Angels‘ Share

A Staged Concert: Ein von Nicola Hümpel „navigierter“ Konzertabend, gespickt mit britischem Humor und etwas Snobismus – musikalische Duelle zwischen Hochkultur und Ale House.

Auf einer längeren Schottland-Reise des Dramaturgen, Musik- und Kulturmanagers Folkert Uhde mit dem Geiger Georg Kallweit (Konzertmeister, Akademie für Alte Musik) entstand die erste Idee für dieses Projekt…

 

Der Begriff „Angels‘ Share“ („Engelsanteil“) stammt aus der Sprache der Whisky­brenner und bezeichnet den Anteil des Whiskys, der im Laufe der Lagerung aus dem Fass verdunstet und damit den ‚Engeln‘ zugeführt wird. 

In dem szenischen Konzert „Angels‘ Share“ führen das sechsköpfige Instrumental-Ensemble Urban Strings sowie eine Sängerin und zwei Performer von Nico and the Navigators das Publikum auf eine musikalisch-absurde Reise von der höfischen Londoner Kultur Henry Purcells bis in die Dorfkneipen der schottischen Highlands, der Heimat einer noch heute lebendigen Fiddle-Kultur. 

Ein von Nicola Hümpel „navigierter“ Konzertabend, gespickt mit britischem Humor und etwas Snobismus – musikalische Duelle zwischen Hochkultur und Ale House, zwischen Melancholie, Rausch und Lebenslust… 

Es erklingen Kompositionen von Henry Purcell (1659–1695), Niel Gow (1727–1807), Nicola Matteis (2. Hälfte 17. Jahrhundert) sowie traditionelle schottische Fiddle-Musik und Improvisationen.

 

Termine

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Pressestimmen

Jan Brachmann / Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Um Nahbarkeit und Unnahbarkeit ging es, um wechselseitige Empathie sozialer Sphären und ihrer Musik. Ein Abend voller Witz und Rührung … Zeitfenster, die Biennale Alter Musik, veranstaltet vom Konzerthaus Berlin, hätte kaum besser zu Ende gehen können.“

Jan Brachmann / Frankfurter Allgemeine Zeitung

Irgendwann, wenn keiner guckt, lassen die Engel ihre Leitern runter und klettern ins Lagerhaus. Dann ziehen sie den Pfropfen aus dem Spundloch, tauchen ihre Strohhalme ins Whiskyfass und saugen sich raus, was ihnen zusteht. „Angel’s Share“ - Engelsanteil - lautet der Fachausdruck dafür. Angeblich sei das die Menge Sprit, die nach und nach aus dem Fass verdunste. Adrian Gillott, ein wuschelköpfiger Clown, fragt sich da: „Was machen die, wenn die zuviel gesaugt haben? Hören die dann auf, nach uns zu gucken? Ist das der Moment, wo irgendjemand verunglückt?“ Trotzdem gibt es am Ende dieses Abends im Berliner Radialsystem, gestaltet von der Akademie für Alte Musik und der Theatertruppe Nico and the Navigators, tatsächlich Whisky für alle. „Tanzt, Leute“, ruft Gillott zwischen die schottische Fiddlermusik. Im Bacchanal löst sich die Poesie dieses Abends, von Nicola Hümpel erdacht, auf. Die Tänzerin Nadine Milzner hatte als eisige Majestät mit spanischer Halskrause Widerstand geleistet gegen die Zutraulichkeiten des Schotten-Clowns, der auch der Sängerin Julla von Landsberg nachstellte. Der Fiddlermusik stand höfische Kunst von Henry Purcell, Niel Gow und Nicola Matteis gegenüber. Um Nahbarkeit und Unnahbarkeit ging es, um wechselseitige Empathie sozialer Sphären und ihrer Musik. Ein Abend voller Witz und Rührung. Man muss es erlebt haben, wie Gillott sich aus einem rieseigen Luftkissen mit Schlauch und Orgelpfeife einen Dudelsack gebaut hat, sich dann aufs Kissen warf wie „Goethe in Italien“ auf Tischbeins Gemälde, das Ventil öffnete und daraufhin über dem Pfeifton die „Fantasia upon one note“ von Henry Purcell gespielt wurde. Oder wie er in lordschaftlichem Lehrerton den Text aus Händels „Esther“ urkomisch deklamierte, während Gioanna Pessi ihre Harfe stimmte: „Tune your harps to cheerful strains, moulder idols into dust.“ Zeitfenster, die Biennale Alter Musik, veranstaltet vom Konzerthaus Berlin, hätte kaum besser zu Ende gehen können.

