Das Projekt ist die Entwicklungsgrundlage sowie das Referenzprojekt für die neuartige AR_Loopmachine
Nachdem NICO AND THE NAVIGATORS zum Bauhaus-Jubiläum 2019 mit der Inszenierung „Verrat der Bilder“ in über 100 Vorstellungen mehr als 3000 Zuschauer*innen von den performativen Möglichkeiten der Augmented Reality Brillen überzeugen konnten, wird die Recherche mit dem neuen, von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Projekt „Du musst Dein Leben rendern!“ konsequent fortgeführt.
Das DOCKdigital ist hierfür der perfekte Partner, weil bereits seit über einem Jahr mit Motion Capture-Anzügen von Rokoko experimentiert wird – also mit Datenanzügen, die Bewegungen von realen Körpern digital erfassen, so dass die Daten für eine weitere Nutzung aufbereitet werden können. Um diese beiden Technologien unkompliziert und flexibel zusammenzuführen, wird eine neuartige AR-Loopmachine entwickelt, mit deren Hilfe Tänzer*innen z.B. einen Pas de deux mit einem zuvor aus sich selbst erzeugten 3D-Abbildentwickeln können. Die Zuschauer*innen sehen die Tänzer*innen im realen Raum und mit Hilfe der AR-Brille deren Animation, die sich mit ihrem Original im Tanz zu vereinen scheint.
Die AR-Loopmachine soll im Anschluss weiterhin zur Verfügung stehen sowie im Rahmen von Bildungs- und Vermittlungsformaten in Digitalen Laboren inhaltlich weiterentwickelt werden.
Das Projekt „Du musst Dein Leben rendern!“ in der Choreografie von Yui Kawaguchi für zwei Tänzer*innen, Florian Graul und Lujain Mustafa, und deren virtuelle Klone ist die Entwicklungsgrundlage sowie das Referenzprojekt für die AR-Loopmachine von Oliver Proske und Moritz Kiefer.
Die mittels Motion Capture-Anzügen aufgezeichneten Bewegungsabläufe der beiden Tänzer*innen werden auf AR-Brillen übertragen. Vergleichbar mit einer Loop Station für Live-Musiker*innen ermöglicht die AR-Loopmachine den Performer*innen, mit den eigenen Moves in einen Dialog zu treten sowie ein Duett mit sich selbst zu tanzen. Begleitet wird diese scheinbare Interaktion zwischen realem Körper und künstlich erzeugtem Ebenbild von den Klangflächen des Trompeters Paul Hübner. Die Relation zwischen analoger Wirklichkeit und virtueller Erweiterung verschiebt sich mit dem wählbaren Blickwinkel des Publikums, das sich frei im Raum bewegen kann: reale und virtuelle Körper multiplizieren sich, verändern ihre Größe – das Spiel beginnt.
Yui Kawaguchi, seit Jahren Protagonistin bei NICO AND THE NAVIGATORS, lässt sich u. a. vom antiken Pygmalion-Mythos inspirieren, der das verhängnisvolle Verhältnis eines Bildhauers zu seiner lebensecht geschaffenen Statue verhandelt – verliebt in das eigene Kunstwerk, das er dem Leben vorzieht bzw. ins Leben holt –, bis heute ein in der Kunst widerhallendes Motiv.
Wie stark kann eine emotionale Bindung zum oder gar Abhängigkeit vom virtuellen Gegenüber entwickelt werden? Kann der Mensch in künstlichen Räumen seinem vollkommenen Selbst begegnen? Musst Du Dein Leben rendern?
Dieses navigatorische Projekt findet an der Schnittstelle von Bildender und Darstellender Kunst statt.
HINWEIS: Für das optimale Erleben der Inszenierung ist eine individuelle Anpassung der AR-Brillen erforderlich, die jeweils beim Einlass erfolgt. Aktuell ist das AR-Modell von MagicLeap, das wir verwenden, nicht mit herkömmlichen Brillen kompatibel – eine Kombination mit Kontaktlinsen ist möglich. Für Brillenträger*innen bieten wir daher eine begrenzte Zahl an Dioptrien-Einsätzen an.
Im Dock 11 zeigten Nico and the Navigators und Chris Ziegler beim Festival „Humandroid“ ihre Performance „Du musst Dein Leben rendern!“, die aus zwei Etüden für drei Tänzer:innen bestand. Sie vermaßen das Feld zwischen virtuellem und analogem Raum, virtuellen und den eigenen Körpern – und öffneten Denkräume.
Es hat geknallt und geglitzert: der Berliner Saisonauftakt macht euphorisch – trotz der düsteren Prognosen, die dem Theater zuletzt gestellt wurden. Auch, oder gerade wegen schweren Stoffen in Krisenzeiten: Grund für ein Loblied.
