch der schönste Moment im Leben wieder vorbeigeht und das breiteste Lächeln zum giftigen Pfeil wird. Die Trauben, die eine Darstellerin sich eben für jeden guten Silvestervorsatz in den Mund gesteckt hat, spuckt sie beim ersten Streit ihrem Liebsten ins Gesicht…“Wo du nicht bist“ ist auch ein Schubert-Liederabend, dessen Leitmotiv aus dem „Wanderer“-Lied stammt. Ein Mann aus dem Gebirge kommt ans Meer, wo er bekennt: „Ich bin ein Fremdling überall.“ Diese Geschichte zieht sich als roter Erzählfaden durch den Abend… Jeder ist ein Außenseiter, den das Kollektiv abstößt – und immer wieder aufnimmt… Einmal mehr trotzen Nico and the Navigators dem Ganzen lebenstüchtige Befreiung ab…

Simone Kaempf / TAZ

Uneindeutige Gefühls- und Wetterlagen bergen Chancen. Das zeigen Nico and the Navigators in ihrem Stück "Wo du nicht bist" in den Sophiensælen Ein Mann lässt eine Frau in zärtlicher Langsamkeit an seiner Zigarette ziehen, als sei das der ersehnte Kuss. Es gibt einen Schlitten, auf dem zwei so eng sitzen, wie es nur dicke Freunde tun. Dann wird der Schlitten als Tornister geschultert. Die Freundschaft ist vorbei oder der Winter. So ist das im dem Stück "Wo du nicht bist" von Nico and the Navigators. Im Moment des Abschieds bleibt bei allem Unglück ein kleines Stück vom Glück, mit dem man sich erinnern, verkriechen, vertrösten kann. Mehr Metamorphose als in diesem Stück geht nicht mehr. Seit ihrer ersten Arbeit in den Sophiensælen im Jahr 1999 sind Nico and the Navigators viel im Ausland getourt, und weil sie dort mittlerweile finanzielle wie personelle Unterstützung bekommen, werden die Inszenierungen größer, üppiger, internationaler. "Wo du nicht bist" ist in Kooperation der Bregenzer Festspiele und der Sophiensæle entstanden. Demnächst geht es nach Spanien und Ungarn. Eine USA-Gastspielreise ist geplant. Weil sie unter erhöhtem Kultverdacht stehen. Weil jeder die nonverbale Körpersprache der Performer verstehen kann, die untersuchen, wie das geht: glücklich sein, wo doch der schönste Moment im Leben wieder vorbeigeht und das breiteste Lächeln zum giftigen Pfeil wird. Die Trauben, die eine Darstellerin sich eben für jeden guten Silvestervorsatz in den Mund gesteckt hat, spuckt sie beim ersten Streit ihrem Liebsten ins Gesicht. "Wo du nicht bist" ist ein typischer Nico-and-the-Navigators-Abend: ein bisschen künstlich, ein bisschen verschroben und melancholisch. Ein Ineinandergleiten von Szenarien. Dinge zerschneiden Stimmungen und schaffen neue. Ein roter Ball rollt einsam über die Bühne, die man im sanften Licht eben noch für eine Dünenlandschaft am Meer hielt. Darin die acht Nicos, mit Hüten, windzerzausten Frisuren, Kleidern und Anzügen wie auf einem Ausflug in den 20er-Jahren, aber doch in Soft-edge-Optik von heute. Doch "Wo du nicht bist" ist auch ein Schubert-Liederabend, dessen Leitmotiv aus dem "Wanderer"-Lied stammt. Ein Mann aus dem Gebirge kommt ans Meer, wo er bekennt: "Ich bin ein Fremdling überall." Diese Geschichte zieht sich als roter Erzählfaden durch den Abend, der wie ein gemeinsamer Ausflug ans Meer beginnt. Gruppen bilden und lösen sich. Miyoko Urayama, die Japanerin unter den Performern, isst allein mit Reisschale und Stäbchen. Jeder ist ein Außenseiter, den das Kollektiv abstößt - und immer wieder aufnimmt, denn die Gruppe um Nicola Hümpel macht Theater, das bei allem leisem Schmerz auch aus Nestwärme geboren ist. Die Heimatcombo "Franui" begleitet den Abend mit verschiedenen Schubert-Liedern, die für Geige, Gitarre, Zither, Blech und Hackbrett instrumentiert wurden. "Die Gerätschaft einer Tanzkapelle taugt zur Wiedergabe von Trauermärschen", beschreiben "Franui" Einsichten ihrer Arbeit, und so wie die Nicos den Moment zwischen Schmerz und Glück suchen, klingt auch die Musik unaufdringlich aus dem Dazwischen. Die Musiker sitzen in Oliver Proskes Bühne in einer geschlossenen Box, die anfangs wie eine Spieldose angekurbelt wird. Davor, auf der gewellten Plastikbühne, wechseln die Landschaften je nach Lichteinsatz wie in einem Wetterhäuschen: Sommerdünen, Schneehügel, All-Jahres-Schmudelwetter. Aber der regendurchnässte wie fröhliche Abgang aller Beteiligten vermittelt die Erkenntnis, dass uneindeutige Wetter- wie Gefühlslagen nicht in Selbstmitleid oder Gefühllosigkeit enden müssen. Einmal mehr trotzen Nico and the Navigators dem Ganzen lebenstüchtige Befreiung ab. In den Sophiensælen, am 12., 13., 15 und 16. 8. jeweils 20 Uh

Eine Produktion von NICO AND THE NAVIGATORS und den Bregenzer Festspielen / KAZ. Gefördert durch Mittel der Kulturstiftung des Bundes, und des Berliner Senats für Wissenschaft Forschung und Kultur. In Kooperation mit den Berliner Sophiensælen.

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