Thomas Heinold / Nürnberger Zeitung

„Whisky in der Tafelhalle – und das bei der ION, wie geht denn das zusammen? Sehr gut, wie sich beim Auftritt der Musikperformer Nico and the Navigators und des Instrumentalensembles Urban Strings zeigte. Beide führten in einem inszenierten Konzert das Publikum in die schottischen Highlands und ließen die höfische Musik mit der Folk-Musik der noch heute gepflegten schottischen Fiddler-Kultur zusammenfließen.“

Thomas Heinold / Nürnberger Zeitung

Whisky in der Tafelhalle – und das bei der ION, wie geht denn das zusammen? Sehr gut, wie sich beim Auftritt der Musikperformer Nico and the Navigators und des Instrumentalensembles Urban Strings zeigte. Beide führten in einem inszenierten Konzert das Publikum in die schottischen Highlands und ließen die höfische Musik von Henry Purcell, Nicola Matteis, Francesco Corbetta und Thomas Mace mit der Folk-Musik der noch heute gepflegten schottischen Fiddler-Kultur – u. a. des berühmten Niel Gow zusammenfließen. Gemeinsames Lösungsmittel: der Highland-Whisky, den dort schließlich christliche Mönche einst erfanden und dessen so geistiges wir flüchtiges Naturell trefflich im Konzerttitel eingefangen wurde. Als Angels’ Share gilt jener Anteil des Whiskys, der bei der Lagerung verdunstet. Er gehöre den Engeln heißt es, vielleicht hatte deshalb die so unnahbar wie fragil wirkende Tänzerin Nadine Milzner in ihrem Goldkleid einen großen Fächer eingearbeitet, den sie wie einen Englesflügel ausbreiten konnte. Ihre anmutig zögerlich Bewegungspoesie bettete die künstlerische Leiterin Nicola Hümpel in eine mit Situationskomik à la Christoph Marthaler angereicherte Rahmenhandlung. Ein schottischer Fiddler (Georg Kallweit), der mit tragbarem Plattenspieler nach Gehör spielt, und ein Barockensemble geraten erst aneinander, lassen letztlich aber im gemeinsamen Musizieren die leidig Trennung zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Musik obsolet werden. Ein schlacksiger und redseliger junger Engländer (Adrian Gillott) spürt seinem schottischen Herzen nach, nebenbei flirtet er linkisch mit der charmanten Sängerin Julla von Landsberg. Die Idee dahinter: Der neue ION Cher Folkert Uhde will in der im Berliner Radialsystem V zuerst gezeigten Performance die starren Rituale eines herkömmlichen Konzerts aufbrechen. Die augenzwinkernde Mischung aus Komik und Poesie der Spielszenen soll die Konzentration schärfen und einen emotionaleren Zugang zur Musik schaffen. Das funktioniert sehr gut: Etwa wenn von Landsberg mit ihrem herrlich weich timbrierten Barocksopran hingebungsvoll Purcells „Music for a while“ singt während sie von Gillott ehrfürchtig umklammert wird. Oder wenn drei Geiger beim Frost-Stakkato des Cold Song als bedrohliche Schattengestalten and Landsberg heranrücken. Diese körperlicher Qualität lässt auch das Spiel des Barockensembles plastischer wirken, herausragend in Präsenz und Bogenführung agiert hier die Violinistin Mayumi Hirasaki. Gillott breitet derweil eifrig Landkarten und Highland-Lyrik aus, zitiert Shakespeare und Edmund Spenser, macht sich über Kelten-Klischees lustig und schließt an ein riesiges mit Luft gefülltes Sitzkissen eine Orgelpfeife an, womit eine absurd-komische Brücke zwischen Dudelsack-Klang und dem zentralen Instrument der ION geschlagen wäre. Am Ende gibt es Whisky für alle, auch fürs Publikum, was – Puristen mögen es verzeihen – als eine Art der Kommunion körperlicher und intensiver wirkt als so manches herkömmliche sakrale Konzert. Der treibende Rhythmus der Pub-Musik reißt alle mit.