Die Prognosen waren zuletzt ja eher mäßig, was die Zukunft des Theaters betrifft. Aber jetzt hat in Berlin der Spielzeitauftakt so gerumst und geglänzt, dass ich optimistisch, ja fast euphorisch bin. Gut, Berlin ist noch nicht Deutschland oder repräsentativ für das (deutschsprachige) Theater. Aber wenn kurz hintereinander zwei Saisoneröffnungen nahtlos vom Ende des Stücks in Standing Ovations übergehen, finde ich das angesichts der vielen Totenklagen der letzten Monate erleichternd – und eine Kolumne wert.
Aktuelle Theaterwucht
Standing Ovations zum Beispiel in der Schaubühne, wo es die Reflexion über ukrainische Theatermacher:innen im Krieg "Sich waffnend gegen eine See von Plagen" von Stas Zhyrkov und Pavlo Arie gab. Ein Abend, der sich von lakonischen Überlegungen und persönlichen Berichten von der Front in das Innerste einer Künstlerseele schraubte, die sich am Widerspruch aufreibt, dass sie nicht töten und Krieg führen will, aber Kollegen eben genau das tun – im Sinne der Verteidigung der eigenen Freiheit. Theater am Puls der Zeit (und der täglichen Newsfeeds). Am Ende sprangen die Leute im Publikum auf und applaudierten begeistert. Darunter viele Ukrainer:innen, die sich hier, im Berliner Exil, offenbar besonders berührt von den Fragestellungen dieses Abends fanden. Aber auch ich, irgendwie unentschieden, ob ich mich hier von Kriegspropaganda (als die ich das streckenweise auch empfand) im Theater nicht lieber distanzieren oder doch von dieser Zerrissenheit berühren lassen wollte, ging durchgeschüttelt wie schon lange nicht mehr aus dem Theater.
Ein paar Tage später dann der größte Begeisterungssturm, an den ich mich überhaupt erinnere: in der Volksbühne, wo Florentina Holzingers Stück "Ophelia's Got Talent" herauskam. In knapp drei Stunden wurde mit derartiger Verve, Kraft und Theaterwucht die Schichten eines zementierten Frauenbildes aufgesprengt, dass ich am nächsten Morgen noch immer ganz benommen war. Auch, weil ich dadurch selbst in den Schleudergang eigener Bilder und Erfahrungen geraten war. Die eigene Sozialisation als Frau war wie eine zweite Spur den ganzen Abend mitgelaufen. Manchmal hat sie heftige Gegenreaktionen, aber am Ende ein Gefühl großer Befreiung produziert. Auf der Bühne versetzten Frauen, meist mit nichts als ihrer Haut bekleidet, sexualisierte Aufladungen weiblicher (verdinglichter) Körper in einen Status der Unschuld zurück, und mit atemberaubenden Bildern zwischen Artistik, Archaik, Schmerz und überbordender Lust am Theater brachten sie ganze Klischee- und Vorstellungs-Cluster zum Einsturz. Ein Theaterfest! Das Fest, das am Ende der Vorstellung dann auch im Publikum losbrach, war unglaublich.
Aus der Pandemie herausgeschält
Man konnte aber auch ins Maxim Gorki Theater ("Mother Tongue") oder ins Deutsche Theater ("Der Einzige und sein Eigentum") gehen – überall herausragende Arbeiten und begeistertes Publikum. Im Dock 11 zeigten Nico and the Navigators und Chris Ziegler beim Festival "Humandroid" ihre Performance "Du musst Dein Leben rendern!", die aus zwei Etüden für drei Tänzer:innen bestand. Sie vermaßen das Feld zwischen virtuellem und analogem Raum, virtuellen und den eigenen Körpern – und öffneten Denkräume. Forschungsergebnisse aus digitalen Labs, die während der Pandemie entstanden, aus der sich das Theater gerade wieder erhebt. Und zwar mit Macht – wenn man auf diese Stichproben einer Berliner Theaterwoche blickt.
Die mäßigen Prognosen und Klagen, zuletzt über ausbleibendes Publikum, decken sich also nicht mit meinen jüngsten Erfahrungen und dem damit verbundenen Zuschauerinnenglück. Zufall? Glück? Wird es so weitergehen? Das ist schwer zu sagen. Auch, weil noch niemand wirklich weiß, wie dieser Coronawinter wird. Fest steht: Die Spielzeit hat toll begonnen und ich habe den schönsten Beruf.
Das Projekt „Du musst Dein Leben rendern!“ wird entwickelt im Rahmen von „dive in. Programm für digitale Interaktionen“ der Kulturstiftung des Bundes, gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Programm NEUSTART KULTUR. Nico and the Navigators werden von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa in Berlin gefördert. Das Projekt entsteht in Kooperation mit DOCKdigital und Dock 11.
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