Shirley Apthorp / Financial Times

„Ein Abend voll feiner Musikalität, spielerischer Absurdität – und Whisky-Trinken.“

Shirley Apthorp / Financial Times

Dezember 22, 2013 9:02 pm von Shirley Apthorp Ein Abend voll feiner Musikalität, spielerischer Absurdität - und Whisky-Trinken 'Angels' Share' Das Publikum sitzt, das Licht wird gedimmt, die Darsteller treten ein, Applaus. Musik, Beifall, Pause, Musik, Beifall, Ausgang. In einer Welt, in der sich fast alles verändert, ist das Format des Kunst-Musik-Konzerts im letzten Jahrhundert stur auf der Stelle geblieben. Das war nicht immer so. Im Barock aß das Publikum Orangen und spielte in Privatlogen in der Oper Politik oder Liebe. Zu Beethovens Zeiten wurden einzelne Sätze beklatscht und manchmal sogar wiederholt. Die Idee der ehrfurchtsvollen Dunkelheit verdanken wir Richard Wagner; die heutigen Konzertgewohnheiten bleiben dezidiert im 19. Oder doch nicht? Nico and the Navigators, vor anderthalb Jahrzehnten in Dessau gegründet und jetzt in Berlin ansässig, ist eine Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Art und Weise, wie Musik präsentiert wird, neu zu überdenken. Ein Ziel, das von vielen geteilt wird, von den Züricher Clubnächten bis zur hippen Yellow Lounge der Deutschen Grammophon. Doch bis jetzt fehlte ein entscheidendes Element. Mit Angels' Share hat das interaktive Live-Whisky-Trinken Einzug in die Welt der Kunstmusik gehalten. Na endlich. Der "Angels' Share" ist ein Begriff, der von Whisky-Brennern verwendet wird, um den Anteil zu erklären, der während der Zeit, in der das Getränk im Fass liegt, verdunstet. Als Darsteller und Musiker beginnen, den Whisky einzugießen und an das Publikum zu verteilen, fühlt es sich bereits so an, als würden wir die Barockzeit durch den Boden eines Bechers betrachten. Britische und schottische Barockmusik vermischt sich mit Folk-Traditionen, Clownerie, Tanz und Gesang in diesem Abend voller feiner Musikalität und spielerischer Absurdität. Henry Purcell reist von England nach Schottland, wo er ausgelassene Pub-Musik hört und das lokale Feuerwasser probiert. An den Rest kann man sich kaum noch erinnern. Der Abend lebt durch das großartige Spiel der Urban Strings, einer Scratch-Band, die für die Show aus einer Handvoll der kauzigsten der europäischen Barock-Instrumental-Elite zusammengestellt wurde und die ebenso bereit ist, einen Reel in Schottenstoffsocken zu tanzen wie um einen Grundbass zu improvisieren. Julla von Landsberg steuert ihren hübschen Sopran bei, Nadine Milzner tanzt eine grimmige Parodie auf Mary, Queen of Scots, Georg Kallweit schafft es, gleichzeitig zu fiedeln und zu schauspielern, während Adrian Gillott mit seinen cleveren Sprüchen und Clownerien das Tempo hochhält. Angels' Share lässt die Zuschauer mit einem warmen Gefühl in der Magengrube zurück. Das mag am Schnaps gelegen haben; man kann nur hoffen, dass mehr Konzertveranstalter diese aufgeklärte Praxis umsetzen.

Ulrich Amling / Der Tagesspiegel

„Sie spielen Purcell und Fiddle-Ware aus den Highlands, zwischen höfischem Zeremoniell und Pub – und wundern sich aufs Liebevollste übereinander … Ein reizender Abend … zart erheiternd.“

Ulrich Amling / Der Tagesspiegel

Unser Konzertleben gleicht einem seltsamen Ritual, bei dem mit Herunterdrehen des Saallichtes Konzentration einsetzen soll. Nach der vollständigen Wiedergabe eines Werks darf geklatscht werden, und in der Pause trinkt man ein obligatorisches Gläschen. Seit 120 Jahren geht das nun so, Abend für Abend – auch wenn Musik erklingt, die unter solchen Umständen niemals uraufgeführt worden wäre. Neue Konzertformen zu finden, die möglicherweise ganz alte sind, ist ein lohnendes wie kritisch beäugtes Unterfangen. Das Theaterensemble Nico and the Navigators tüftelt an einer Reihe inszenierter Konzerte, im Rahmen des Zeitfenster- Festivals gibt es mit „Angel’s Share“ eine leicht flüchtige und dabei zart erheiternde Kostprobe. Der „Anteil der Engel“ bezeichnet jene Menge Whisky, die im Laufe der Lagerung aus den Fässern weicht. In das Land der beschwipsten Himmelsboten und irdischen Teufelsgeiger, hingestreckt unter einem endlosen Horizont bis zum tosenden Atlantik – nach Schottland führt dieses staged concert im Radialsystem. Reisebegleiter sind ein strubbliger Englishman (Adrian Gillott), dessen Herz für Schottland schlägt, eine Tänzerin (Nadine Milzner), die ein bisschen wie Cate Blanchett als britische Königin aussieht, eine wundervoll wache Sopranistin (Julla von Landsberg) und die beherzten Urban Strings aus den Reihen das Akademie für Alte Musik. Sie spielen Purcell und Fiddle-Ware aus den Highlands, zwischen höfischem Zeremoniell und Pub – und wundern sich aufs Liebevollste übereinander. Man entfaltet Landkarten, betrachtet Dias, schichtet Gläser, in denen schließlich Whiskey landet, für alle. Natürlich ist das Trinken eher symbolischer Natur und es traut sich kaum jemand, mitklatschend in die scottish tunes einzufallen. Auch Purcells Gassenhauer, der sich daran berauscht, dem Feind die Stadt niederzubrennen, bleibt ungesungen. Das hätte dem reizenden Abend einen scharfen Ton verliehen. Schon vor der Tür, am Spreeufer, ist er verweht, der Whiskyhauch.

Clemens Goldberg / Kulturradio

„Auf liebenswerte Weise sind Nico and the Navigators auf der Spur dessen, was englische Musik – und nicht nur sie – essentiell ausmacht: Fantasie, Ironie, Humor, Innigkeit.“

Clemens Goldberg / Kulturradio

Auf liebenswerte Weise sind Nico and the Navigators auf der Spur dessen, was englische Musik – und nicht nur sie – essentiell ausmacht: Fantasie, Ironie, Humor, Innigkeit ... Adrian Gillott als Erzähler bricht immer wieder das Gehörte und die Konzertrituale, allerdings muss man als Konzertgänger des Englischen mächtig sein, um alle Feinheiten zu erfassen. Die Grenzen zwischen Kunstmusik und Taverne verschwimmen in Improvisationen und höchstem Kontrapunkt in Purcells Musik, allerdings werden die ja doch vorhandenen, ganz unterschiedlichen sozialen Kontexte dabei auch zu sehr überblendet. Im Vordergrund steht die Lust am Improvisieren, auch mit Gegenständen, sehr leicht und spielerisch von Nicola Hümpel ersonnen. Landkarten, Fächer, Halskrausen, alles kann sich verwandeln. Nadine Milzner, als Tänzerin angekündigt, bleibt allerdings im wesentlichen Repräsentantin der Stiff upper Lip und des allzu ernsten Kunstbetriebs anwesend. So sind die wenigen Bewegungseinlagen auch eher stereotyp. Die Musiker der Akademie für Alte Musik haben sich zwar einen modischen Namen zugelegt, aber die lustvoll fiddelnde Seite des Ursprungsensembles ist jederzeit erkennbar. Das Kunstmusik doch von elitärem Raffinement lebt, das Natürlichkeit nur suggeriert, konnte man eindrucksvoll durch die Interpretationen von Julla von Landsberg erleben. Am Schluss wird Whiskey, als Angel's share ausgeschenkt, und alles löst sich in Wohlgefallen auf. Dass dabei die Konflikte zwischen Schottland und England gerade heute wieder aufbrechen, wird im Alkohol etwas vernebelt.

Eine Produktion von zeitfenster in Koproduktion mit Nico and the Navigators und dem Radialsystem V. Angels' Share ist Teil der inszenierten Konzertreihe KlangZuGang, für die Nico and the Navigators im Rahmen einer dreijährigen Konzeptionsförderung durch den Fonds Darstellende Künste aus Mitteln des Bundes unterstützt werden. Das Ensemble erhält zudem eine Konzeptförderung des Landes Berlin.

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